Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 307 (Januar 2009)
Lex Meyer an der Ems: EU-Vogelschutzgebiet Emsmarschen Leer-Emden "maßgeschneidert" für die Meyer Werft
Fehlgeburt eines Schutzgebietes im Kreistag von Leer
Nun werden für die Meyer Werft in Papenburg Nägel mit Köpfen gemacht: Das bisherige faktische EU-Vogelschutzgebiet "Emsmarschen von Leer bis Emden", "Besonderes Schutzgebiet" (BSG) nach der EU-Vogelschutzrichtlinie, wurde in nationales Recht überführt, und kam dabei prompt unter die Räder der regionalen Wirtschaftsinteressen. Der Kreistag in Leer stimmte im Januar 2009 mehrheitlich, aber nicht einstimmig, für die Ausweisung eines "Naturschutzgebietes", das den Namen mit der vorliegenden Verordnung nicht verdient.
Foto: Eilert Voß
Die vorauseilende gehorsame Verabschiedung der Naturschutzverordnung "Naturschutzgebiet Emsauen zwischen Ledamündung und Oldersum" (pdf-Datei, ca. 75 KB) durch den Landkreis Leer als Lex-Meyer erlaubt nun das Aufstauen des Flusses in der Brutzeit, um die riesigen Schiffe der Papenburger Werft an das seeschifftiefe Wasser zu überführen. Der Paragraf 7 der Schutzverordnung macht es möglich: "Eine Befreiung zur Realisierung von Projekten kann erteilt werden, wenn sie sich im Rahmen der Prüfung nach § 34 c (1) NNatG als mit dem Schutzzweck dieser Verordnung vereinbar erweisen oder die Voraussetzungen des § 34 c Abs. 3 und 5 NNatG erfüllt sind."
Trickreich hat das Planungsbüro IBL-Umweltplanung in Oldenburg den Sommerstau der Ems mit seiner Verträglichkeitsprüfung nach dem Bundesnaturschutzgesetz als "mit dem Schutzzweck vereinbar" begutachtet, Begründung: Es gäbe kaum noch Bruterfolge an der Ems. In Berichterstattung in der Ostfriesen Zeitung (Bericht ganz unten) ist davon nichts zu lesen, da klingt alles ganz unverfänglich.
Schon 2008 wurde der sog. "Probestau" (siehe auf unseren Seiten vom Juli 2008: "Ems: NLWKN genehmigt 'Probe'-Sommerstau für die Meyer Werft") durchgeführt, eine Wortschöpfung des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (!), praktischerweise Antragsteller und Genehmigungsbehörde in einem. Es wurde passend gemacht, was eigentlich verboten ist, der (noch) geltenden Planfeststellungsbeschluss sieht den Aufstau nicht vor. Aber auch das soll sich ändern: Parallel mit der Ausweisung der Meyer-freundlichen Naturschutzverordnung wird am 11. Februar ein nichtöffentlicher Erörterungstermin zur Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zur Legalisierung von Sommerstaus für die Meyer-Schiffe in Leer stattfinden. Die zuständige Planfeststellungsbehörde ist wiederum der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Es ist kaum anzunehmen, dass der Termin ergebnisoffen verlaufen wird, auch hier führt die Landespolitik zusammen mit Werft-Chef Meyer die Regie.
Die vom Land beauftragten Gutachter von IBL-Umweltplanung haben sich nicht mit Ruhm bekleckert; das Planungsbüro ist bekannt dafür, dass es sich gerade bei schwierigen Projekten mit Auswirkungen auf die Umwelt engagieren lässt, um es vorsichtig auszudrücken. Es kommt bei der EU-rechtlichen Überprüfung immer auf den kleinen, aber entscheidenden Satz in der Verträglichkeitsprüfung an: "Keine erhebliche Beeinträchtigung", und die EU-Kommission schluckt dann diese Verbalakrobatik in der Regel klaglos. Papier ist geduldig, was nicht passt, wird mit diesem Satz passend gemacht.
Zweifellos hat das Land Niedersachsen als Erfüllungsgehilfe der Meyer Werft im Text der Verordnung die Feder geführt. Das wird in der Brutzeit auch hochgradig bestandsbedrohten flugunfähigen Jungvögeln der Ems-Marschen den Tod durch Ertrinken bringen. Der Erhaltungszustand des Schutzgebiets mit der im wahrsten Sinne Aufweichung des gebotenen Habitatschutzes wird dadurch verringert, und das ist laut Natura-2000-Richtlinien nicht zulässig, Politik und Verwaltung aber offensichtlich wurscht. Die Jagd wurde ebenfalls im Schutzgebiet zugelassen, für die Öffentlichkeit ist das Gebiet außerhalb der Wege aber gesperrt. Von der zulässigen Möglichkeit, hier einen von der Jagd "befriedeten Bezirk" einzurichten, wurde kein Gebrauch gemacht.
Flugunfähiges Säbelschnäblerküken sucht Deckung Foto: Onno K. Gent
Seit Januar 2008 sind die Landkreise und kreisfreien Städte für die Umsetzung der Natura-2000-Richtlinien in nationales Recht zuständig, mit allen absehbaren negativen Folgen. Damit wird der europäische Naturschutz zum Spielball lokaler Tagesinteressen. Hier wurde ein Schutzgebiet an die Interessen der Meyer Werft und der Jäger angepasst, das hat nichts mehr mit fachlichem Naturschutz zu tun! Nun kommt es auf die EU-Kommission und die "anerkannten" Naturschutzverbände im Lande an, um diese staatlich initiierte Fehlgeburt eines Schutzgebietes ggf. auf dem Klagewege zu stoppen. Das Vertrauen in diese Verbände ist an der Ems wegen der Erfindung des "Meyer-Kanals" parallel zur Ems durch BUND und WWF ohne vorherige Rücksprache mit den örtlichen Gruppierungen nicht allzu groß.
Rohrweihe beim Nestbau, Hatzumer Sand/Ems Foto: Eilert Voß
Merke: Artenschutz ist der Politik nur dann wichtig, wenn er auf internationalen Konferenzen medial zelebriert wird. Streng geschützte Brutvögel indes werden an der Ems ganz lautlos beim Sommerstau für eine Werft ersaufen. Politik ist immer Wirtschaftpolitik, der Steuerzahler kommt an der Ems dabei überwiegend für die infrastrukturellen Überführungskosten der Meyer Werft auf. Die fachlich korrekte Anwendung von nationalem und europäischem Naturschutzrecht ist offensichtlich stets bieg- und vernachlässigbar, von solchen Politikern werden wir regiert! Der verantwortliche niedersächsische Ministerpräsident Wulff wurde, ganz nebenbei, von nur 25 Prozent aller Landtagswahlberechtigten am 27. Januar 2008 in sein Amt gewählt: Chimäre Demokratie, an der Ems eindrucksvoll erlebbar.
Wir zitieren aus:
Der Wecker, Sonntagszeitung für den Landkreis Leer, 01. Februar 2009:
Emsauen: Schutz gelockert
Das bisherige EU-Vogelschutzgebiet wurde zum Naturschutzgebiet. Damit machte der Kreistag Leer den Weg für Emsstaus im Sommer frei. Von Doris Zuidema
KREIS LEER. Mit 39 Ja-und acht Gegenstimmen beschloss der Kreistag Leer am Mittwoch die Ausweisung eines Naturschutzgebietes "Emsauen zwischen Ledamündung und Older-sum" in den Gemeinden Westoverledingen, Jemgum, Moormerland und der Stadt Leer. Damit werden die bisher geltenden, wesentlich strengeren Bestimmungen gelockert. Denn bislang waren die Emsauen faktisch ein Vogelschutzgebiet nach EU-Richtlinien. Maßnahmen jedweder Art durften nicht einmal überprüft werden. Das ist jetzt anders.
Jenny Daun, Baudezementin beim Landkreis Leer, erläuterte, man habe diese EU-Richtlinie nun in nationales Recht umgesetzt, um sie für die Region maßzuschneidern und damit insbesondere die Belange der Landwirte in diesem Gebiet stärker berücksichtigen zu können. Den Vorteil für die Landwirte durch klarere Regelungen erkennen auch die Kritiker an. Der wahre Hintergrund für die Ausweisung als Naturschutzgebiet und die damit verbundende Lockerung der Bestimmungen sei aber das laufende Verfahren um eine Genehmigung für Sommerstaus der Ems. So hatten sich im vergangenen Frühjahr Staatssekretäre und andere hochrangige Vertreter des Wirtschafts-, des Landwirtschafts- und des Umweltministeriums in Leer getroffen, um die Ausweisung zum Naturschutzgebiet auf den Weg zu bringen -gleich nachdem das Gebiet seit 1. Januar 2008 in den Zuständigkeitsbereich der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises gefallen war.
Zuvor waren die Emsauen von der Bezirksregierung und nach deren Auflösung vom Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit Sitz in Norden verwaltet worden. Darauf, dass die Kreisverwaltung bei der Ausweisung des Gebietes nicht in erster Linie Natur und » Umwelt im Auge hat, deuten zwei weitere Faktoren hin. Zum einen gibt es zwar ganz viele klare Regelungen für Landwirte, aber kaum Einschränkungen für Jäger. Zum anderen sieht sich die Kreisverwaltung nicht in der Lage zu verhindern, dass zigtausende Menschen über den Deich trampeln, wenn die Luxusliner der Meyer-Werft überführt werden. Dann -so eine Kritikerin - werde das neue Naturschutzgebiet Emsauen im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten.
Ostfriesen Zeitung, 02. Februar 2009:
Kreistag stellt Emsufer unter Naturschutz
Für die Landwirte ändere sich dadurch nichts, betont Kreis-Baudezernentin Jenny Daun. Die Flächen, um die es geht, würden ohnehin nur extensiv genutzt.
Leer - Mit 39:8 Stimmen quer durch die Fraktionen hat der Kreistag in der vergangenen Woche beschlossen, das Naturschutzgebiet "Emsauen zwischen Ledamündung und Oldersum" auszuweisen. Dazu gehören Außendeichsflächen in den Gemeinden Jemgum, Westoverledingen und Moormerland sowie in der Stadt Leer.
Mit diesem Beschluss setze der Landkreis Recht der Europäischen Union in nationales Recht um, sagte Kreis-Baudezernentin Jenny Daun auf Nachfrage der OZ. Seit dem Jahr 2002 habe es sich bei den Außendeichsflächen um ein EU-Vogelschutzgebiet gehandelt. Jetzt fielen die Flächen unter die weniger strenge Bewertung der so genannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH).
Für das EU-Vogelschutzgebiet gebe es eine völlige Veränderungssperre, so die Kreis-Baudezernentin. Das bedeutet, dass es keinerlei Möglichkeiten gibt, etwa Wege anzulegen oder Gräben zu ziehen. Bei einem FFH-Schutzgebiet dagegen seien entsprechende Veränderungen grundsätzlich möglich, sofern sie mit den Bestimmungen des Naturschutzes sowie den Erhaltungs- und Entwicklungszielen vereinbar seien. "Die Landwirte dürfen im Schutzgebiet weiter so wie bisher wirtschaften", betont Jenny Daun. Im Übrigen würden die Außendeichsflächen, um die es gehe, ohnehin nur extensiv genutzt: Sie würden nicht systematisch beweidet, gemäht oder gar gedüngt.
Insofern gehe es in diesem Fall mit der Einrichtung eines FFH-Schutzgebiets um eine rein formale Angelegenheit. "Wichtig ist aber, dass wir jetzt eine Verordnung haben, wo man reingucken kann", sagt die Kreis-Baudezernentin.
Zwei kleinere Flächen im Nendorper und auf der anderen Emsseite im Petkumer Deichvorland wurden schon vor längerem zu Naturschutzgebieten erklärt. Der Kreis ist seit dem vergangenen Jahr als Behörde für die Ausweisung von Naturschutzgebieten zuständig.