Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 288 (Juli 2008)
Ems: NLWKN genehmigt "Probe"-Sommerstau für die Meyer Werft
Gutachterbüro streicht Bruterfolge weg, Landrat will rechtliche Restriktionen aufheben, EU-Vogelschutzgebiet ohne Schutz
"Natürlich würden durch den Sommerstau Brutflächen überflutet und Gelege zerstört, so Wolfgang Herr. ´Aber das sind Flächen, auf denen es so gut wie nie einen Bruterfolg gibt´, sagte der Geschäftsführer des vom Landkreis beauftragten Oldenburger Planungsbüros IBL."
Brutvogel Säbelschnäbler
So einfach ist das: Was nicht passt, wird passend gemacht. Der geltende Planfestellungbeschluss verbietet das Aufstauen der Ems, um die Brutvögel mit deren Gelegen oder flugunfähigen Jungvögeln in den Vorlandbereichen der Ems nicht zu gefährden, in einem EU-Vogelschutzgebiet! Das Planungsbüro IBL Umweltplanung in Oldenburg ("20 Jahre Planungs- und Beratungskompetenz im Auftrag von Mensch und Natur"), immer gerne wieder von staatlichen Stellen beauftragt, um das Unmögliche möglich zu machen, streicht die Bruterfolge einfach weg, und schon könnte es EU-konform laufen mit dem Sommerstau: Wo keine Vögel beeinträchtigt werden, liegt auch kein Eingriff vor.
Lachmöwenkolonie
Und der Landrat des Landkreises Emsland stößt in gleiche Horn und macht sich als gewählter Hauptverwaltungsbeamter aller Bürgerinnen und Bürger zum Sprachrohr für die Meyer-Werft:
"´Wir müssen die Rahmenbedingungen für die Meyer-Werft verbessern´, sagte Landrat Bröring. Das Papenburger Schiffbauunternehmen konkurriere weltweit auf einem Markt, auf dem es nur noch vier Hersteller von großen Kreuzfahrtschiffen und drei Interessenten für solche Schiffe gebe: ´Die erwarten von den Werften, dass jeder Abgabetermin eingehalten werden kann.´ Restriktionen wie das Sommerstauverbot müssten deshalb aufgegeben werden, erklärte Bröring."
Mit dieser Salamitaktik der Vertiefungen, dem Bau des Ems-Stauwerks (gerne als "Küstenschutzbauwerk" verkauft) und des Sommerstaus soll die Ems endgültig zum Meyer-Kanal werden, mit Hilfe des Landes Niedersachsen, des Landkreises Emsland und eines Planungsbüros, das sich engagieren lässt statt sich zu engagieren.
Bemerkenswert: Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) ist gleichzeitig Antragsteller und Genehmigungsbehörde des Sommerstaus, und auch die Fachbehörde für den Naturschutz im Lande, Verwaltung aus einem Guss, das war politisch von der CDU-FDP-Landesregierung so gewollt.
Am 18. Juli 2008 wurde der "Probestau" vom NLWKN genehmigt: eigentlich illegal, denn dafür müsste der geltende Planfestellunsbeschluss geändert werden, der Begriff "Probestau" ist eine Erfindung. Mit einer neuen Wortschöpfung für die Interessen der Meyer-Werft kann man geltendes Planungsrecht einfach außer Kraft setzen.
Wir zitieren den NLWKN:
Herausgeber: Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Probestau der Ems mit strengen Auflagen genehmigt
18. Juli 2008 // Stau wird abgebrochen, wenn Fischfauna gefährdet ist
Verändert sich der Sauerstoffgehalt in der Ems, wenn der Fluss im Sommer oder im Herbst länger als zwölf Stunden aufgestaut wird? Um dies herauszufinden, wird der Gewässerkundliche Landesdienst beim NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) in Aurich im August und September einen Probestau durchführen, der jeweils maximal 37 Stunden dauern darf. Ein entsprechender Antrag wurde jetzt mit strengen Auflagen genehmigt. Bisher ist im Planfeststellungsbeschluss geregelt, dass ein Einstau der Ems von mehr als 12 Stunden nur begonnen werden darf, wenn der Sauerstoffgehalt im Fluss mehr als sechs bzw. fünf Milligramm pro Liter beträgt. Diese Werte sind gewöhnlich nur im Winterhalbjahr zu erwarten; ein längerer Sommerstau war damit praktisch ausgeschlossen.
Der Hintergrund des Probestaus: Für künftige Schiffsüberführungen im Sommer und im Herbst soll geklärt werden, ob auch bei längeren Stauzeiten im Sommer mit stabilen Sauerstoff- und Gewässergütewerten geplant werden kann. Bei den bisherigen 13 Schiffsüberführungen wurden keine negativen Veränderungen dokumentiert - einerlei, ob sie im Sommer- und im Winterhalbjahr stattgefunden haben. Längere Stauzeiten auch im Sommer würden eine größere Flexibilität und Sicherheit für künftige Schiffsüberführungen, teilweise eine Verringerung von Baggerungen und insoweit auch eine Verbesserung der Schwebstoff- und Sauerstoffverhältnisse der Ems mit sich bringen.
"Die Direktion des NLWKN als zuständige Genehmigungsbehörde hat den Antrag nun nach sorgfältiger Prüfung und Abwägung genehmigt, allerdings unter strengen Auflagen, die vor allem die Stauzeit und die umfangreichen Untersuchungen während der Probestaus betreffen", sagte Dorothea Klein von der NLWKN-Direktion in Oldenburg. Ganz wichtig: Der Probestau muss abgebrochen werden, wenn an der Messstation Terborg über einen Zeitraum von sechs Stunden die Sauerstoffwerte unter 1,5 mg pro Liter fallen, damit eine Gefährdung der Fischfauna vermieden wird. Statt der beantragten 52 Stunden darf der Probestau auch nur maximal 37 Stunden dauern. "Insgesamt ging es bei der Ausgestaltung der Probestaus darum, das wichtige Interesse an zusätzlichen Erkenntnissen über die Sauerstoffentwicklung während eines Sommerstaus mit den Belangen des Naturschutzes und der Schifffahrt unter einen Hut zu bringen".
Der erste Probestau wird nun vom 16. bis 18. August stattfinden; der zweite Probestau ist im Rahmen einer Schiffsüberführung geplant und soll voraussichtlich am 27. September vormittags beginnen. Dabei geht es nur darum, die Ems länger einzustauen als bisher im Sommer vorgesehen, an der im Sperrwerksbeschluss jeweils zugelassenen Stauhöhe ändert sich nichts.
Beide Probestaus werden von umfangreichen Untersuchungen begleitet: Vor und während des Staus wird u.a. die Sauerstoffkonzentration der Ems gemessen und dokumentiert. Ausgewertet werden die vorhandenen elf Messstationen, die alle fünf Minuten per Datenfernübertragung die Werte übermitteln. Dokumentiert werden u.a. der Salzgehalt, der Sauerstoffgehalt und die Wassertemperatur. Außerdem wird das Meyer-Schiff beim zweiten Probestau von einem Messschiff begleitet; ein zweites Messschiff wiederholt zwei Stunden die Messungen. Darüber hinaus findet ein sogenanntes biologisches Monitoring statt, bei dem durch Befischungen und Probenahmen vor, während und nach den Probestaus die Auswirkungen auf die Fische und die am Gewässerboden lebenden Wirbellosen (Makrozoobenthos) beobachtet werden.
Zur Kritik der Umweltverbände, der NLWKN genehmige sich seine Anträge selber, sagte Klein: "Für uns als Genehmigungsbehörde ist allein wichtig, alle Belange sorgfältig abzuwägen und letztendlich eine gerichtsfeste Entscheidung vorzulegen".
Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, 10. Juli 2008:
Antrag für Sommerstau in zwei Kartons
Zunächst soll es zwei Probestaus gegeben. Dabei sollen wichtige Erkenntnisse für den Hauptantrag gewonnen werden.
Papenburg - Die Ems soll das ganze Jahr über für die Überführung der großen Kreuzfahrtschiffe der Papenburger Meyer-Werft bis auf 8,50 Meter Tiefgang aufgestaut werden können. Das strebt der Landkreis Emsland an und verfolgt dabei eine Art Doppelstrategie. Landrat Hermann Bröring stellte sie gestern im alten Kreishaus in Aschendorf vor.
In diesem Jahr seien mit Hilfe des Sperrwerks bei Gandersum zwei Probeaufstauungen der Ems vorgesehen, von denen man sich viele wichtige Erkenntnisse und Daten verspreche. Diese sollen bei der vorgesehenen Antragstellung noch berücksichtigt werden. "Deshalb haben wir unseren Antrag gesplittet", erläuterte der Landrat.
Gesondert werden zunächst zwei Aufstauungen um jeweils 2,20 auf acht Meter für zwei Schiffsüberführungen im Juni 2009 und im Juli 2011 beantragt. Gleichzeitig erhält der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) den Hauptantrag für generelle Sommerstauungen, der aber vorerst auf Eis liegen soll.
Die Antragsunterlagen für den NLWKN : zwölf dicke Ordner in zwei Kartons hatte der Landrat gleich mitgebracht. Bröring: "Bei der ersten Emsvertiefung genügte noch ein Karton."
Nach jetziger Rechtslage darf die Ems zur Überführung von Meyer-Schiffen nur im Winter um 2,70 Meter auf einen Tiefgang von 8,50 Metern gestaut werden. Im Sommer ist das mit Rücksicht auf die Natur nicht erlaubt. Das wollen die anliegende Landkreise ändern lassen.
"Wir müssen die Rahmenbedingungen für die Meyer-Werft verbessern", sagte Landrat Bröring. Das Papenburger Schiffbauunternehmen konkurriere weltweit auf einem Markt, auf dem es nur noch vier Hersteller von großen Kreuzfahrtschiffen und drei Interessenten für solche Schiffe gebe: "Die erwarten von den Werften, dass jeder Abgabetermin eingehalten werden kann." Restriktionen wie das Sommerstauverbot müssten deshalb aufgegeben werden, erklärte Bröring. Denn die Bedeutung der Werft für das Wohlergehen der ganzen Region sei nicht zu unterschätzen, betonte der Landrat. Direkt und indirekt hingen rund 13 450 Arbeitsplätze von dem Unternehmen ab.
Natürlich würden durch den Sommerstau Brutflächen überflutet und Gelege zerstört, so Wolfgang Herr. Aber das "sind Flächen, auf denen es so gut wie nie einen Bruterfolg gibt", sagte der Geschäftsführer des vom Landkreis beauftragten Oldenburger Planungsbüros IBL. Zu dem Thema gibt es heute von 13.05 bis 14 Uhr eine Live-Sendung des Nordwestradios aus Jemgum.
26.06.2008 - Ostfriesen-Zeitung:
Sofortiger Stopp bei niedrigen Sauerstoff-Werten
Gegner bezeichneten die Veranstaltung als "Farce". Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz will eine gerichtsfeste Entscheidung.
Leer - Die Meyer-Werft in Papenburg ist weltweit bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe. Die Auftragsbücher sind voll. Doch um die immer größer werdenden Traumschiffe abliefern zu können, ist häufig nicht genug Wasser in der Ems. Gestaut werden darf der Fluss nach dem gültigen Planfeststellungsverfahren nur im Winter. Die "Celebrity Solstice", das größte bislang in Papenburg gebaute Schiff, soll nun aber schon im Spätsommer ausgeliefert werden. Deshalb hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zwei Probe-Staus : einen im Sommer und einen im Herbst : beantragt, die jeweils über 52 Stunden gehen sollen.
Gestern lief im Ostfriesen-Hof in Leer unter Leitung von Dorothea Klein von der NLWKN-Direktion ein Erörterungstermin, bei jedermann seine Einwände gegen die Probe-Staus vortragen konnte. "Uns liegen 78 Einwände von Naturschutzverbänden, Privatleuten und Trägern öffentlicher Belange vor", listete NLWKN-Sprecherin Herma Heyken auf.
Mit dem Probe-Stau im "kniffeligen Bereich zwischen Papenburg und Gandersum" soll getestet werden, ob sich der Sauerstoffgehalt der Ems bei einem längeren Aufstauen verändert. "Die Ems wird dann dicht gemacht; sie wird zum See", erläuterte Herma Heyken im Gespräch mit der OZ. Auf der Strecke soll es zwölf Mess-Stellen geben. Heyken: "Wenn zum Beispiel bei Terborg der Sauerstoffgehalt unter 1,5 Milligramm pro Liter abfällt, wird der Probe-Stau sofort abgebrochen." Die Werte sollen per Datenfernübertragung alle fünf Minuten erfasst und ausgewertet werden.
Beim NLWKN geht man davon aus, dass der Sauerstoffgehalt der Ems zwar schlecht ist. Er habe sich jedoch bei den bisherigen 13 Probe-Staus, die jeweils über zwölf Stunden gingen, niemals verändert. Die NLWKN-Sprecherin: "Er ist nicht besser, aber auch nicht schlechter geworden." Deshalb erwarte man auch nicht, dass es auch in der 13. oder 14. Stunde eines solchen Staus Veränderungen gibt. Sollte das bei dem für Mitte August beantragten Sommer-Stau aber der Fall sein, dann werde es wohl für alle Zeiten sehr schwierig werden, im Sommer Meyer-Schiffe zu überführen. Herma Heyken: "Denn wenn wir den Sauerstoffgehalt zu stark absinken lassen, würden wir allen Lebewesen im Fluss den Todesstoß versetzen."
Die Naturschutzverbände BUND und WWF fordern allerdings, auf die geplanten Probe-Staus zu verzichten. In einer Pressemitteilung bezeichnet Naturschutz-Referentin Beatrice Claus die Anhörung in Leer als Farce. Vor allem kritisieren die Naturschützer, dass der NLWKN zugleich Antragsteller und Genehmigungsbehörde ist. Die Behörde mache sich "zum Handlanger der Meyer-Werft". So bestehe die Gefahr, dass die Ems ein rechtsfreier Raum werde und alle Naturschutz-Auflagen für den Fluss gekippt würden.
NLWKN-Sprecherin Herma Heyken geht davon aus, dass eine endgültige Entscheidung spätestens Mitte Juli fällt: "Schließlich muss der Probe-Stau auch noch vorbereitet werden." Die Entscheidung der Behörde müsse aber in jeden Fall gerichtsfest sein.