Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 289 (August 2008)

Katamaran "Polarstern" bei starkem Seegang vor Langeoog havariert

Viele Verletzte - Widersprüchliche Aussagen von Reederei und Passagieren

Über die Katamarane (Schnellfähren) sickern ab und zu Zwischenfälle in die Öffentlichkeit durch, dieser Zwischenfall ist wohl bisher der schwerste. Dieser Schiffstyp ist wegen seiner Bauweise nur begrenzt hochseetüchtig und kann nur bis zu bestimmten Windstärken und Wellenhöhen sicher betrieben werden. Für Sportbootfahrer sind Schnellfähren wegen des starken Schwells beim Vorbeifahren ein Graus.

Polarstern

Katamaran "Polarstern" der Reederei AG Ems: 10.000 PS, 70 Kilometer schnell, Foto: Wattenrat

Bei der Havarie nördlich von Langeoog wurden 26 Passagiere verletzt, drei von ihnen schwer. Das Schiff schlug im hohen Seegang hart auf, eine Bugreling an Steuerbord riss ab und zertrümmerte eine Panoramascheibe, Deckenverkleidungen lösten sich aus der Verankerung, im Bugbereich riss zudem der Rumpf des Schiffes. Gegen den 27-jährigen Kapitän wird ermittelt. Am 08. August erschiene eine weitere mögliche Unfallversion in der Presse: Im Wasser treibende Gegenstände könnten den Unfall verursacht haben. Nun darf man stutzig werden. Die Angaben über die Wellenhöhen, die den Einsatz des Katamarans begrenzen, sind völlig widersprüchlich. Wie schnell ist das Schiff bei den Wellenhöhen denn gefahren, dass ein schwimmender Gegenstand ggf. übersehen wurde? Einen Datenschreiber soll das Schiff nicht haben. Und warum hat denn ein angenommener schwimmender Gegenstand einen Teil der Bugreling weit über der Wasserlinie abgerissen? Die Bugreling (siehe Foto) liegt ca. vier Meter über der Wasserlinie! Zeugen haben öffentlich geäußert, dass bereits Wasser durch die Deckenverkleidung in den Innenraum tropfte, weil der Katamaran mit dem Vorschiff schon tief in die hohen Wellen eingetaucht war. Hier wird zur Zeit mehr vernebelt als Klarheit geschaffen. Ein Tourismus-Business ohne Negativschlagzeilen ist eben alles an der Küste!

Der früher viel beworbene rote Katamaran "Cat No.1" wurde bereits 2006 aus wirtschaftlichen Gründen nach Estland verkauft. Die hohen Betriebskosten konnten nicht über den Fahrpreis gedeckt werden. Über die tägliche Gefährdung von Meeressäugern durch die mit 10.000 PS bis zu 70 Stundenkilometer über See rasenden Schnellfähren erfährt man aus den Medien nichts.

Links:

Wir zitieren aus den Zeitungen,
Ostfriesen Zeitung, 05. Aug. 2008:

Borkum: Katamaran verunglückt

SCHIFFFAHRT Schwere See: Frontscheibe ging zu Bruch / 24 Passagiere verletzt

Eine große Welle hatte die Reling abgerissen. Zwei Fahrgäste wurden mit dem Hubschrauber nach Emden geflogen. VON MARION LUPPEN UND HEIKO MÜLLER

BORKUM - Der Katamaran "Polarstern" der Reederei AG Ems (Emden) ist gestern Abend auf dem Weg von Helgoland nach Borkum in schwere See geraten und beschädigt worden. Die rechte Frontscheibe der Schnellfähre ging zu Bruch, nachdem eine große Welle auf das Deck gestürzt war und die Reling abgerissen hatte. Einige Passagiere wurden durch umherfliegende Glassplitter verletzt. Nach Angaben von Reederei- Vorstand Dr. Bernhard Brons waren 24 der 359 Passagiere betroffen. Ein Teil erlitt demnach Schnittverletzungen, ein Teil war seekrank. Das Unglück hatte sich nach Angaben Brons’ gegen 18.20 Uhr etwa 30 Kilometer nördlich von Langeoog und Norderney ereignet. Gegen 21.10 Uhr erreichte der Katamaran Borkum. Nach OZ-Informationen wurde dort Sirenenalarm gegeben. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte erwarteten die "Polarstern" und versorgten die Fahrgäste. Auch der Seenot- Kreuzer "Alfried Krupp" war im Einsatz. Bis auf zwei Passagiere hätten jedoch alle selbstständig von Bord gehen können, sagte Brons. "Wir haben so weit alles im Griff", sagte gegen 22 Uhr Einsatzleiter Karl-Heinz Beismann der OZ. Zwei Verletzte wurden mit dem Hubschrauber nach Emden geflogen. Diejenigen Passagiere, die nicht auf Borkum wohnen, wurden noch am Abend mit der "Nordlicht" nach Emden gebracht.

Ostfriesischer Kurier, 07. August 2008:

Fähre legt bei zu hohen Wellen ab

Katamaran-Unfall Staatsanwaltschaft Aurich ermittelt gegen den 27 Jahre alten Kapitän der "Polarstern"

Hager Urlauber fühlten sich zum Unglückszeitpunkt von der Crew alleingelassen.

Emden/dpa - Nach dem Katamaran- Unfall auf der Nordsee (wir berichteten) sind auch am Mittwoch Fragen zur Ursache noch offen geblieben. Fest steht, dass die verunglückte Fähre "Polarstern" die Insel Helgoland am Montagnachmittag bei einem zu hohen Wellengang verlassen hat und die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) erst am Dienstagmorgen über den Unfall informiert wurde. [...]

Gegen den 27 Jahre alten Kapitän wird wegen fahrlässiger KörperverletzungundGefährdung des Schiffsverkehrs ermittelt. An Bord der Fähre waren 357 Passagiere. Bis zur Klärung der Unglücksursache darf der Hochgeschwindigkeits-Katamaran nicht auslaufen. Wie das Hamburger Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mitteilte, waren die höherenWellen zum Zeitpunkt des Auslaufens der "Polarstern" im Schnitt 2,69 Meter hoch. Die "Polarstern"- Reederei AG Ems hat sich eigenen Angaben zufolge für das Auslaufen eine absolute Höchstgrenze von 2,50 Metern gesetzt."Wir müssen noch klären, ob der Kapitän diese Werte kannte", hieß es bei der Reederei. "Die Polizei hat uns erst Dienstagmorgen informiert", sagte der Vize-Leiter der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU), Jürgen Albers, in Hamburg. Die Ermittler verlieren dadurch aber keine Informationen.

Vor dem Ablegen erkundigt sich die Crew nach Angaben des BSH-Experten Ralf Berger normalerweise beim Helgoländer Hafenmeister nach den jüngsten Werten der Messbojen. Das gelte besonders, wenn die Wetterlage kritisch sei. Die Hafenmeisterei auf Helgoland wollte sich am Mittwoch nicht dazu äußern. Petra Diemar,die an Bordvon Glasscherben verletzt wurde, kritisierte gestern gegenüber dem KURIER das Verhalten der Besatzung.

Ostfriesischer Kurier, Norden, 07. August 2008:

"Mich kriegt keiner mehr auf ein Schiff"

Unglück Hager Urlauber werfen Reederei vor, die Vorgänge an Bord des Katamarans zu verharmlosen

Ihren Ausflug nach Helgoland haben sich Petra Diemar und Sohn Kai-Uwe etwas anders vorgestellt.

Hage/FR- Petra Diemar kämpft auch drei Tage nach dem Katamaran-Unglück immer noch mit der Fassung. "Der Kapitän und die Crew waren offenbar völlig überfordert", wirft sie der Reederei AG Ems vor, das Unglück in der Öffentlichkeit zu verharmlosen. Sie fühlte sich am Montagnachmittag, als die schwere See ein Stück der Reling des Katamarans "Polarstern" durch die Frontscheibe schleuderte, von der Besatzung allein gelassen. Die Urlauberin saß mit ihrem fast zehnjährigen Sohn Kai-Uwe in der dritten Sitzreihe des Katamarans, als die Frontscheibe unter großem Getöse zerberstete und sich Mengen an Wasser in den Fahrgastraum ergossen. Auf Petra Diemars Knien lagen Glasscherben, ihre Arme bluteten. "Überall schrien Menschen, alle wollten in den hinteren Teil des Fahrgastraumes, um sich in Sicherheit zu bringen", schüttelt Petra Diemar nur den Kopf über die Aussage eines Reedereivertreters, es habe keine Panik gegeben.

Auch sie bahnte sich mit ihrem Sohn, der wie sie völlig durchnässt war, den Weg durch die zum Teil auf dem Boden liegenden Passagiere. "Zwischen den Sitzbänken lag ein Mann, der offenbar unter Schock dort liegen bleiben wollte; hinter mir weinten drei Mädchen. Jeder wollte schließlich nur noch weg und viele mussten streckenweise nach hinten kriechen", zeigt sich die Urlauberin schockiert darüber, dass zu dieser Zeit kein Crewmitglied im Passagierraum gewesen sei, um die völlig verängstigten Fahrgäste zu beruhigen und das Kommando zu übernehmen. "Jeder der Fahrgäste war auf sich allein gestellt", vermisste Diemar auch Lautsprecherdurchsagen des Kapitäns.

"Alle hatten panische Angst. Wir wussten doch gar nicht, was noch auf uns zukommt." Die medizinische Erstversorgung hätten drei Ärzte, die sich unter den Passagieren befanden, übernommen. Mangels Verbandszeug mussten Petra Diemars blutende Schnittwunden von einem Fahrgast mit einem Geschirrhandtuch aus der Cafeteria verbunden werden. Erst nach Rückkehr des Katamarans nach Borkum seien die Wunden ordnungsgemäß versorgt worden. "Ich werde wohl einige Narben behalten."

Ausflug anders vorgestellt

Den Montag werden Petra Diemar und Sohn Kai-Uwe wohl nicht so schnell vergessen. Den Ausflug nach Helgoland hatten sie sich schließlich etwas anders vorgestellt, als sie im Norderneyer Hafen den Katamaran bestiegen. "Die Hinfahrt fand ich trotz des Wellengangs noch erträglich.

Aber bereits auf Helgoland nahm der Wind zu und ich habe in einigen Geschäften von Einheimischen gehört, dass sie sich wundern würden, dass der Katamaran noch auslaufen wolle", so die Urlauberin. Auf der Rückfahrt sollten sich kurz nach dem Verlassen von Helgoland die Zweifel der Einheimischen offenbar bewahrheiten: "Ich hatte das Gefühl, dass wir fliegen oder in einem U-Boot sitzen. Das Schiff tanzte auf den Wellen und tauchte immer wieder ins Meer ein", sitzt beim fast zehnjährigen Kai-Uwe der Schock auch gestern immer noch tief.

Nach den Beobachtungen seiner Mutter tropfte bereits vor dem Zerbersten der Frontscheibe Seewasser aus den Deckenplatten. Die Crew habe daraufhin einige Deckenplatten gelöst und nachgeschaut.

Nur ein kleiner Trost

Zu diesem Zeitpunkt hat sich nach den Beobachtungen von Petra Diemar die Reling mit einem heftigen Schlag gelöst. "Aber erst 15 bis 20 Minuten später hat sie die Scheibe durchschlagen", ist sich Diemar sicher. "Die Crew hätte das irgendwie mitbekommen müssen. Aber das wird ja sicher alles überprüft", lobt sie zugleich die vorbildliche Versorgung der Passagiere nach der Ankunft auf Borkum. Von dort aus sind sie mit einem anderen Katamaran nach Emden gefahren. "Ich musste meinem Sohn gut zureden. Nach diesem Horrortrip wollte er nie mehr mit einem Schiff fahren."

Heute wollte die Familie Diemar, die bis Sonnabend noch ihren Urlaub in Hage verbringt, eigentlich nach Juist fahren. "Das haben wir am Dienstag ganz schnell zu den Akten gelegt", blickt die Urlauberin auf ihr durch das Seewasser zerstörtes Handy und die salzverkrusteten Schuhe. Da ist es für sie insgesamt nur ein kleiner Trost, dass sich gestern eine freundliche Dame der AG Ems telefonisch nach ihrem Befinden erkundigte. Und? "Was soll man nach solch einem Albtraum schon sagen", wollen Petra Diemar und der kleine Kai-Uwe den Wellenritt in der Nordsee so schnell wie möglich vergessen.

Ostfriesen Zeitung, 07. August 2008:

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kapitän

SCHIFFFAHRT Schwerverletzter Passagier außer Lebensgefahr / Es sind keine Beweise verloren gegangen

Die übrigen Opfer konnten die Krankenhäuser wieder verlassen. Ein Gast erstattete Anzeige.
VON HEIKO MÜLLER

BORKUM/EMDEN - Nach dem Unglück auf dem Katamaran "Polarstern" der Emder Reederei AG Ems ermittelt die Staatsanwaltschaft Aurich jetzt gegen den 27 Jahre alten Kapitän des Schiffes wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und des gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr. "Wir stehen noch ganz am Anfang", sagte gestern der Leitende Oberstaatsanwalt Werner Kramer der OZ auf Anfrage. Bis gestern lag der Behörde die Anzeige eines Fahrgastes vor.

Wie berichtet, waren bei dem Unfall am Montagabend bei schwerem Seegang rund 30 Kilometer vor den ostfriesischen Inseln 26 der insgesamt 357 Fahrgäste zum Teil schwer verletzt worden. Hohe Wellen hatten einen Teil der verschweißten Bugreling auf dem Vorschiff losgerissen und in eine Scheibe des Panoramafensters katapultiert. Fünf Verletzte sind gestern aus den Krankenhäusern in Emden und Borkum entlassen worden. Nur der 22 Jahre alte Passagier aus Winsen, der in eine Spezialklinik in Sanderbusch verlegt worden war, wird noch stationär behandelt. "Er ist außer Lebensgefahr", sagte der Leiter der von der Emder Wasserschutzpolizei eingesetzten Sonderkommission, Edehard Karsjens. Der Mann werde voraussichtlich heute das Krankenhaus verlassen können. Nach Angaben von Karsjens haben die Wasserschutzpolizei und Experten der Bundesstelle für Seeunfallunter suchung (BSU) die Untersuchungen an Bord abgeschlossen. Es gebe keine Notwendigkeit, das Schiff zu beschlagnahmen. Ergebnisse gibt es aber noch nicht. "Wir müssen erst einmal alles zusammentragen und Stück für Stück abarbeiten", so der Chef der Ermittlungsgruppe.

Medienberichte, wonach es Verzögerungen bei der Suche nach der Ursache des Unglücks gab, bestätigte er nicht. Der stellvertretende BSU-Lei ter Jürgen Albers hatte bemängelt, dass die Untersuchungsbehörde erst am Dienstag um 8 Uhr informiert worden sei. Das sei "ungewöhnlich", sagte Albers am Dienstag der OZ. Er hatte zunächst befürchtet, dass der Schiffsdatenschreiber nach zwölf Stunden bereits gelöscht ist. Die "Polarstern" hat ein solches System aber nicht. "Es sind keine Beweise verloren gegangen", sagte Karsjens. Nach seinen Angaben Seeunfallunterhat die Wasserschutzpolizei die Bundesstelle schon in der Nacht zum Dienstag um 1.45 Uhr per Fax über den Unfall informiert. Laut Karsjens gibt es am Vorschiff noch größere Schäden als nur die herabgerissene Bugreling und die zerborstene Scheibe. Die Reederei AG Ems geht davon aus, dass bald mit der Reparatur des Schiffes begonnen werden kann. Wie lange sie dauern werde, sei noch unklar.

Ostfriesen Zeitung, 07. August 2008:

Viele Spekulationen um die Höhe der Wellen

UNGLÜCK Möglicherweise verließ das Schiff Helgoland bei zu schwerem Seegang

BORKUM/EMDEN - Der verunglückte Katamaran "Polarstern" hat die Insel Helgoland am Montag möglicherweise bei einem zu hohen Wellengang verlassen. Darüber wird seit gestern viel spekuliert. Nach Reedereiangaben sind 2,50 Meter hohe Wellen die Höchstgrenze, bei der das Schiff noch auslaufen darf. Der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) liegen noch keine verlässlichen Werte vor, sagte deren Mitarbeitern Katrin Ewert der OZ.

Die Behörde habe die Daten beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) angefordert. Beide Behörden wiesen nach Angaben der Nachrichtenagentur Deutscher Depeschendienst (ddp) Medienberichte zurück, wonach die Wellen beim vorzeitigen Auslaufen des Schiffes um 16.35 Uhr im Schnitt 3,20 Meter hoch waren. Laut ddp liegen dem BSH Messwerte von 2,69 Meter um 16.34 Uhr bei Helgoland und von 2,22 Meter um 17.36 Uhr bei Borkum vor. Es seien aber "noch unkorrigierrte Daten", sagte die BSHSprecherin der Agentur. Diese Messwerte weichen von denen ab, die Eva-Maria Pelz aus der Pressestelle der BSH der OZ mitteilte. Demnach war die Höhe bei Helgoland zum Zeitpunkt des Aus- laufens nur knapp über zwei Meter. Welche Angaben zutreffen, ist nicht klar. Sollte der Wert von 2,69 Metern stimmen, hätte das Schiff nicht in See stechen dürfen. Die Reederei AG Ems hat nach Angaben ihrer Sprecherin Corina Habben "keine neuen Erkenntnisse". Das Unternehmen geht davon aus, dass der 27 Jahre alte Kapitän aufgrund der Wetterananalye richtig entschieden hat.

Ostfriesen Zeitung, 08. Aug.2008:

Emden/Borkum

Katamaran-Unfall: Ursache ist noch weiter unklar

Von Heiko Müller

Auch im Wasser treibende Gegenstände könnten den Schaden an der "Polarstern" verursacht haben. Behörden und Wetterdienst äußerten sich jetzt noch einmal gegenüber der OZ zur Höhe der Wellen.

Borkum/Emden - Bei den Untersuchungen des Katamaran-Unfalls vor den ostfriesischen Inseln gibt es noch keine konkreten Ergebnisse. Unklar ist, ob die "Polarstern" der Emder Reederei AG Ems trotz hoher Wellen in Helgoland hätte auslaufen dürfen. Bei dem Unglück auf dem Hochgeschwindigkeits-Katamaran wurden am Montag auf der Rückfahrt von Helgoland nach Emden bei schwerer See Teile der Bugreling losgerissen und in ein Fenster katapultiert. 26 der 357 Fahrgäste wurden verletzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 27 Jahre alten Kapitän. Der Schiffsführer wurde von einem Fahrgast wegen Körperverletzung angezeigt.

Laut Reederei sind 2,50 Meter hohe Wellen die Höchstgrenze, bei der das Schiff noch auslaufen darf. Eine automatische Messstation des Hamburger Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) registrierte am Unglückstag um 16.34 Uhr, also eine Minute vor dem Ablegen des Katamarans, etwa zwei Kilometer südwestlich von Helgoland eine Wellenhöhe von 2,69 Meter. Eine andere Station maß um 17.36 Uhr ­ etwa 30 Minuten vor dem Unglück ­ 45 Kilometer nördlich von Borkum 2,22 Meter hohe Wogen.

Messungen der Wellenhöhe an der Unfallstelle gibt es nicht.

"Diese Werte können für eine halbe Stunde angesetzt werden", sagte BSH-Pressesprecherin Gudrun Wiebe der OZ. Sie seien aber "unkorrigiert" und müssen noch überprüft werden, weil bei der Übertragung per Satellit Fehler auftreten könnten. Messungen der Wellenhöhe an der Unfallstelle rund 30 Kilometer nördlich von Juist gebe es nicht.

Der Seewetterbericht, den des Deutsche Wetterdienstes (DWD) um 10 Uhr veröffentlichte und der für den Nachmittag galt, sagte nach Angaben von Günter Delfs, Sprecher des DWD in Hamburg, Windstärken von 6 bis 7, in Schauerböen bis 9 sowie eine Wellenhöhe von zwei Metern voraus. Delfs wertete die Differenz zu der Messung bei Helgoland als "nicht so fürchterlich groß". Einzelne Wellen könnten aber die doppelte Höhe erreicht haben. Nach Angaben des Sprechers geriet der Katamaran in eine Gewitterstaffel.

Sonntagsblatt der Emder Zeitung, 10. August 2008:

"Die Menschen hatten Todesangst"

Manfred Tamminga aus Norden war an Bord der "Polarstern". Er schilderte der Emder Zeitung/Sonntagsblatt, was er erlebte.

Emden."Schon auf der Hinfahrt gab es einige, die sich übergeben haben." Manfred Tamminga schwante am Montag zu Beginn der Helgoland- fahrt mit der "Polarstern" nichts Gutes. Der 36-Jährige aus Norden war vormittags mit einer Frisia-Fähre nach Norderney gefahren und dort zusammen mit Ehefrau, Sohn und Nichte auf den Katamaran der AG Ems umgestiegen.

"Das war schon nicht ohne auf der Hinfahrt", erzählt Tamminga. Den Fahrgästen sei bereits vor der Abfahrt mitgeteilt worden, dass man später noch etwas rauere See erwarte. Trotzdem blieben alle an Bord. Auf Helgoland stand er später an der "Langen Anna": "Da war ein unheimlich starker Wind. Ich wusste: die Rückfahrt wird heftig. Wir sollten besser ein Zimmer nehmen und hierbleiben, habe ich noch zu meiner Frau gesagt." Die Familie nahm sich kein Zimmer.

Und als sie gerade um Helgoland herum waren, begann der "Ritt". Tamminga: "Das Schiff ist immer wieder in die Wellen eingetaucht, zwischendurch über die Wellen gesprungen. Beim Aufschlagen aufs Wasser gab es heftige Schläge." Deshalb hätten später mehrere Leute über Rückenschmerzen geklagt. "Da war auf einmal nur noch Gekreische, die Menschen waren in Panik, die hatten Todesangst." Spucktüten waren schnell Mangelware. "Einige übergaben sich einfach in den Gängen." Die Passagiere hätten sich unter den Armlehnen ihrer Sessel eingehakt, um nicht vom Platz geschleudert zu werden. Sein 14-jähriger Sohn habe davon einen blauen Arm.

Schon früh sei eine erste Verkleidung von der Wand abgefallen, danach lösten sich Deckenplatten und fielen auf die vorderen Sitzreihen. "Ich hab' gedacht: das macht das Schiff nicht lange mit". Dann: ein harter Schlag von vorn und von der Seite. Ein Teil der Reling durchschlug ein Frontfenster. Ein "Riesenwasserstrahl" ergoss sich in den vorderen Bereich des Hauptdecks, die Glassplitter flogen weit in den Fahrgastraum hinein. "Ruhe bewahren, keine Panik", habe ein Passagier gerufen. Tamminga beobachtete, wie nach und nach auch Wasser durch die Decke tropfte. Im Bereich der Frontfenster zeigten sich Spannungsrisse. "Kinder und Erwachsene schrien, man sah blutende Menschen." Die Crew war nach seinem Eindruck anfangs mit der Situation überfordert. "Jeder musste sich erst mal um sich selbst kümmern."

Vor Borkum schließlich die Durchsage des Kapitäns: alles ist organisiert. Tamminga: "Da kreisten Hubschrauber über uns und der Rettungsdienst stand am Ufer." Der Schock, sagt Tamminga, saß bei allen tief. Die Norder Familie fuhr mit 240 anderen Menschen auf dem Katamaran "Nordlicht" nach Emden. Erst wollten sie nicht, vor allem die Kinder. Man versicherte ihnen: Es wird eine ruhige Fahrt. Spucktüten waren auf der "Nordlicht" rasch vergriffen. "Alle wollten sich wohl absichern", sagt Tamminga. axl

Emder Zeitung, 09. August 2008, Leserbrief von Reinhard Janssen, Krummhörn:

Alles unter Kontrolle

Zum Unfall des Katamarans "Polarstern"

Wir sind am Montag, den 4. August, mit dem Katamaran von Emden über Borkum und über Norderney bis nach Helgoland mitgefahren. Als wir dann von Norderney losfahren wollten, hat der Kapitän darauf hingewiesen, dass die Rückfahrt turbulent werden könnte, und wer lieber, wegen den Turbulenzen auf Norderney bleiben wollte, hätte jetzt die Gelegenheit von Bord zu gehen. Dann riefen viele, ablegen und endlich loszufahren. Jetzt kann ich nicht verstehen, dass der Kapitän verurteilt wird, weil die Passagiere sich nicht selber einschätzen konnten. Anstatt jetzt die AG Ems, zu verklagen, sollte man lieber darüber nachdenken, was die AG Ems alles organisiert hat.

Die gesamte Besatzung der "Polarstern" hatte alles voll unter Kontrolle, es kam keine Panik auf. Nachdem das Schiff in Borkum eingelaufen war, standen Feuerwehr, Polizei, Rettungshubschrauber. Notärzte, Sanitäter und das Schiff für die Passagiere von Norderney und Norddeich bereit. Die Organisation konnte nicht besser sein. Die Passagiere die nach Emden mussten, sind mit den Flugzeugen nach Emden geflogen worden, wo Busse bereit standen, um die Passagiere zu den Borkum-Garagen zu bringen. Ich kann der AG Ems, und der Besatzung nochmals keine vorwürfe machen, alles andere ist an den Haaren herbeigezogen.

Die Schwerverletzten und leicht Verletzten sind gleich nach dem Unglück behandelt worden von den Ärzten und Krankenschwestern, die an Bord waren, und von der Besatzung versorgt worden. Die Scheibe wurde so schnell wie es ging abgedichtet. Ich werde auch weiterhin mit den Schiffen der AG Ems fahren.

 
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