Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 323 (Dezember 2009)

Emsschlick in den Dollart ist vom Tisch

Billige Baggerdeponie im "Welterbe" Wattenmeer bei Pogum ausgeguckt

Als "Pilotprojekt" wollte Umweltminister Sander "unabhängig vom Planfeststellungsverfahren" Baggerschlick aus der Außenems in die Salzwiesen der strengsten Schutzzone im Dollart des "Welterbes" Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer einbringen lassen. Dieser erneute schwere Eingriff in den Nationalpark Wattemmeer wurde mit dem Totschlagargument "Küstenschutz" verkauft. Von den "anerkannten" Naturschutzverbänden hatte sich dazu der Regionalverband Ostfriesland des NABU geäußert, und kam prompt von der Ostfriesen Zeitung dafür einen auf die Mütze. Nun ist diese Sander-Nummer vom Tisch, es hat sich wohl bis ins Umweltministerium herumgesprochen, dass die Salzwiesen im internationalen Schutzgebiet Wattenmeer keine Schlickdeponien sein können. Dieser Umweltminister ist schlicht eine Zumutung für die "Umwelt", er weiß offenbar genau, dass er die klagebefugten Naturschutzerbände NABU und BUND über die Abhängigkeit von der Projektförderung in der Hand hat, siehe das Beispiel Ems-Sommerstau. Diese Überschlickung könnte für das Wattenmeer das werden, was für Dresden die "Feldschlösschenbrücke" war: Die Aberkennung des Welterbetitels. In diesem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gibt es bereits viele solcher "Feldschlösschenbrücken"!

Luftbild Dollart bei Pogum, Foto: © Wattenrat

Ostfriesen Zeitung, 05.Dez. 2009:

Vorschlag der Deichacht ist passé

von Michael Mittmann

Pogum/Dyksterhusen - Die Überlegungen, im Deichvorland am Dollart zwischen Pogum und Dyksterhusen Baggergut aus der Ems aufzuspülen, sind im Umweltministerium in Hannover vom Tisch. Das teilte Pressesprecherin Jutta Kremer-Heye gestern auf Nachfrage der OZ mit.

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Nach den Worten von Pressesprecherin Kremer-Heye ist das Vorhaben unter anderem aus Gründen des Naturschutzes nicht genehmigungsfähig. Es habe darüber ein Gespräch mit der Deichacht gegeben. Mehr könne sie derzeit nicht zu dem Thema sagen. Auch Oberdeichrichter meint Hensmann will sich zurzeit nicht weiter äußern.

Die Naturschützer des Verbands Nabu hatten in einer Pressemitteilung behauptet, der Küstenschutz sei nur ein Vorwand. Es gehe vielmehr darum, die Kosten für die Ausbaggerung der Ems niedrig zu halten.

Ostfriesen Zeitung, S.13, 29. August 2009:

Bund sucht für Schlick neue Plätze an Land

Zwei Jahre später soll mit dem Ausbau des Emder Fahrwassers begonnen werden. "Das ist ein sehr sportlicher Zeitplan", finden die Planer.

SCHIFFFAHRT Das Verfahren für die Vertiefung der Außenems wird im Sommer 2010 eingeleitet

VON HEIKO MÜLLER

EMDEN - Das Emder Wasserund Schifffahrtsamt (WSA) will im Sommer des nächsten Jahres das Planfeststellungsverfahren für die Vertiefung der Außenems einleiten. Die Bundesbehörde hofft, im Jahr 2012 mit dem Ausbau des Emder Fahrwassers beginnen zu können. "Das ist ein sehr sportlicher Zeitplan", sagte Projektleiter Tobias Linke am Donnerstag im Emder Ratsausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt. Es ginge "nur ohne Nebenkriegsschauplätze". Der Planer bezog diese Feststellung auf die zentrale Frage, wohin der Schlick der Emsvertiefung und aus künftigen Baggerungen soll. Das WSA favorisiert nach wie vor die bereits existierenden Spülfelder im Wybelsumer Polder.

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Als weitere Möglichkeit nannte Linke die vom Oberdeichrichter der Rheider Deichacht, Meint Hensmann, vorgeschlagene Lösung, einen Teil des Schlicks aus der Außenems auf das Deichvorland zwischen Dyksterhusen und Pogum zu spülen. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) will diese Idee unabhängig vom Planfeststellungsverfahren für die Emsvertiefung als Pilotprojekt für den Küstenschutz umsetzen.

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Pressemitteilung, NABU-Ostfriesland, 30.Okt. 2009:

NABU Ostfriesland tagt in Wiegboldsbur

Kite-Surfer-Zonen und Schlickaufspülung im Deichvorland bei Pogum werden abgelehnt

Wiegboldsbur. - Zu einer Tagung des NABU-Regionalverbandes Ostfriesland kamen am Mittwoch 19 Vertreter aus den neun ostfriesischen Gruppen auf dem NABU-Woldenhof in Wiegboldsbur zusammen. Zentrale Tagesordnungspunkte waren unter anderem die Verabschiedung von Positionen zum Thema Kite-Surfen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer sowie zur von der Rheider Deichacht ins Spiel gebrachten Entsorgung von Schlick im Pogumer Deichvorland.

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Auch die Pläne zur Deponierung des Emsschlicks im Deichvorland bei Pogum stößt auf den entschiedenen Widerstand des NABU. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass ausgerechnet einer der vogelreichsten Bereiche des Dollart leichtfertig zerstört wird." betont Uwe Schramm von der NABU-Kreisgruppe Emden.

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Ostfriesen Zeitung, Teil Leer, S.28, 05.Nov. 2009:

Behörde prüft Vorschlag der Deichacht

Die Naturschützer von Verband Nabu sind wegen der möglichen Gefährdung der Vogelwelt dagegen. Es gehe nur um einen Vorwand, Ausbaggerungen kostengünstiger hinzukriegen.

von Michael Mittmann

KÜSTENSCHUTZ Baggergut könnte im Vorland zwischen Pogum und Dyksterhusen angespült werden

POGUM/DYKSTERHUSEN - Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) überprüft jetzt, ob und wie es möglich ist, Sand und Schlick aus Emsbaggerungen im Deichvorland am Dollart zwischen Pogum und Dyksterhusen anzuspülen. Das teilte Oberdeichrichter Meint Hensmann von der Rheider Deichacht gestern auf Nachfrage der OZ mit. Die Behörde habe den Auftrag dazu vom niedersächsischen Umweltministerium bekommen.

Den Vorschlag, das Deichvorland am Dollart zu verstärken, hatte Hensmann Anfang September bei einem Besuch der Leeraner CDUBundestagsabgeordneten Gitta Connemann bei der Deichacht gemacht (die OZ berichtete). Die Begründung: Schon jetzt habe sich die Fließgeschwindigkeit der Ems von 2,5 auf vier Knoten erhöht. Bei weiteren Vertiefungen werde sie weiter steigen. Das Deichvorland sei auf der 3,5 Kilometer langen Strecke am Dollart zwischen Pogum und Dyksterhusen ziemlich schmal und könne bei Sturmfluten somit leicht überspült werden.

Die Naturschützer des Verbands Nabu haben sich dagegen auf einer Regionalverbandstagung in Wiegboldsbur (Landkreis Aurich) gegen den Vorschlag von Hensmann ausgesprochen. Die Deichsicherheit sei nur ein Vorwand, so der Nabu in einer Pressemitteilung. Es gehe vielmehr darum, die geplante Ausbaggerung der Fahrrinne kostengünstiger hinzubekommen, so der neu gewählte Sprecher des Nabu Ostfriesland, Uwe Schramm. Das betroffene Gebiet sei eines der vogelreichsten am Dollart. Unter anderem gebe es dort eine Brutkolonie mit etwa 150 Paaren Säbelschnäbler.

Selbst Landrat Bernhard Bramlage habe die Deiche bei Pogum als überdimensioniert bezeichnet. Sie würden einen Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter aushalten. Das habe der Landrat so nicht gesagt, betont Kreissprecher Dieter Backer. Bramlage habe nur unterstrichen, die Deiche seien zurzeit sicher.[...]

Wasservögel im südlichen Dollart auf den ursprünglich geplanten Überschlickungsflächen,
Foto: © Wattenrat

Ostfriesen Zeitung, Teil Leer, 05.Nov. 2009:

KÜSTENSCHUTZ

KOMMENTAR VON MICHAEL MITTMANN

Ein ziemlich schweres Geschütz fahren die Naturschützer des Nabu gegen die Küstenschützer der Rheider Deichacht auf. Es gehe ihnen gar nicht um den Küstenschutz. Vielmehr handele es sich um ein Täuschungsmanöver, um die weitere Ausbaggerung der Ems etwas billiger hinzukriegen, sagt Nabu- Sprecher Uwe Schramm. Das ist, vorsichtig ausgedrückt, schlechter Stil.

Wie will man mit der Deichacht noch im Gespräch bleiben, wenn man sie diffamiert, etwas ganz anderes zu wollen, als ihrer Aufgabe, dem Küstenschutz, gerecht zu werden? Unter vernünftigen Menschen geht man so nicht miteinander um. Vielleicht greift der Nabu aber auch deshalb zum Holzhammer, weil ihm in der Auseinandersetzung die Argumente ausgegangen sind. Dazu gehört auch, dass Nabu-Sprecher Schramm Landrat- Bramlage Äußerungen so in den Mund legt, wie sie ihm am besten in den Kram passen. Dem Naturschutz ist durch Unwahrheiten jedenfalls nicht geholfen.

Ostfriesen Zeitung, S.22, Teil Rheiderland, 12.Nov. 2009:

Leserbrief

Nabu sollte sich nicht desillusionieren lassen

Zum Kommentar "Schweres Geschütz" in der OZ vom 5. November über die Ablehnung des Naturschutzbundes, bei Pogum Sand und Schlick anzuspülen, schreibt EILERT VOß aus Widdelswehr.

Der Kommentator Michael Mittmann und die beteiligten Akteure der geplanten Zerstörung der Dollart-Vorländer zwischen Pogum und Dyksterhusen verkennen den Auftrag der Unesco, das Dollartgebiet als Naturraum zu achten und nur noch Baumaßnahmen zuzulassen, die keine Verschlechterung des international wichtigen Brackwassergebietes bedeuten.

Der Dollartdeich ist nicht gefährdet! Deichbruchängste wegen der 1962er-Flutkatastrophe zu schüren, ist unlauter. Seeseitig existiert ein fester Steindamm mit Wellenbrecherfunktion. Ihn beizeiten um einige Dezimeter zu erhöhen oder den Deichfuß des Dollartdeiches massiver zu gestalten, sind der richtige Weg, das Naturgebiet für die Tier- und Pflanzenwelt zu erhalten und gleichzeitig Deichschutz zu gewährleisten. Die Sache hat nur einen Haken: Deichbefestigungen mit steinernem Deckwerk sind teurer, als den kostenlos gelieferten Abfallstoff Emsschlick für den gleichen Zweck zu missbrauchen.

Wenn Deichgraf Hensmann und das NLWKN mit der im südlichen Dollartabschnitt praktizierten radikalen Vorlandbegrüppung das Naturerbe mit Füßen treten, ist das traurig. Wenn Umweltminister Hans- Heinrich Sander und Peter Südbeck (Nationalparkverwaltung) beim Überschlickungsprojekt der Salzwiesen "grünes Licht" geben, ist das ein internationaler Skandal, der an die Tragweite der sogenannten Feldschlösschenbrücke in Dresden erinnert.

Der Nabu ist gut beraten, sich vom peinlichsten Umweltminister aller Zeiten nicht desillusionieren zu lassen und die Weltgemeinschaft von den Pogumer Planungen in Kenntnis zu setzen und gegen das Projekt zu klagen.

 
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