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In eigener Sache:

Windpark Wybelsum und die Pressefreiheit

Nein, eine Zeitung muss nicht alles drucken. Wenn aber ein gigantisches Industriegebiet feierlich kurz vor einer Bundestagswahl durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gabriel (SPD) mit einseitigem Blick auf die Wirtschaftsförderung eröffnet wird, dabei zwischenstaatliche verpflichtende Regelwerke unter die Windräder geraten und diese offensichtlichen Rechtsverletzungen der berichtenden Zeitung kein gedrucktes Wort wert sind, dann ist etwas faul im Lande.
Mit der Pressemitteilung Nr.13 des Wattenrates Ost-Friesland wurde auf das Schreiben der EU-Kommissarin Wallström [ca.840 kb] an den Bundesaußenminister Fischer hingewiesen, die auf die Verletzung der EU-Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie im Zusammenhang mit dem Windkraft-Standort Wybelsum verwies. Die Agenturen dpa und ddp nahmen die Pressemitteilung des Wattenrates mit auf, nicht aber die Ostfriesen Zeitung in Leer, die in mehreren Artikeln über die Eröffnungsfeierlicheiten berichtete. Man war so frei, die Hinweise der EU gegen diese offensichtliche Rechtsverletzung des Vertragspartners Deutschland zu ignorieren.
HALBE WAHRHEITEN SIND BEKANNTLICH AUCH UNWAHRHEITEN UND GEHÖREN WOHL MIT ZUR FREIHEIT DER PRESSE; WIE DENN WOHL AUCH NUR DAS ZUR REALITÄT GEHÖRT, WAS IN DER ZEITUNG GESTANDEN HAT.

Der Wattenrat brachte sich dann auch mit folgendem Schreiben in Erinnerung:
An die Ostfriesen Zeitung
-Redaktion- Leer  19. Sept. 2002

Ihre Berichterstattung zur Eröffnung Wind"parks" im Wybelsumer Polder von heute

Sehr geehrte Damen und Herren,

gleich drei Artikel widmeten Sie in Ihrer heutigen Ausgabe der feierlichen Eröffnung des Windkraftstandortes Wybelsum bei Emden durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gabriel, den Enercon-Geschäftsführer Wobben und den Leiter der Deutschen Energieagentur, Kohler.
Mit keinem Wort jedoch fand die massive Kritik der Europäischen Kommission an dem Standort Wybelsum, vorgebracht durch die Kommissarin Wallsröm in einem fünfseitigen Brief an den Außenminister Fischer vom März 20. März dieses Jahres, Eingang in Ihre Berichte.
Nach Auffassung der Kommission verletzt dieser Standort das für alles Vertragsstaaten geltende Gemeinschaftsrecht hinsichtlich der EU Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie und ist damit unzulässig. Den Agenturen dpa und ddp war dieser Sachverhalt immerhin einen Meldung wert, die dann auch in vielen Zeitungen außerhalb Ostfrieslands erschien.

Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, dass Ihre Leserschaft auch an den weniger spektakulären Fakten, die durch die Möglichkeiten der Europäische Kommission eine erhebliche Tragweite an diesem Standort entwickeln können, interessiert sind. Vor diesem Hintergrund wird die politische Inszenierung der Eröffnungsfeier kurz vor den Bundestagswahlen leicht verblassen und auch nicht durch Ihre Berichterstattung nachhaltig aufgewertet werden.

Vielleicht haben Sie je tatsächlich die ihnen zugemailte Pressemitteilung des Wattenrates vom 18. September und deren Vorankündigung vor zwei Wochen, auch per eMail, übersehen.

Aus diesem Grunde erlaube ich mir, Ihnen die Pressemitteilung des Wattenrates erneut zuzusenden.
Den Brief von Frau Wallström an Außenminister Fischer füge ich ebenfalls bei und hoffe, dass er in Ihrer Redaktion die entsprechende Würdigung findet.


Mit freundlichem Gruß

Manfred Knake


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Pressestimmen zur Eröffnung

Hannoversche Allgemeine Zeitung, 19. Sept. 2002

Viel Wind im Vogelschutzgebiet. Ministerpräsident Gabriel nimmt größten Windpark Europas bei Emden in Betrieb. Projekt ist bei Naturschützern umstritten.

Emden.   Der Ministerpräsident ist beeindruckt. Fast hundert Meter hoch sind die 54 Windkraftgiganten, die sich auf dem Wybelsumer Polder in der Nähe des Emder Hafens drehen werden. Von Bord der Borkumfähre "Ostfriesland" aus nahm Sigmar Gabriel den derzeit größten Windpark Europas am Mittwoch symbolisch per Knopfdruck in Betrieb. "Der Windpark ist ein praktischer Beitrag zum Klimaschutz und eine Stärkung der regionalen Wirtschaft", sagte Gabriel in "Europas heimlichen Hauptstadt der erneuerbaren Energien".
Eigentlich sollte die umweltfreundliche Energieerzeugung am Emder Hafen auch die Naturschützer begeistern, doch das Großprojekt hat einen Makel. "Die Windkraftwerke zerstören ein wertvolles Rastgebiet für nordische Gänse und Watvögel", schimpft Manfred Knake vom Wattenrat Ostfriesland, einer regionalen Umweltgruppe. Der Windpark am Dollart sei auf einem internationalen Vogelschutzgebiet gebaut worden.
"Es ist dreist. Hier wurden einfach Fakten geschaffen", kritisiert Knake. Für die Stadt Emden sind die Windräder, die bereits am Netz sind und insgesamt 70 Megawatt Strom liefern, ein Aushängeschild. Die Stadt am Dollart setzt voll auf regenerative Energien und will sich als Basishafen für die vor der Küste geplanten Offshore-Windparks empfehlen.

77 Millionen Euro hat die Betreibergesellschaft in den einzigen Windpark auf landeseigenen Flächen investiert, für dessen Verwirklichung sich bereits der frühere Ministerpräsident Gerhard Schröder stark gemacht hatte. Der Wattenrat hatte hingegen schon 1997 eine Beschwerde bei der Europäischen Union in Brüssel gegen das Projekt eingelegt. Die EU-Kommissarin Margot Wallström teilt die Bedenken der Naturschützer: Der Windpark verletze sowohl die Vogelschutz- als auch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU, schrieb Wallström im März an Außenminister Joschka Fischer. Die Kommissarin bemängelte außerdem, dass der Wybelsumer Polder nicht als Vogelschutzgebiet nach Brüssel gemeldet worden ist.
Die Landesregierung beeindruckt der Rüffel aus Brüssel offenbar wenig. "Man muss eine Güterabwägung treffen", sagte Gabriel am Mittwoch in Emden. Er habe sich davon überzeugt, dass es ausreichend Ausgleichsflächen für das bebaute Schutzgebiet gebe. Rückendeckung erhält der Ministerpräsident aus dem Umweltministerium. Säbelschnäbler und Blaukehlchen fühlten sich gerade deshalb auf dem Wybelsumer Polder wohl, weil der Windpark gleichzeitig als Spülfläche für Hafenschlick genutzt werde, erklärt Sprecherin Jutta Kremer-Heye. Wenn man das einstelle, blieben auch die Vögel weg. Außerdem gebe es wesentlich bessere Gebiete für die seltenen Tiere im Nationalpark Wattenmeer. Diese seien auch in Brüssel als Schutzgebiete gemeldet worden. Eigentlich sollte der Windpark bereits vor einem Jahr eröffnet werden. Doch die Terroranschläge in den USA am 11. September kamen dazwischen. Der offizielle Startschuss wurde um ein Jahr verschoben. Kurz vor der Bundestagswahl nutzte Ministerpräsident Gabriel die Gelegenheit, die Vorreiterrolle Niedersachsens bei der Windkraftnutzung zu rühmen. Das Land sei mit 3000 Megawatt Windenergieleistung spitze, sagte Gabriel. Etwa 30 Prozent aller deutschen Windräder seien in Niedersachsen aufgestellt worden. "Die Zukunft liegt im Offshore-Bereich", prophezeite Gabriel. Bis 2030 könnten Windparks vor der Küste bis zu 20 000 Megawatt Strom liefern. Rund 10 000 Menschen seien bereits in der Branche beschäftigt. Die Offshore-Technik, hofft der SPD-Politiker, bringe mindestens 11 000 zusätzliche Arbeitsplätze bei Herstellern, Zulieferern und in der maritimen Wirtschaft.

Margit Kautenburger

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Ostfriesen-Zeitung 19.09.2002 (S. 9)

Gabriel lässt Räder drehen Ministerpräsident nimmt offiziell den größten Windpark Europas in Wybelsum in Betrieb. Die Redner bescheinigen sich gegenseitig, bei der Windenergie Pionierarbeit geleistet zu haben.

lüp Wybelsum/Emden.   Windpark mit Fernbedienung: Ministerpräsident Sigmar Gabriel hat gestern mit einem Knopfdruck vom Schiff aus den Windpark Wybelsumer Polder offiziell in Betrieb genommen. Kaum hatte Gabriel mit den Betreibern auf den roten Knopf gedrückt, drehten sich an Land die Windräder im größten Windpark Europas, Luftballons in den Firmenfarben der Stadtwerke stiegen auf, Salutschüsse böllerten und ein Flugzeug drehte Schleifen.
Eigentlich sollte der Windpark schon vor einem Jahr eröffnet werden, doch dann kam das Attentat auf das World-Trade-Center dazwischen. Aber schließlich drehen sich die Windräder schon einige Zeit unter der Schirmherrschaft von Gabriels Vorgänger und heutigem Bundeskanzler Gerhard Schröder. Jeder, der in Ostfriesland irgendetwas mit Windkraft zu tun hat, war an Bord der Fähre "Münsterland". Darunter zum Beispiel der Inhaber des größten Windenergieanlagen-Herstellers Enercon, Aloys Wobben. Er hielt eine engagierte Rede zur Zukunft der regenerativen Energien. Man müsse damit rechnen, dass durch die Klimaveränderungen aufgrund von Trinkwassermangels immer mehr Flüchtlinge nach Europa kommen werden.
Wobbens Firma entwickelt unter anderem auch Trinkwasseranlagen, die für afrikanische Staaten konzipiert sind. Wobben ließ es sich nicht nehmen, noch mal den Ausbau der Bahnstrecke Aurich-Abelitz zu fordern. Er habe ein neues Gutachten zu den Kosten an die niedersächsische Verkehrsministerin geschickt. "Die Bahnstrecke, das wird schon laufen", sagte Wobben auf einen Zwischenruf Gabriels. An die Anfänge der Windkraft in Ostfriesland erinnerte EWE-Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Brinker. 1989 stand nämlich Deutschlands größter Windpark in Pilsum. "Zehn Anlagen mit einer Leistung von drei Megawatt", so Brinker. Heute wären dazu gerade zwei Anlagen nötig. Überhaupt klopften sich die Redner selbst oder gegenseitig auf die Schultern, in dem jeder die Pioniertaten in Sachen Windenergie hervorhob. Die EWE erwarb die ersten Prototypen bei Enercon, die Stadtwerke Emden errichteten den ersten kommunalen Windpark. Jetzt wollen wieder Emder Pionierarbeit leisten. Die Hafenbetriebe wollen davon profitieren, wenn die ersten Offshore-Anlagen aufgestellt werden. Oberbürgermeister Alwin Brinkmann mahnte den Ministerpräsidenten, nicht Cuxhaven den Vorzug zu geben. "Schließlich haben wir die Fregatte 'Emden', drohte Brinkmann scherzhaft.

Anzeiger für Harlingerland 19.09.2002 (S. 9)
Gabriel eröffnet den größten Windpark Heftigste Kritik vom Wattenrat an dem Projekt

-dpa- Emden. Mit einem Knopfdruck von Bord der Borkumfähre "Ostfriesland" hat der niedersächsische Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD) gestern den größten Windpark Europas offiziell in Betrieb genommen. Die Anlage "Wybelsumer Polder" an der Ems bei Emden kostete rund 77 Millionen Euro und erzeugt mit 54 Windgeneratoren eine Gesamtleistung von 70 Megawatt. Sie gilt als Vorstufe der geplanten Offshore-Windparks in der Nordsee.
Heftige Kritik gegen den Windpark äußerte der WattenRat Ost-Friesland. Mit diesem Projekt verletze Deutschland die EU-Richtlinien für Vogel- und Naturschutz. Dies habe die EU-Kommission bereits im März diesen Jahres in einem Schreiben Außenminister Joschka Fischer (Grüne) mitgeteilt, hieß es in einer Mitteilung des Watten-Rats. "Auch Windkraftanlagen müssten sich als gigantische Industrieanlagen eine Bewertung ihrer Auswirkungen auf Natur und Landschaft gefallen lassen." Sie seien nicht von vornherein "umweltfreundlich". Der Windpark sollte ursprünglich bereits im September 2001 offiziell eröffnet werden. Der Termin wurde aber nach den Anschlägen vom 11. September abgesagt. Die Schirmherrschaft für den größten Windpark Europas hatte Gerhard Schröder noch als Niedersächsischer Ministerpräsident übernommen. Niedersachsens Ministerpräsident Gabriel sagte, es dürfe keine Eifersüchteleien unter den niedersächsischen Hafenregionen und Bremerhaven geben.
"Der Kuchen ist so groß, dass alle etwas abkriegen", sagte Gabriel mit Blick auf zu erwartende Umschlagszahlen und die Versorgung künftiger Offshore-Anlagen.

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