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Startseite > Windenergie > Artikel Nr. 105 (November 2008)

Nearshore Windpark Nordergründe genehmigt

Nearshore Wind"park" Nordergründe im Wattenmeer: Genehmigung erteilt - wie man im niedersächsischen Umweltministerium Fachgutachten verändert

Nach neun Jahren Planung, Änderungen von Fachgutachten, Druck auf Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesamtes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz ist jetzt die Genehmigung für den Wattenmeer-Windpark Nordergründe nur 560 Meter von den Grenzen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer erteilt worden. Die Vögel des Wattenmeeres kennen diese Grenzen nicht, Watt ist hier Watt, auch ohne den Nationalpark.

Der Leitende Ministerialrat Hoffmann, Referatsleiter Naturschutz im niedersächsischen Umweltministerium (MU), auf unserer WebSeite durch seine Stasi-IM-Tätigikeit bekannt geworden, setzt sich über alle geäußerten Bedenken der Fachbehörden hinweg und hält den Wind"park" Nordergründe für genehmigungsfähig; das ist unglaublich und wirft Fragen zur fachlichen Qualifikation dieses hochrangigen Ministerialbeamten auf.

Auszug aus dem Schreiben Hoffmann (MU) an die Betreiberfirma Energiekontor vom 18. Juni 2007, AZ: RGL:

"Es ist nochmals erörtert worden, ob neben dem Sterntaucher andere Vogelarten, Tierarten oder Lebensraumtypen als Schutzgüter berührt sein könnten. Das ist verneint worden. [...] Die maximale Zahl der Sterntaucher, die im 2 km-Radius um den geplanten OWP [Offshore-Windpark] Nordergründe gestört werden können, liegt bei 54,6 Vögeln. [...] Diese Vögel kommen nicht zu Tode. Sie werden lediglich aus dem im Vergleich zum riesigen Gesamtlebensraum sehr kleinen Gebiet verdrängt."

Wie oft ist denn dieser Sachverhalt im MU "erörtert" worden, bis die fachlichen Aussagen für den Betreiber passend gemacht wurden? In der Tat sehen naturschutzfachliche Stellungnahmen Hoffmanns betreiberkonform eingeschränkte Erzählungen völlig anders:

Auszug aus der Stellungnahme der Staatlichen Vogelschutzwarte im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) vom 20. Februar 2007, Az: H45-Krü, also VOR der erwähnten "nochmaligen Erörterung":

S. 10, Zusammenfassung Zugvögel:

S. 13: "Der Vogelzug wird in der FFH-VS [Flora-Fauna-Habitat Verträglichkeitsstudie des Gutachterbüros IBL] kaum berücksichtigt. [...] Ergebnisse der bundesfinazierten ökologischen Begleitforschung zeigen, dass hiervon vor allem Weißwangengans, Zwergmöwe und Brandseeschwalbe betroffen sind, in geringerem Umfang sind Eiderente und Kurzschnabelgans zu nennen. [...] Von einem ´uneingeschränkten Vogelzug´ im Sinne der Erhaltungs- und Entwicklunsgziele bzw. der NSG-Verordnungen könnte daher nach dem Bau des Offshore-Windparks ´Nordergründe´ nicht mehr die Rede sein.

Auszug aus der Stellungnahme des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (inzwischen aufgelöst) vom 07. März 2003, Az 2.2-22439:

Seiten 1 und 2: "Diese Beeinträchtigungen sind erhebliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 7 NNatG. Diese können kaum nach § 10 NNatG ausgeglichen werden. Die Beeinträchtigungen sind zudem so schwerwiegend, dass auch überwiegend keine sinnvollen Ersatzmaßnahmen (§ 12 NNatG) getroffen werden können, was das Gewicht der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zusätzlich erhöht."

Weiterhin wird die anzunehmende betreiberfreundliche Zählmethode des Gutachterbüros IBL in Oldenburg kritisiert:

"Diese Vorgehensweise ist angesichts der relativ hohen Dynamik der Seetaucherverteilung auf See und der hierfür noch relativ geringen Datenlage unzulässig. So fanden insgesamt zwar 32 Schiffs- Transsektzählungen statt, davon entfielen auf die Kernzeit der Seetauchervorkommen in der Deutschen Bucht von November bis März aber lediglich neun Erfassungen in einem einzigen Winterhalbjahr. Auf dieser Informationsgrundlage lassen sich allenfalls eingeschränkte Aussagen über das generelle Vorkommen von Seetauchern in einem Gebiet treffen. [...] Das Ergebnis wird vom Gutachterbüro mit lediglich 8 bis 30 Individuen angegeben. [...] Das Vorkommen von mehr als 200 Seetauchern am 17.02.2002 im Projektgebiet ist vielmehr ein Beleg dafür, dass das Gebiet nicht nur potenziell, sondern tatsächlich eine hohe Attraktivität für eine große Anzahl von Seetauchern und insofern die hierfür erforderlichen Habitatparameter hinsichtlich Nahrungsverfügbarkeit, Wassertiefe, Wassertrübung, Salzgehalt usw. aufweist."

Auszug aus der Stellungnahme der Nationalparkverwaltung vom 07. März 2003, Az: 04b-20304-33-3:

S. 3: "Auch der Einschätzung der Intensität und der räumlichen Auswirkung der WEA kann in den vorgelegten Studien nicht gefolgt werden. Sie basiert im wesentlichen auf Analogieschlüssen, die z.B. aus Erfahrungen mit Leuchttürmen oder Land-WEAen [Land-Windenergieanlagen] gezogen werden. Hier werden häufig Literaturinterpretationen vorgenommen, die im Widerspruch zu Fachmeinungen stehen."

S. 4: "Insbesondere die UVS zeichnet sich durch eine enorme Informationsfülle einschließlich einer umfangreichen Literaturecherche aus. Diese Informationen sind allerdings nicht besonders straff und gradlinig aufbereitet, so dass Schlußfolgerungen häufig nicht wirklich nachvollzogen werden können und in Einzelfällen sogar widersprüchlich erscheinen. Es entsteht mitunter der Eindruck, dass die Datenfülle genutzt wird, um ein tatsächliches Durchdringen der angebotenen Informationen zu erschweren.

S. 6: "Auch die Heringsmöwe, die u.a. auf Mellum in großen Zahlen brütet, gehört für das EU-Vogelschutzgebiet V 01 [Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer] zu den wertbestimmenden Arten, für die mit der Errichtung des Windparks ein Teil ihres Nahrungshabitats zur Brutzeit verloren gehen kann. [...] Der direkt angrenzende Bereich des NLPes [Nationalparks], ist für mausernde Eiderenten international bedeutsam. Die Eiderente gehört zu den Arten, für deren Schutz nach Art. 4 Abs. 2 der EU-Vogelschutzrichtlinie eine besondere Verantwortung besteht."

S.7 und 8 : "Nach hiesiger Auffassung ist, bezüglich Scheuch-, Barrierewirkung und Vogelschlagrisiko, dagegen auf jeden Fall von langfristigen Auswirkungen auszugehen [...], denn die Anlagen werden diese Wirkung mindestens 25 Jahre lang ausüben. [...] Eine zusammenfassende Betrachtung aller auftretenden Wirkungsfaktoren, die z.B. auch die in dem Windpark auftretenden Turbulenzen und Nachlaufströmungen einschließt, legt u.E. vielmehr nahe, dass der Windpark von den meisten Vögeln gemieden werden wird. Da hier eine enge ökologische Wechselbeziehung zwischen dem NLP [Nationalpark] und dem angrenzenden Küstenmeer bestehen, ist nicht auszuschließen, dass die Schutzziele des NLP zur Avifauna erheblich beeinträchtigt sein können."

Diese fachlichen Stellungnahmen machen deutlich, dass dieser Near-Shore-Windpark im Wattenmeer eindeutig nicht genehmigungsfähig ist, darüber setzt sich das Niedersächsisches Umweltministerium hinweg. Es handelt sich also in der Tat nicht nur "um einige wenige Sterntaucher", wie das Gutachterbüro betreiberfreundlich vorgibt, die Zahl musste erst passend heruntergesetzt werden. Es geht um viel mehr Arten, die der Referatsleiter Naturschutz (!) einfach unter den Schreibtisch fallen lässt. Auch das ist Manipulation. Bernd-Karl Hoffmann als ausführender Landesbeamter hält den Wind"park" in einem "faktischen Vogelschutzgebiet" nur 560 m vom Nationalpark Nieders. Wattenmeer für genehmigungsfähig, das sollte zu denken geben.

Und dieser Nationalpark mit seiner direkt angrenzenden Industriealisierung soll das UNESCO-Weltnaturerbe-Prädikat bekommen!

Über die Tricksereien der Genehmigung folgende Links:

Wir zitieren aus dem Weser Kurier, Bremen, 04. Nov. 2008:

Der Windpark Nordergründe kommt

Baugenehmigung ist erteilt / Druck auf Gutachter?

Von Maike Albrecht

OLDENBURG. Mehr als neun Jahre haben die Planungen gedauert, jetzt ist es raus: Der Offshore-Windpark Nordergründe in der Zwölf-Seemeilen-Zone, 13 Kilometer vor der Insel Wangerooge, darf gebaut werden. Das Gewerbeaufsichtsamt in Oldenburg hat am vergangenen Freitag die Baugenehmigung erteilt. Die Bremer Firma Energiekontor, die den Windpark betreiben will, freut sich über den Bescheid. Der Wattenrat, ein Zusammenschluss von Naturschützern, läuft hingegen Sturm. Durch die 18 Windräder würden rastende Vögel in dem Gebiet, vor allem der Sterntaucher, erheblich beeinträchtigt. In unmittelbarer Nähe befindet sich zudem ein Vogelschutzgebiet, ein weiteres ist nicht weit weg. Manfred Knake vom Wattenrat glaubt, dass die Umweltgutachten für die Baugenehmigung "betreiberfreundlich" erstellt wurden. Seit Jahren bemühe sich die Politik, den Windpark trotz europäischer Naturschutzrichtlinie (FFH) zu genehmigen. Eine Umweltverträglichkeitsstudie der IBL Umweltplanung aus Oldenburg - vom Betreiber Energiekontor für die Genehmigungsbehörde in Auftrag gegeben - sah keine erhebliche Beeinträchtigung der Vögel.

"Wir haben dort im Durchschnitt wenig Sterntaucher", sagt Geschäftsführer Dieter Todeskino. Allerdings hätten Forschungen am dänischen Windpark "Hoornsrev" gezeigt, dass die Vögel das Areal in einem Umkreis von zwei Kilometern meiden. Da es sich in den Nordergünden nur um einige wenige Sterntaucher handele, sei es für diese kein Problem, sich im angrenzenden Vogelschutzgebiet niederzulassen. Dieser Meinung des IBL folgte dann auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), der dem Umweltministerium unterstellt ist. Das Pikante an der Sache: Zuvor hatte die Vogelschutzwarte des NLWKN in einer ersten Einschätzung von "erheblichen Beeinträchtigungen auf die Sterntaucher-Bestände" gesprochen. Das wäre ein Grund, die Baugenehmigung abzulehnen. Ministeriumssprecherin Jutta Kremer-Heye begründet den Umschwung so: "Bei Hoornsreev hat sich rausgestellt, dass die Sterntaucher als Rastvögel keine Probleme haben, sich andere Flächen in der Nähe zu suchen." Im Gebiet der Nordergründe würden 1500 Vögel rasten und überwintern. Auf der Fläche des Windparks seien es 30. Es sei kein Problem, dass diese sich selbstständig einen neuen Rastplatz suchten.

Eine Beurteilung, die den Wattenrat fuchsig macht. Knake vom Wattenrat sagt, er wisse aus Insider-Kreisen, dass vom Ministerium Druck auf die Vogelschutzwarte ausgeübt wurde, um das Windparkprojekt nicht zu gefährden. "Unsinn", sagt Kremer-Heye. Gegenwind bekommt das Projekt auch vom Naturschutzverein BUND. Der hatte im Verlauf des Genehmigungsverfahrens Widerspruch eingereicht. Vergangene Woche, kurz vor der finalen Genehmigung, hat der Verein nun eine Klage gegen den Vorbescheid an das Verwaltungsgericht Oldenburg geschickt. Weitere Schritte nach der jetzt erteilten Baugenehmigung werde man prüfen, sagt Marita Wudtke vom BUND. Unterdessen fängt für Energiekontor die Arbeit richtig an, denn die Finanzierung des Windparks ist noch nicht gesichert. 2010 soll Nordergründe ans Netz gehen.

 
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