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Gutachterstreit um Windkraftanlagen bei Nordergründe
und Riffgat

Können ca. 180 m hohe Windkraftanlagen mit 112 m Rotordurchmesser in horizontalen Zugvogellebensräumen naturverträglich sein? Fachleute des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (NLÖ) und der Universität Kiel verneinen das.

Niedersächsische Landespolitiker, auch die Bündnisgrünen, halten trotz der Untersuchungen an dem Ausbau im Wattenmeer fest und berufen sich auf das Gutachten der Betreiberfirmen, die zu ganz anderen Aussagen kommen.

Der Abschlussbericht "Verbreitung und Häufigkeit von See- und Küstenvögeln in der niedersächsischen 12-Seemeilen-Zone der Nordsee" der Uni-Kiel vom März 2004 kann hier als pdf-Datei eingesehen werden. (Abschlussbericht, 110 Seiten, 6.5MB [Rechtsklick -> "Ziel speichern unter"])

Nichts demonstriert besser den dreisten Umgang mit europäischem Naturschutzrecht als die Äußerungen der einer regierungsamtlichen Presseprecherin zu den geplanten Wind"parks" Riffgat bei Borkum und Nordergründe bei Wangerooge am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: Man werde das mit den Windparks im Watt noch "hinkriegen".

Die bisher nicht veröffentlichte Gutachten des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie und der Universitär Kiel stellen fest, das in diesen Gebieten bestimmte geschützte Vogelarten vorkommen. Das macht das Gebiet zu einem faktischen Vogelschutzgebiet nach EU-Vogelschutzrichtlinie. Der unmittelbar angrenzende Nationalpark Nieders. Wattenmeer ist bereits EU-Vogelschutzgebiet, es ist also nicht weiter ungewöhnlich, dass die unmittelbar angrenzenden Gebiete außerhalb der willkürliche gezogenen Nationalparkgrenzen ebenfalls eine hohe Wertigkeit haben und Wind"parks" an dieser Stelle ebenfalls unzulässig sind.

Im Klartext heiß das doch: Hätte man das Gutachten schon vor Änderung des Erneuerbaren Energien Gesetzes gekannt, wären Änderungen der Förderrichtlinien im Gesetz hinsichtlich der nun wegfallenden Vergütungen für die WKA-Betreiber erfolgt. Nun denkt man in der Staatskanzlei über ein "Gegengutachten" nach, um den Bau der Wind"parks" im Watt dennoch zu ermöglichen. Nur lässt sich das vor der EU-Kommission nicht so einfach "hinkriegen", wie man sich das in Niedersachsen erhofft.

Für Niedersachsen ist damit der Nachweis erbracht, das FFH- und Vogelschutzrichtlinie bloße Makulatur sind; was nicht passt, wird passend gemacht. Das unternehmerische Risiko für Windkraftbetreiber gibt es hier nicht, das bügelt die Landesregierung aus.

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung:

Ostfriesen-Zeitung 22.07.2004 (S. 11)

Minister will Gespräch zu Windpark führen

OFFSHORE -- Projekte sollen gerettet werden

OSTFRIESLAND / LOP - Umweltminister Hans-Heinrich Sander will am kommenden Montag, 26. Juli, mit Unternehmen und Gutachtern ein klärendes Gespräch zu Offshore-Windparks in Vogelschutzgebieten führen. Wie die OZ berichtete, führt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dazu, dass für Windenergieanlagen in Schutzgebieten nicht die übliche höhere Vergütung gezahlt wird.

Niedersachsen hatte dem EEG zugestimmt, obwohl Sander ein Gutachten des Landesamtes für Ökologie (NLÖ) vorlag, nach dem praktisch die gesamte Küste als Schutzgebiet gelten würde. Vorhaben wie der Windpark Borkum-Riffgat mit 44 Anlagen würden so unwirtschaftlich werden. Die Firma Enova aus Bunderhee hat schon zweistellige Millionensummen in die Planung investiert - unter anderem in ein Gutachten zum Vogelschutz.

"Vor dem Gespräch soll noch einmal das Gutachten des NLÖ auf Plausibilität durchgelesen werden", sagte Sanders Pressesprecherin Jutta Kremer-Heye gestern auf Anfrage. Ziel des Gespräches am Montag solle sein, die Projekte Borkum-Riffgat und ein weiteres vor Wangerooge noch "hinzukriegen". Kremer-Heye weist darauf hin, dass Sander im Oktober 2003 die Regelung, dass Anlagen in Schutzgebieten die Einspeisevergütung nicht erhalten sollen, kritisiert hatte. Sie sei kontraproduktiv, die "Planer von Offshore-Anlagen brauchen Investitions- und Planungssicherheit", hieß es damals in einer Pressemitteilung.

Der Minister ist derweil wegen der Sache in die Kritik geraten: Ministerpräsident Wulff soll verärgert sein, weil er über das Gutachten nicht informiert wurde, SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel wirft ihm vor, er wisse über seine Themen nicht Bescheid und nehme nicht an Abteilungsleitersitzungen teil.

Ostfriesen-Zeitung 17.07.2004 (S. 13)

Sterntaucher gefährdet Windpark

OFFSHORE -- Genehmigung für Projekt Borkum-Riffgat durch neue Studie unsicher

Wissenschaftler haben Vögel entdeckt, die in vorangegangenen Untersuchungen nicht vorkamen. Die Firma Enova hat schon Millionen für die Planungen bezahlt.

VON HEINER SCHRÖDER

OSTFRIESLAND / HANNOVER - Der Sterntaucher ist 50 bis 60 Zentimeter groß, hat einen aufwärts gebogenen Schnabel, ernährt sich von Fischen und verhindert womöglich den Windpark Riffgat in Sichtweite der Insel Borkum. Die fast sichere Genehmigung wankt nach der Vorlage eines neuen Gutachtens von Wissenschaftlern der Uni Kiel.

44 Windenergieanlagen will die Planungsfirma Enova (Bunderhee) zusammen mit der Oldenburger EWE AG und dem Auricher Windenergie-Unternehmen Enercon vor Borkum aufstellen. Enova hat schon einen zweistelligen Millionenbetrag für die Vorarbeiten ausgegeben. Darunter waren unter anderem zweijährige Untersuchungen der Vogelwelt, erstellt von Hamburger Wissenschaftlern, erarbeitet nach dem Untersuchungskonzept des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie. Der Befund: Das Gebiet muss nicht unter einen besonderen Schutz gestellt werden. Erst aufgrund dieses Befunds plante Enova weiter.

Das alles steht jetzt auf dem Spiel. Denn die Wissenschaftler der Universität Kiel, die vom Landesamt für Ökologie im Jahr 2001 unter der SPD-Regierung mit der Arbeit beauftragt worden sind, fanden Sterntaucher und Sturmmöwen. Diese Arten sind selten und fallen unter die EU-Vogelschutzrichtlinie.

Nach dieser Studie wird der Windpark mit seinen 44 weit über 100 Meter hohen Windmühlen also in ein EU-Vogelschutzgebiet gestellt. Das ist prinzipiell möglich. Aber nach dem jüngst verabschiedeten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fällt dann die höhere Vergütung für Windstrom weg. Statt bis zu neun Cent pro Kilowattstunde bekäme Enova einen Preis, der mit den Stromerzeugern verhandelt werden müsste. Und mit Sicherheit deutlich niedriger liegt. Was wiederum das ganze Projekt gefährdet.

Am Mittwoch hatte Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) öffentlich angezweifelt, dass die Projekte Riffgat und Nordergründe (bei Wangerooge) noch wirtschaftlich sind. Gestern klang das nicht mehr ganz so hart: "Erst einmal werde ein unabhängiger Prüfer die vorliegenden Vogel-Untersuchungen vergleichen. Schon Ende dieses Monats soll ein abschließendes Urteil vorliegen.

Zur Not müsse man im Bundesrat eine Initiative starten, um das EEG noch einmal zu ändern. "Wir müssen jetzt kucken, wie wir aus dem Dilemma herauskommen", sagte gestern Ministeriumssprecherin Jutta Kremer-Heye.

SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel sprach gestern von einem "Skandal". Enova-Geschäftsführer Helmuth Brummer gab sich trotz der kritischen Situation optimistisch. Das Enova-Gutachten sei ausführlicher, "ich fühle mich sicher". Außerdem setzt er auf Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der im Unterschied zu Sander als Befürworter der Windenergie gilt.

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