Startseite > Windenergie > Artikel Nr. 84 (April 2006)
LK Wittmund: Genehmigungsklüngel und Filz?
Landkreis Wittmund genehmigt riesige Windkraftanlage am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
Die Baugenehmigung einer Einzel-Windkraftanlage am Hofe des Deichrichters Hero Janßen, Friedrichsgroden/LK Wittmund, hat ein Geschmäckle, oder stinkt ganz gewaltig nach Gefälligkeitsgenehmigung des Landkreises, je nach Wahrnehmungsorgan: Mehrfach schrieb der Wattenrat den Landrat Schultz wegen dieser Anlage an, zuerst am 20. Okt. 2004, Antworten: keine!
Der Anlagenstandort wurde wegen seiner Nähe zum Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer (500m) und der unmittelbaren Nähe zu einer Wasserfläche binnendeichs moniert, die als Naturschutzersatzmaßnahme für die Vordeichung der von Janßen (damals Vater Hans-Hermann Janßen als Oberdeichrichter) genutzten Ländereien im angrenzenden Jheringsgroden 1986 erfolgte. Diese Vordeichung der im Familienbesitz vorhanden Ländereien wurde als "Küstenschutz" deklariert und mit erheblichen öffentlichen Mitteln finanziert.
Siehe auch:
Wattenrat - Presse 32: "Riesige
Windkraftanlage in "Important Bird Area" (IBA) beantragt" und Wattenrat - Aktuelles - Artikel Nr. 145:
"Oberdeichrichter H.H. Janßen verabschiedet".
Dem Wittmunder Landrat und Juristen Henning Schultz ist bekannt, dass
- laut Runderlass des Nieders. Innenministeriums vom 11. Juli 1996 die Belange der für Vögel wichtigen Lebensräume gegenüber denen der Windkraftnutzung überwiegen
- der Niedersächsische Landkreistag in einer Stellungnahme Abstände von Windkraftanlagen zu Nationalparks von mindestens 1000m gefordert hat
- der Standort im Friedrichsgroden in einer sog. "Important Bird Area" (IBA), also einem wichtigen Vogelschutzgebiet nach Vorgaben der EU-Vogelschutzrichtlinie liegt, und
- das Verwaltungsgericht Oldenburg an einem vergleichbaren Standort in Nationalparknähe in der Gemeinde Nesse in einem Urteil aus 2002 (Az: 4 A 2778/99) einen positiven Bauvorbescheid deshalb versagt hat, weil die Anlage im dortigen IBA Norden-Esens eine "unzulässigen Eingriff" in dieses Vogelschutzgebiet bedeuten würde.
Genau diese Kriterien treffen für den Standort im Friedrichsgroden auch zu.
Die Anlage hätte also nie an diesem Standort genehmigt werden dürfen! Es stellt sich die Frage, inwieweit man Beamte in Regress nehmen kann, die für diese Vorgaben auf beiden Augen blind sind so leichtfertig mit der Genehmigung von Windkraftanlagen umgehen. Der Landkreis Wittmund wurde bereits einmal bei einem Ortstermin bei der ebenfalls völlig fehlplatzierten Windkraftanlage eines Landwirtes (die sog. "Zeiger-Mühle" nach dem Namen der Kläger) in Oldendorf bei Bensersiel von einem Verwaltungsrichter wegen seiner verfehlten Genehmigungspraxis gerügt, diese Windkraftanlage musste später kostenaufwändig versetzt werden.
Eine Windkraftanalge bei Wittmund in der Einflugschneise des Jagdgeschwaders Richthofens musste nach Einsprüchen der Bundeswehr ebenfalls versetzt werden. Lerneffekt beim Landkreis: keiner. Der Wind"park" Utgast bei Esens wurde nach einer beträchtlichen Einmalzahlung des Herstellers Tacke an die Gemeinde und ohne vorgeschriebene Erfassung von Flora und Fauna genehmigt: Immer wieder Unvermögen oder Klüngel, Filz und auch Korruption im Landkreis Wittmund.
Nun wurden die Voraussetzungen für weitere kostenträchtige Gerichtsverfahren, die dann ggf. der Steuerzahler bezahlt, für evtl. bisher abgelehnte weitere Einzelanlagen geschaffen. Der Hauptverwaltungsbeamte dieses Landkreises heißt Henning Schultz, und der ist für die Genehmigungspraxis verantwortlich.
Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, vom 22.04.2006
Einzelanlagen sollte es nicht mehr geben, aber...
Großer Ärger um neue Windmühle in Friedrichsgroden / Stadt und Landkreis tun sich mit Stellungnahme sehr schwer
Obwohl die Stadt Wittmund eindeutig keine "Verspargelung" mehr will, wird
nun doch eine weitere große Mühle gebaut - viele Bürger sind
erbost.
VON MANFRED HOCHMANN
FRIEDRICHSGRODEN - Monate-, wenn nicht jahrelang hat die Stadt Wittmund darum gerungen, keine weiteren Einzelwindkraftanlagen mehr zuzulassen. Die weitere "Verspargelung" der Landschaft sollte auf jeden Fall verhindert werden. Die städtischen Gremien gaben alles, fochten Gerichtsstreitigkeiten auf höchster Instanz aus, setzten sich permanent mit verärgerten Antragstellern und dem Landkreis auseinander. Im vorigen Jahr stand der Beschluss: Ein neuer Flächennutzungsplan sagt eindeutig aus: Keine Einzelwindkraftanlagen mehr auf dem Stadtgebiet, genehmigt werden die Mühlen nur noch in dazu vorgesehenen Flächen.
Doch nun wächst bei einem Hof in Friedrichsgroden doch eine weitere große Einzelanlage in den Himmel. Verärgerte Bürger rufen in der Redaktion des HARLINGER an und wollen wissen, wie so etwas möglich ist. Entscheidungsträger in Behörden sprechen zwar hinter vorgehaltener Hand von einem "skandalösen" Vorgang, rein formal aber scheint nichts zu machen zu sein. Das liest sich aus einer gemeinsamen Presseerklärung, die Stadt und Kreis gestern verfassten: "Auf Nachfrage teilen die Stadt und der Landkreis Wittmund mit, dass Einzelwindkraftanlagen aufgrund der planungsrechtlichen Vorgaben der Stadt Wittmund grundsätzlich nicht mehr genehmigungsfähig sind. In diesem Einzelfall ergab sich jedoch trotz vorliegender umfangreicher Bedenken nach juristischer Prüfung in einem anwaltlichen Verfahren, dass aufgrund eines positiven Bauvorbescheides eine Ablehnung der beantragten Windmühle aus sachlichen und formellen Gründen nicht mehr möglich war. Da sowohl der Stadt als auch dem Landkreis aus rechtlichen Gründen keine andere Möglichkeit blieb, musste die Anlage schließlich in einem immissionsschutzrechtlichen Verfahren mit einer Vielzahl von Bedingungen und Auflagen genehmigt werden." Soweit die offizielle Version. Was sich tatsächlich abgespielt hat, lässt sich kaum in einem Artikel darstellen. Unstrittig ist, dass auf dem Gelände des Windraderbauers seit einigen Jahren bereits eine weitere Mühle steht, die dieser vor kurzem erneuerte ("Repowering"). Als er vor zwei Jahren dafür den Antrag stellte, fragte er zugleich nach einem alternativen Standort nach. Die Stadt genehmigte das "Repowering" für die vorhandene Anlage und vergaß nach Ansicht der Kritiker dabei, den anderen Standort endgültig zu "verneinen", sprich abzulehnen. Während der Antrag in der Schublade schlummerte, änderte die Stadt ihren Flächennutzungsplan. Da der erwähnte Bauantrag aber bei der Stadt "durchgelaufen" war, erteilte der Landkreis das Einvernehmen, also die Genehmigung.
Klingt alles sehr bürokratisch, heißt aber: Hier hat jemand nicht aufgepasst, der Landkreis nahm zugleich wenig Rücksicht auf die Vorgaben der Stadt. Und so wurde eine Anlage genehmigt, die unmittelbar am Deich, in der Nähe von Ferien Wohnungen und nur 15 Meter von einem touristisch genutzten Radweg entfernt liegt. "Das ist allein aus Sicherheitsgründen eigentlich nicht erlaubt", heißt es intern bei der Stadt. Überdies liegt eine Rückzugsfläche für die Natur in der Nähe, die durch die Mühle gestört wird. Die Anlage wird nachts wohl auch zu laut sein. Diese ganzen Bedenken sind dem Landkreis eigentlich auch bekannt gewesen, die Anlage hätte eigentlich nie so gebaut werden dürfen, wie es jetzt geschieht. Ja, eigentlich, aber... Nun ist mit einer Flut von Klagen zu rechnen - denn viele Antragsteller für Einzelanlagen sind abgewiesen worden und fragen sich jetzt sicher: Warum eigentlich?
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund 25.04.2006,Seite 1
Knake: "Gefälligkeitsgenehmigung"
Wattenrat-Sprecher wirft Landkreis leichtfertiges Umgehen mit Genehmigungen von Windkrafträdern vor. Landrat Schultz weist Vorwurf der Kungelei zurück.
WITTMUND/HIN - "In diesem Landkreis stinkt es ganz gewaltig nach Genehmigungsklüngel", erbost sich Manfred Knake über den Bau der Einzel-Windkraftanlage in Friedrichsgroden. Wie bereits berichtet, wirft der Bau der Einzelanlage kritische Fragen auf, weil die Stadt Wittmund laut Flächennutzungsplan keine einzelnen Windmühlen mehr genehmigen darf.
Manfred Knake wirft dem Landrat nun vor, eine "Gefälligkeitsgenehmigung" gegenüber dem Landwirt, der die Windmühle nun baut, ausgesprochen zu haben. Der Redaktion liegt ein Schreiben vor, in dem Manfred Knake bereits am 20. Oktober 2004 seine Bedenken aus naturschutzrechtlicher Sicht gegen den Bau der Einzelwindkraftanlage gegenüber dem Landkreis, beziehungsweise dem Landrat geäußert hat. "Der Landkreis hätte den Antrag ablehnen können und es auf eine Klage ankommen lassen können", meint Knake. In diesem Fall hätte die Behörde wegen der hohen naturschutzrechtlichen Auflagen einen Rechtsstreit locker gewinnen können.
Einen ähnlichen Fall habe es in der Gemeinde Nesse gegeben. Diese Option weist Landrat Henning Schultz zurück. In dem Fall der Mühle in Friedrichsgroden sei bereits ein positiver Bauvorentscheid erteilt worden, der bindend gewesen sei. Das sei bereits ein Jahr vor Knakes Schreiben gewesen. "Da war das Kind schon in den Brunnen gefallen", so der Landrat, der einräumt, dass man in der Genehmigungsphase vor diesem Bescheid Fehler gemacht habe. "Da hätte man einiges anders machen müssen", so der Landrat. Den Vorwurf der Kungelei weist er von sich. Von "Gefälligkeitsgenehmigung" könne nicht die Rede sein. "Wir mussten einfach genehmigen und hatten keine andere Wahl", so Henning Schultz. Er glaubt nicht, dass nun Klagen von Antragstellern für Einzelanlagen folgen, deren Anträge abgelehnt wurden. Dafür gäbe es keine rechtliche Grundlage.
Anzeiger für Harlingerland 27.04.2006 S. 2, Wittmund
Umstrittene Windkraftanlage Thema im Rat
Windkraft - Kreis soll Erfüllung der Auflagen prüfen / Betreiber versteht Wirbel nicht
Diskussion im Stadtrat über neue Einzelanlage in Friedrichsgroden: "Den Bürger interessiert nicht, ob nun die Stadt oder der Kreis Fehler macht".
WITTMUND/HIN - Der Wittmunder Stadtrat beschloss am Dienstagabend einstimmig, sich an den Landkreis Wittmund mit der Forderung zu wenden, dass die Windkraftanlage in Friedrichsgroden, die für Wirbel in Politik und Bevölkerung sorgt, in Zukunft unter die Lupe genommen wird: die Behörde soll prüfen, ob der Betreiber der inzwischen fast fertigen Anlage, die Auflagen, unter deren Bedingung diese als Einzelanlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSch) genehmigt wurde, auch erfüllt. Die Verwaltung bezweifelt nämlich, dass das tatsächlich geschieht. Die Mühle soll des Nachts auf weniger als zehn Prozent der Leistung gedrosselt werden, um den Schall in den Ruhestunden zu verringern. Man befürchtet, dass der Betreiber aus wirtschaftlichen Gründen versuchen könnte, diese Auflage zu umgehen. Die Genehmigung der Einzel-Windkraftanlage in Friedrichsgroden erhitzt noch immer die Gemüter. Auch im Stadtrat am Dienstagabend wurde das Thema als wichtiger Tagesordnungspunkt aufgenommen. Bürgermeister Karl-Heinz Krüger verfolgte von Seiten der Stadt und des Bauamtes das Genehmigungsverfahren zurück, da bereits einige Ratsherren Einblick in die Akten gewünscht und getätigt hatten.
Der Bürgermeister führte aus, dass man Ende 2003 Widerspruch gegen den Bauvorbescheid eingelegt habe. Das verweigerte Einvernehmen habe der Landkreis ersetzt, auch dagegen sei Widerspruch eingelegt worden und eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht eingereicht worden. Im Sommer 2004 habe der Landkreis mitgeteilt, dass die Beschwerde vom Oberverwaltungsgericht abgelehnt worden sei. Aus heutiger Sicht wäre es von Seiten der Stadtverwaltung sicherer gewesen, "diese Dinge von Anfang an förmlich zu versagen", räumte Bürgermeister Karl-Heinz Krüger ein. "Das Vertrauen in die Verwaltung ist für die Bürger zerstört", kritisierte Johann Hillerns, CDU-Fraktionsvorsitzender, in der folgenden Diskussion über die Sachlage. "Es ist eine Katastrophe, was da passiert ist", so Hillerns. Willi Lüpke, SPD-Fraktionsvorsitzender, bezeichnete den Stand der Dinge als "Super-Gau". Scharf kritisierte er das Verhalten des Bauamtes in diesem Genehmigungsverfahren. Die Verwaltung müsse einfach besser aufpassen. Den Bürger interessiere es nicht, ob nun der Landkreis oder die Stadt Fehler gemacht habe, Fakt sei, dass bei solchen Verfahren getrickst werde, weil es um viel Geld gehe. Hier könne man nicht von einer Gefälligkeitsgenehmigung sprechen, sondern von der Unfähigkeit und den Ängsten der Verwaltung, eventuelle Prozesse zu führen.
Siebo Lübben (SPD) nahm das Bauamt daraufhin in Schutz. Gerade weil viel unbürokratisch und ohne viel Aufhebens gelöst würde, stünde hier noch der Mensch im Vordergrund und nicht die Behörde.
Der Landwirt und Betreiber besagter Windkraftanlage versteht den ganzen Wirbel um den Bau der Anlage nicht. Sie stünde auf seinem eigenen Betriebsgelände, die Anwohner seien er und seine Familie selbst. Die politisch geäußerte Vermutung, dass er sich als Betreiber nicht an die durch das BimSch-Genehmigungsverfahren vorgeschriebenen Auflagen halten könnte, weist er von sich. Er habe lange mit dem Bauamt verhandelt, auch einige Gespräche mit dem Landrat gehabt, Kompensationsmaßnahmen und Auflagen zum Schall der Windmühle seien jetzt auszuführen.