Wattenrat

Ost-Friesland

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Das Schnellfährengeschäft boomt

Peter Flatow mit einem Brief an Jochen Flasbarth im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Die sog. Schnellfähren, Jet-getriebene Katamarane, die mit sehr hoher Geschwindigkeit verschiedene Inseln anfahren können, sind im Nordseebereich für viele Tiere unberechenbar, weil zu schnell. Peter Flatow, der schon einmal einen Artikel auf der Wattenratseite veröffentlicht hat, meldet sich wieder mit diesem Thema zu Wort. Dieser Brief ist auch als pdf-Dokument erhältlich (87 KB).

Schnellfähre beim Einlaufen

Foto: Wattenrat, CatNo.1 im Juli 2004 vor Langeoog

Herrn Jochen Flasbarth
Leiter Abteilung Naturschutz
im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

10117 Berlin

Meeresschutz ohne Berücksichtigung der Schnellfährenproblematik

Sehr geehrter Herr Flasbarth,

am 2004-12-01 eröffneten Sie in Stralsund die Tagung Meeresschutz 2004 in Ausrichtung Schwerpunkthema "Schutz der Natur in Nord- und Ostsee" im Bundesumweltministerium für das Jahr 2005. In Ihrem Vortrag wurde deutlich, wie komplex das marine Ökosystem in Ihrem Ministerium gesehen wird und wie hoch Sie die Schutzwürdigkeit einstufen.

Schadstoffbelastungen, Überfischung, Fangmethoden etc. sind in der Tat gravierende Eingriffe mit negativen Auswirkungen auf die Natur des Meeres. Ihr angestrebtes Ziel, sich für eine intakte Meeresflora und -fauna einzusetzen, ist daher sehr zu begrüßen. Naturschutzverbände und Umweltschutzorganisationen unterstützen derartige Initiativen bereits seit Jahren mit großem Engagement.

Die Bundesrepublik Deutschland scheint Dank Ihrer Entschlossenheit in vielen naturschutz-relevanten Projekten nicht nur beteiligt, sondern auch federführend zu sein. Beeindruckende Initiativen und vielversprechende Planungsvorhaben wurden von Ihnen in der Tagung "Meeresschutzinitiativen" vorgestellt. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die getroffenen Vereinbarungen eingehalten und in die Praxis umgesetzt werden.

Die größte Problematik der Umsetzung ist bekanntlich dann gegeben, wenn wirtschaftliche Interessen Dritter berührt werden, wie z.B. Reedereien oder die Tourismusbranche. Gut gemeinte Naturschutzinitiativen verharren dann nicht selten im Status einer Absichtserklärung.

Ich möchte daher auf Ihren fundierten Vortrag eingehen, in dem Sie ein bekanntes Thema unberücksichtigt ließen. Wie in Ihrer Rede vorgetragen, wurde der Öffentlichkeit der Schutz der Meere nicht nur durch die von Ihnen publizierten "Katastrophen" bewusst gemacht. Negative Schlagzeilen in der Presse, sowie Dokumentationen verursacht durch Schnellfähren und Hochgeschwindigkeitskatamarane in Nord- und Ostsee, insbesondere dem weltweit einmaligen Wattenmeer beunruhigen Naturfreunde und Touristen gleichermaßen.

In diesem Zusammenhang sollten Sie sich an Ihre Präsidentschaft im Naturschutzbund NABU erinnern. Da wurden Sie bereits vor Jahren über die Schnellfährenproblematik informiert, haben die Kenntnisnahme bestätigt und den Vorgang mit folgendem Ergebnis an das NABU Regionalbüro Ostfriesland weitergeleitet:

Wir sehen den Einsatz dieser Katamaran-Boote im Wattenmeer ebenfalls als sehr bedenklich an. Wir haben daher beschlossen, auf dem kommenden Wattenmeer-verbandstreffen in der nächsten Woche dieses Thema zu besprechen und entsprechende Untersuchungsanforderungen zu definieren, da das BMU nicht einmal in der Lage ist, die Umweltauswirkungen dieser Schiffe zu benennen. , Wiegboldsbur, den 09.06.99

Man setzte große Hoffnungen in Sie, dass Sie in der Abteilungsleiterposition des Referates Naturschutz im Bundesumweltministerium (BMU) die Ihnen bekannte Thematik nun auch politisch vertreten. Bedauerlicherweise haben sich die Erwartungen durch Ihr Statement in Stralsund nicht erfüllt. Im Interesse eines effektiven Meeresschutzes sollten Sie sich dennoch wie nachfolgend ausgeführt auch für die Schnellfährenproblematik verantwortlich fühlen.

Das "bewegte Körper" keiner UVP-Pflicht unterliegen, ist zwischenzeitlich hinreichend bekannt. Die Argumentation darf allerdings nicht dazu Verwendung finden sich der gesetzlichen Verpflichtung die deutschen Hoheitsgewässer vor Beeinträchtigung zu schützen zu entziehen. Das Meeresschutz auch ohne UVP umgesetzt werden kann, zeigt z.B. die 1992 in Kraft getretene Befahrensregelung NPNordSBefV zum Schutz der Wattenmeer-Nationalparke. Selbst die viel zitierte NIVA-Studie hatte keinen Einfluss darauf, den Betreibern dieser rasanten Fahrzeuge weiterhin eine freie Fahrt ohne Geschwindigkeitsbeschränkung zu gewährleisten.

Schnellfähre in voller Fahrt Naturschutzverbände und Umweltschutzorganisationen beobachten mit dem Einsatz der Schnellfähren und Hochgeschwindigkeitskatamarane bereits seit Jahren negative Auswirkungen auf die belebte Umwelt. Aber die Situation hat sich insbesondere für die Meeressäuger dramatisch zugespitzt. Durch technische Weiterentwicklungen auf dem Schnellfähren-Sektor, u.a. bedingt durch höhere Triebwerksleistungen, Geschwindigkeiten und Fahrzeugabmessungen hat sich folglich die Auswirkung auf die Meeresflora und -fauna gravierend verändert. Der weltweite Einsatz dieser schnellen Fahrzeuge darf nicht über die weltweite Kritik der Meeresbiologen hinwegtäuschen. Wie Sie bereits richtig feststellten, haben wir in der Bundesrepublik Deutschland ein ganz besonderes Gebiet zu schützen. Zitate von Naturschutzverbänden, Bundes- und Landesbehörden und anderen dem Naturschutz verpflichteten Institutionen sollten Ihnen zum forcierten Thema "Meeresschutz" zu denken geben.

WWF Fachbereich Meere & Küsten, 26757 Bremen, 23. März 1999, AZ:DE

Auch der WWF setzt sich mit dem Thema Schnellfähren in den deutschen Küstengebieten auseinander und verfolgt die Entwicklung in diesem Bereich vor allem in Bezug auf die Nationalparks in der Wattenregion sehr kritisch. Er sieht die Gefahr des regelrechten Schnellfähren-Booms und vor allen Dingen die Häufung von Berichten über Schäden, die von überfahrenen Kleinbooten über Kollisionen mit Meeressäugern und Vögeln bis hin zu der Problematik großer Mengen von abgetötetem Plankton reicht. Der WWF setzt sich aus diesem Grund für die sorgfältige Prüfung der Umweltverträglichkeit derartiger Projekte ein und verfolgt die Entwicklung wattenmeerweit.

WWF Fachbereich Meere & Küsten, 26757 Bremen, 8. Juni 1999, AZ:HW/DE

Die Recherche über mögliche Umweltauswirkungen durch Hochgeschwindigkeits-katamarane dauert an. Es zeichnet sich ab, daß bislang wenige Informationen vorliegen bzw. kaum Untersuchungen diesbezüglich durchgeführt wurden. Aus diesem Grunde ist auch im Bundesumweltministerium geplant, Wissenslücken zu schließen und eine Studie zu Umweltauswirkungen durch Schnellfähren zu erstellen. Der WWF wurde in diesem Zusammenhang gebeten, einen Kriterienkatalog für eine solche Untersuchung zu erarbeiten. Zusammen mit anderen niedersächsischen Umweltverbänden, die sich in der AG Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zusammengeschlossen haben und sich für die Belange des Nationalparks als Markenzeichen für intakte Natur einsetzen, werden nun Kriterien erarbeiten und im nächsten Treffen der Arbeitsgemeinschaft Anfang Juli abstimmen. Des weiteren stehen wir natürlich mit dem niedersächsischen Umweltministerium in Kontakt und führen zu dieser Problematik Gespräche. Ich habe vor einiger Zeit selbst diese Problematik gegenüber der dortigen Naturschutzabteilung und Herrn Minister Jüttner angesprochen.

In Anbetracht der bedrohlichen Entwicklung war Ihr Ministerium nicht in der Lage versetzt naturschutzrelevante Fragen zu beantworten und beauftragte die AG Niedersächsisches Wattenmeer einen "Fragen- und Kriterienkatalog zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren" zu erarbeiten um ihre Wissenslücken zu schließen. Die umfangreiche Ausarbeitung wurde am 1999-07-22 der Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Gila Altmann (MdB) im BMU zur weiteren Veranlassung zur Verfügung gestellt und Ihnen gegenwärtig ebenfalls zur Kenntnis gegeben.

Gila Altmann, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 53048 Bonn, 29.10.1999

Nachdem mir der Fragen- und Kriterienkatalog zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren, den der WWF - Fachbereich Meere und Küsten zusammengetragen hat, zur Verfügung steht, habe ich diese umfangreiche Arbeit mit dem Fachreferat im BMU diskutiert. Im Ergebnis wurde vereinbart, den Fragen- und Kriterienkatalog fachlich zu analysieren und nach thematischen Schwerpunkten aufzuarbeiten. Da inzwischen die Fragen zur UVP-Pflichtigkeit von Katamaranen mit Wasserstrahlantrieb und auch mögliche Auswirkungen auf die Befahrensverordnung des Wattenmeeres hinlänglich geklärt sind, wurde das Bundesamt für Naturschutz damit beauftragt, die aus Naturschutzsicht relevanten Aspekte des schnellen Schiffsverkehrs im Rahmen einer Studie zu prüfen. Dabei soll auch der weitere Forschungsbedarf festgestellt werde. Darüber hinaus habe ich von hier aus auch das Bundesverkehrsministerium in die Prüfung einbezogen.

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, 11030 Berlin, 18. Januar 2000, AZ: LS01/52.01.22-05/

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen und die nachgeordnete Wasser- und Schiffahrtsverwaltung sind bestrebt, die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs ständig weiter zu erhöhen und dabei die Belange des maritimen Umweltschutzes zu berücksichtigen.

Das Bundesverkehrsministerium (BMVBW) konnte bedauerlicherweise nicht erklären in welcher Form der "maritime Umweltschutz" bei Zulassung von Schnellfähren und Hochgeschwindigkeitskatamaranen Berücksichtigung findet. Durch die Einbeziehung des BMVBW Referat LS kann jedoch davon ausgegangen werden, dass auch dem BMU u.a. die technischen Informationen über die Arbeitsweise von Hochleistungswasserstrahltriebwerken dieser Fahrzeuge vorliegen. In diesem Zusammenhang kann im Vorfeld zu den leistungsstärksten Jetfahrzeugen in deutschen Hoheitsgewässern wie folgt Angaben gemacht werden:
Schnellfähre "DELPHIN" (36kn/67km/h) der Reederei TT-Line im Fährverkehr der Ostsee zwischen Deutschland und Schweden mit einer Wasserdurchzugsmengen von bis zu 60m3/sec.
Hochgeschwindigkeitskatamaran "CAT No.1" (44kn/81km/h) der AG Reederei Norden-Frisia Norderney im Einsatzgebiet der geschützten Nationalparke "Niedersächsisches Wattenmeer" und "Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer" mit einer Wasserdurchzugsmenge von 15m3/sec entsprechend der Befahrensrestriktion NPNordSBefV von max. 16 kn und 45m3/sec/40kn im restlichen Flachwasser der Nordsee.

Bundesamt für Naturschutz, 18581 Lauterbach auf Rügen, 19.10.1999, AZ: Merck:

in Beantwortung Ihres Schreibens kann ich Ihnen mitteilen, daß die von Ihnen geäußerten Bedenken und Sorgen bezüglich der Auswirkungen der Hochgeschwindigkeitskatamarane auf die belebte Umwelt auch dem behördlichen Naturschutz durchaus bekannt sind. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung, wie sie gesetzlich z.B. für Autobahnbauten vorgesehen ist, kommt hier zwar nicht in Frage, aber es ist sehr wohl geplant, die Verträglichkeit solcher Schiffe mit den Belangen des Umwelt- und des Naturschutzes zu untersuchen. So wurde unlängst im Auftrag des Bundesumweltministeriums von meinem Amt ein Konzept für eine entsprechende Vorstudie und Literaturrecherche entwickelt.

Interessante Anhaltspunkte für eine fachliche Literaturrecherche sind als Anmerkungen im "Fragen- und Kriterienkatalog zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren in Auswirkung auf die belebte Umwelt" enthalten.

Bundesamt für Naturschutz, 18581 Lauterbach auf Rügen, 15.12.1999, AZ: MAR 37221/2-4:

Wie Ihnen im BfN-Schreiben vom Oktober diesen Jahres (Bezug 2) zur Kenntnis gegeben, befaßt sich das Bundesamt bereits mit dem Problemfeld Hochge-schwindigkeitsfähren. In der Zwischenzeit ist das BfN mit der Erarbeitung der in dem Schreiben erwähnten Studie, die in der ersten Jahreshälfte 2000 fertig gestellt werden soll, vom Bundesumweltministerium beauftragt worden. Dieser Auftrag ist eines der Ergebnisse einer Besprechung im vergangenen September mit Frau Parlamentarischen Staatssekretärin G. Altmann zu diesem Thema und umfaßt die Bearbeitung aller in dem von Ihnen angesprochenen Kriterienkatalog aufgeführten Fragenkomplexe. Dies zeigt eindrucksvoll, daß auch in den höchsten Ebenen des Bundesumweltministerium die Problematik nicht nur bekannt ist, sondern auch mit Nachdruck einer Klärung näher gebracht werden soll.

Wie Sie selbst ausführen, ist das tatsächliche Ausmaß der Auswirkungen von Schnellfähren auf Natur und Umwelt z.Zt. noch nicht abschätzbar. Das vom BfN durchgeführte Vorhaben soll helfen, diese Kenntnislücken zu schließen; u.a. wird dabei auch auf Erfahrungen in Dänemark zurückgegriffen werden. Nur so wird eine wissenschaftlich fundierte Einschätzung der Auswirkungen möglich sein. Diese Einschätzung ist aber Voraussetzung für eventuelle Auflagen hinsichtlich des Einsatzes von Schnellfähren, zumal, wenn sie nicht auch für den normalen Schiffsverkehr gültig sein sollten. Nach Einschätzung des Bundesamtes wird mit dieser Vorgehensweise dem Problem nicht zuletzt angesichts der anderen Belastungen, denen die marine Ökosysteme ausgesetzt sind und mit denen sich das Bundesamt ebenfalls befassen muß, die notwendige Aufmerksamkeit entgegen gebracht.

Die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande und Dänemark unterzeichneten das trilaterale Wattenmeer-Schutzabkommen. Wie bekannt, finden im Partnerland Dänemark Fahrzeuge erst dann Zulassung, wenn sie nicht im Widerspruch zu Naturschutzinteressen stehen. In der BRD fand diese Vorgehensweise kein politisches Interesse, obwohl hier das größte Wattenschutzgebiet zu verantworten ist.

Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein, Kiel, 19.10.1999, AZ: x 322-5325.84621

Ich teile Ihre Auffassung, daß Schnellfähren in einem Nationalpark fehl am Platz sind.

Schutzstation Wattenmeer, 10.11.1999

Das erste Walschutzgebiet Europas ist in Form einer Erweiterung des Nationalparkes Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer eingerichtet worden. Dieses schützt die Tiere zunächst vor Industriefischerei und Jetskis. Eine Befahrensregelung, die beispielsweise ein Tempolimit für Schnellfähren bewirken könnte, kann dort nur vom Bundesminister für Verkehr erlassen werden. Das Ziel unserer weiteren Lobbyarbeit wird es nun also sein, die Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen, damit sie eine entsprechende Regelung für das Gebiet erlässt.

In diesem Gebiet war angedacht, dem vom Aussterben bedroht Schweinswal durch die Schutzzweckbestimmung NATURA 2000 die erforderlich Ruhe zur Aufzucht seiner Jungen zu gewährleisten. Mit dem Kleinwalschutzabkommen ASCOBANS hat sich die Bundesrepublik Deutschland in Vertretung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) verpflichtet, den kleinen Tümmler vor Beeinträchtigungen zu schützen. Die seit 1999 ausgewiesene Walschutzzone im erweiterten Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist bis heute nicht befahrensrelevant. In diesem Schutzgebiet befördern Hochgeschwindigkeitskatamarane ihre Passagiere ggf. auch in der Dunkelheit mit Geschwindigkeiten von über 80 Km/h und gefährden nicht nur Schweinswale, sondern auch die geschützten Kegelrobben und Seehunde. Tragische Beobachtungen lassen die tourismusorientierte Schnellfährenpropaganda an der Küste und auf den Inseln pervertiert erscheinen.

Aber steigende Zulassungszahlen zeigen, dass das Schnellfährengeschäft boomt. Gleichzeitig hat sich die Deutsche Bucht insbesondere für Meeressäuger zum Schlachtfeld entwickelt. Trotz Ihrer "Meeresschutzinitiativen" degradieren die Betreiber der modernen High-Speed- Sensationen die Nordsee zum Rummelplatz und nutzen das schützenswerte Gebiet ungehindert zur Realisierung ihrer kommerziellen Interessen. Auch Lobbyisten leistungsstarker Sportboote dürfen in Nord- und Ostsee ihr eigenes Tempo vorlegen. Und zur Freude finanzkräftiger Persönlichkeiten finden alljährlich die Power-Boot-Rennen in der Lübecker Bucht mit Geschwindigkeiten von über 250 km/h statt. Zu dieser umsatzstarken Veranstaltung in der Ostsee fand das Ergebnis der Unterwasserschall-pegelmessung kein Gehör und zeigt Ihre fragwürdige Art die Öffentlichkeit für mehr Naturschutz zu sensibilisieren.
Wie darf man die Seriosität Ihrer Meeresschutzbemühungen verstehen?

Anlässlich der geplanten Zulassung des schnellsten Hochgeschwindigkeitskatamarans der Deutschen Bucht "CAT No.1" (44kn/81km/h) der AG Reederei Norden-Frisia Norderney;

Bezirksregierung Weser-Ems, Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer, 26382 Wilhelmshaven, 16.02.99, AZ:04.6-2224-17.1, C.Abel:

Ich möchte voranstellen, daß auch nach unserer Auffassung das von Ihnen entwickelte Szenario einer zunehmend intensiveren Nutzung und Beeinträchtigung der Natur den Zielen eines Nationalparks widerspricht. Die Nationalparkverwaltung ist daher bemüht, mögliche Beeinträchtigungen der Schutzgüter bereits bei der Einführung neuer Nutzungen entgegenzuwirken. Sowohl in Niedersachsen als auch in den anderen Wattenmeer-Nationalparken setzen wir uns daher bereits seit Jahren mit der Problematik des Einsatzes von Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen auseinander.

Die AG Reederei Norden-Frisia Norderney als Haupteigner des "CAT No.1" ist Nationalpark-sponsor "Niedersächsisches Wattenmeer". (!)

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, 11030 Berlin, 18. Januar 2000, AZ: LS01/52.01.22-05/

Einwände gegen den Betrieb von Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen seitens anderer Ministerien oder von Behörden liegen hier nicht vor. Der Betreiber des Hochgeschwindigkeitsfahrzeuges "CAT No.1" hat nach hiesigen Erkenntnissen vor Aufnahme des Verkehrs mit der Bezirksregierung Weser-Ems, der Nationalparkverwaltung "Niedersächsisches Wattenmeer" in Wilhelmshaven und mit anderen Naturschutzverbänden und Umweltschutzorganisationen Gespräche geführt. Einwände gegen den genannten Verkehr sind nicht bekannt geworden.

Diese Aussage bedarf keines weiteren Kommentares!

Zum Hochgeschwindigkeitskatamaran "CAT No.1" ist anzumerken, dass vier gegen Fremdeinwirkung ungeschützte Jettriebwerke (12.633 PS) von je 0,71 Meter Ø in einer Betriebsstunde volle Fahrt ca. 160.000 m³ Nordseewasser einschließlich Meeresfauna aufnehmen, komprimieren und mit Hochdruck inklusive der sterblichen Überreste ausstoßen um seine rasante Schubkraft zu erreichen. Die moderne Antriebstechnik lässt das Vernichtungspotenzial dieser wertvollen Ökologie im Flachwasser der Nordsee sowie dem weltweit als Kinderstube der verschiedensten Tierarten bekanntem Wattenmeer nur erahnen. Ergänzend liegt die Vermutung nahe, dass auch ein Teil der schwindenden Jungfischbestände ihr Schicksal als Antriebsbeschleuniger gefunden haben. Der Kriterienkatalog zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren in Auswirkung auf die belebte Umwelt beinhaltet noch viele interessante Fragen die zum Schutz der Meeresfauna und -flora auf Beantwortung durch Ihr verantwortliches Ministerium warten.

Gila Altmann, MdB, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 53048 Bonn, 18.04.2000

Eine Verpflichtung zur Überprüfung der Umweltverträglichkeit für den Einsatz von Schiffen ist gesetzlich nicht vorgesehen. In der Anlage zu § 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sind Vorhaben abschließend aufgeführt, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Danach ist der Betrieb von Katamaranen mit Wasserstrahlantrieb nicht UVP-pflichtig. Gleichwohl halte ich es wie Sie für notwendig, die Umweltverträglichkeit von Katamaranen vertieft zu untersuchen.

Bundesamt für Naturschutz, 18581 Lauterbach auf Rügen, 13.Juli 2000, AZ:MAR 37221/2-4:

Die angesprochene Studie, die sich nicht ausschließlich mit dem "HSC No.1", sondern allgemein mit wasserstrahlgetriebenen Schnellfähren befasst, ist inzwischen vom BfN fertiggestellt worden. Sie ist für das Bundesumweltministerium und in dessen Auftrag erstellt worden. Ich bitte auch hier um Ihr Verständnis, daß wir nicht autorisiert sind, die Studie weiterzugeben.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 53048 Bonn, 04.10.2000, AZ:N14-77131/11

Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann dankt Ihnen für ihr Schreiben vom 15.Juli 2000 und hat mich gebeten, Ihnen zu antworten. Der von Ihnen geäußerten Bitte um Auskunft über Ergebnisse einer vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) erstellten Studie kann aus nachfolgenden Gründen nur zum Teil entsprochen werden. Bei den in einem Bericht vorgelegten Ausarbeitung handelt es sich weder um eine Umweltverträglichkeitsstudie noch um eine wissenschaftlich fundierte Literaturstudie des BfN, sondern lediglich um anhand von Datenbanken und Befragungen von Fachleuten vorgenommenen Recherche zu Auswirkungen von Hochgeschwindigkeitskatamaranen auf die belebte Umwelt.

Es stellt sich die Frage welche "Fachleute" bei der Recherche zu Rate gezogen wurden. Die Stellungnahmen von Meeresbiologen dürfte in allen involvierten Ministerien und Behörden hinlänglich bekannt sein.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 53048 Bonn, 31.01.2001, AZ:N14-77131/11

Auch eine Verpflichtung zur Überprüfung der Umweltverträglichkeit für den Einsatz von einzelnen Verkehrsträgern wie z.B. Schiffen ist nach deutschen und europäischen Gesetzen nicht vorgesehen und weder fachlich noch politisch vertretbar. Insofern gibt es für die vom Bundesumweltministerium vertretenen Rechtslage nach wie vor keine Grundlage, um die für das o.g. Fahrzeug zu unterbinden bzw. auszusetzen.

Aus diesem Grunde sind auch einer Förderung einer Studie zu den Auswirkungen von Hochleistungswasserstrahltriebwerken auf die belebte Umwelt enge Grenzen gesetzt. Vor dem Hintergrund immer knapper werdender Umweltforschungsmittel wird es auch in nächster Zeit kaum möglich sein, dass im Bundesministerium Fördermittel für Bereiche verwendet werden, für die es selber keine originäre Zuständigkeit hat.

Das Bundesumweltministerium macht hiermit deutlich, dass es sich seiner Verantwortung entzieht. Bei der Schnellfährenproblematik wird der Meeresschutz offensichtlich nicht mehr ernst genommen. Anderseits sind Bestrebungen angelaufen, das Wattenmeer auf Grund seiner weltweit einmaligen Ökologie bei der UNESCO als Weltnaturerbe einzutragen. Mit diesem Prädikat erwarten Tourismusbranche und Reedereien positive Impulse. (?)

Trotz vorgenannter Problemignoranz wird das Thema allerdings auf anderer Ebene im Bundesumweltministerium konträr weiter verfolgt. (!)

Gila Altmann Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin, den 21.12.01

ergänzend zu unserem Telefonat vom 18.12.01 teile ich Ihnen den erfreulichen Sachstand hinsichtlich der Untersuchung der Umweltverträglichkeit von Katamaranen / Schnellfähren nochmals schriftlich mit: Aufgrund der Bemühungen von Frau Altmann hat das Bundesumweltamt nunmehr für das kommende Jahr ein Umwelt-Forschungsplan-Projekt zu diesem Thema in die Wege geleitet.

gez. Gabriele Kuczmierczyk
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Gila Altmann MdB
(Umwelt-Forschungsplan-Projekt = UFOPLAN)

Von: Peter Flatow
Gesendet: Freitag, 28. Januar 2005
An: ..@bmu.bund.de
Betreff: Meeresschutz

Sehr geehrter Herr Flasbarth,

wie Ihnen im Rahmen des Meeresschutzes bekannt sein wird, stehen die Schnellfähren-einsätze in Nord- und Ostsee in berechtigter Kritik.
Die Bedenken von Naturschutzverbänden und Umweltschutzorganisationen bezüglich der Einsätze von Schnellfähren und Hochgeschwindigkeitskatamaranen in Auswirkung auf die belebte Umwelt wurde in Ihrem Ministerium mit Interesse zur Kenntnis genommen.
Da zu diesem Thema keine Stellung bezogen werden konnte, bat Ihr Ministerium die AG Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer einen Fragen- und Kriterienkatalog zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren zu erstellen um ihre Wissenslücken zu schließen.
Der Kriterienkatalog wurde am 1999-07-22 fertiggestellt und zur weiteren Veranlassung an Frau Staatssekretärin Gila Altmann (MdB) geleitet.
Beigefügt erhalten Sie eine Ausfertigung zur Kenntnisnahme. Die Einleitung der UVP ist diesem Schreiben ebenfalls beigefügt, ebenso die Information über das Projektende zum Jahre 2004 mit der Forschungskennziffer FKZ 202 96 189.
Da zu diesem Thema ein öffentliches Interesse besteht, bitte ich Sie höflich um Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, auf alle im Kriterienkatalog bezogenen Punkte einzugehen um eine Beurteilung der Meeresschutzverpflichtung zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Flatow

Von:"Schwee, Franz" ..@bmu.bund.de
An:peter.flatow..
Betreff AW: Meeresschutz; hier UFOPLAN, FKZ "202 96 189", Umweltauswirkungen von Hochgeschwindigkeitsschiffen
Datum: Wed, 9 Feb 2005

Ihre E-Mail an Herrn Flasbarth wurde mir zur Beantwortung zugeleitet.
Wie Ihnen die wissenschaftliche Mitarbeiterin von Frau MdB Altmann mit Schreiben am 21.12.01 und mit E-Mail am 16.05.02 mitgeteilt hatte, war ein Forschungsvorhaben im UFOPLAN des BMU beim Umweltbundesamt mit dem Titel "Umweltauswirkungen von schnellfahrenden Wasserfahrzeugen unter besonderer Berücksichtigung der Situation in den deutschen Küstengewässern der Nord- und Ostsee" initiiert worden. Das Forschungsvorhaben ist allerdings bisher aufgrund begrenzter Mittel des UFOPLAN und der Berücksichtigung anderer prioritärer Vorhaben nicht angelaufen. Insoweit kann auch noch kein Ergebnis bekannt gegeben werden. Der von Ihnen geschilderte Verlauf des Zustandekommens vom WWF an das BMU übersandten "Kriterienkatalogs zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren" ist mir nicht bekannt. Die Art Ihrer Darstellung impliziert allerdings mangelnde Fachkompetenz des BMU, was ich nachdrücklich zurückweise.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Franz Schwee
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
Robert-Schuman-Platz 3
53175 Bonn

Wie nachfolgend bestätigt, ist die Aussage Ihres Amtskollegen nicht korrekt, da das Umweltforschungsplan-Projekt (UFOPLAN) 2002 angelaufen und Ende 2004 abgeschlossen sein sollte. Mit solch einem Procedere manövriert sich auch das Bundesumweltministerium in das zum Teil desolate politische Bild unserer Zeit.

Von: "Gila Altmann, MdB" ..@bundestag.de
Betreff: Hochgeschwindigkeitskatamarane
Abgesandt: Thu, 16 May 2002

in Bezug auf Ihr Schreiben vom 29.04.02 zu o.g. Thema kann ich Ihnen vorerst folgendes mitteilen: Das Umweltbundesamt (UBA), Abt. I 3.2, ist für das Umweltforschungsplan-Projekt (F 3 Wasserwirtschaft und Meeresschutz) und dessen Vorbereitung zuständig. Es wird dort unter dem Kurztitel / Thema: "Umweltauswirkungen von schnellfahrenden Wasserfahrzeugen auf die Meeresumwelt unter besonderer Berücksichtigung der Situation in den deutschen Küstengewässern der Nord- und Ostsee" unter der Forschungskennziffer FKZ 202 96 189 geführt. Das Projekt ist für den Zeitraum von 2002 - 2004 angesetzt. Als erstes wird eine Situationsanalyse vorgenommen. Hierfür wurden Anfang des Jahres die zu untersuchenden Kriterien erarbeitet - d.h. das Projekt ist bereits angelaufen-, die wir aktuell beim UBA angefragt haben. Bei negativen Ergebnissen der Situationsanalyse sollen gegengesteuerte Maßnahmen entwickelt werden.

Gabriele Kuczmierczyk
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Gila Altmann MdB
Unter den Linden 50
10117 Berlin

Bitte haben Sie dafür Verständnis, wenn mir als Quintessenz langjähriger Bemühungen mit Ihrem Ministerium zum Thema Meeresschutz und Schnellfährenproblematik Ihre subjektive Feststellung mangelnder Fachkompetenz meiner Darstellung gegenüber dem Bundesumweltministerium, wie in e-mail vom 2005-02-05 deutlich gemacht, zu wenig ist.

Ihr Ministerium bat um Erstellung eines "Fragen- und Kriterienkatalog zur Prüfung der Umweltverträglichkeit von Schnellfähren in Auswirkung auf die belebte Umwelt" um Ihre Wissenslücken zu schließen!

Unter Ausschluss der auch Ihnen bekannten "Schnellfährenproblematik" kann über "Meeresschutz" in Nord- und Ostsee nicht mit Ernsthaftigkeit diskutiert werden.

In Erwartung Ihrer geschätzten Rückäußerung verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Peter Flatow

 
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