Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 265 (Dezember 2007)
Ems-Stauwerk sorgt für höhere Sturmflutwasserstände
Computer hatten sich verrechnet
Eigentlich soll das sog. Ems-"Sperr"werk nach dem politischen Neusprech ja dem Küstenschutz dienen, obwohl es zum Aufstauen der Ems und zur Überführung der riesigen Muskikdampfer der im binnenländischen Papenburg gelegenen Meyer-Werft gebaut wurde (siehe auf unseren Seiten vom August 2007: "Meyer-Werft in Papenburg macht Druck"). Genau das Gegenteil von "Küstenschutz" ist nun offenbar geworden: Irren ist menschlich, sprachen die Computer, und berechneten Minderhöhen von bis zu 40 cm bei Sturmflutwasserständen und geschlossenem Ems-Stauwerk.
Nun müssen die Emsdeiche angepasst werden, für schlappe 14 Millionen Euro aus dem Steuersäckel. Die Diskrepanz zwischen den damaligen Berechnungen zu den tatsächlichen erhöhten Hochwasserständen wird von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW)also amtlich bestätigt: von rechnerischen 10 cm bis zu realen 50 cm bei Petkum. Zauberlehrlinge oder Ingenieure?
Klaglos nimmt der Klüngel aus Politik, Verwaltung und Küstenschützern hin, das mit 14 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln alles wieder im Lot ist. Nimmt irgendwer irgendwen in Regress? Beispielsweise den Herrn ehemaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD), der für das Ems-Stauwerk politisch verantwortlich ist und jetzt im Dienst des russischen "lupenreinen Demokraten" Putin sein Alters-Zubrot verdient? Oder bezahlt das Werft-Chef Bernhard Meyer in Papenburg, der einzige Nutznießer des Stauwerkes? Wer bezahlt die Kosten für die niederländischen Nachbarn am Dollart, wo die Flutwasserstände ebenfalls gestiegen sind? Wer regiert in diesem Lande eigentlich für wen?
Aber auch nach diesem Skandal werden amtlich weiter die Fakten "geschönt": Die Pressemitteilung von Herma Heyken, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), verbreitet exakt die halbe Wahrheit, im wahrsten Sinne des Wortes! In Emden (Petkum und Pogum) liefen die höheren Fluten beim geschlossenen Stauwerk um 50 cm höher auf, nicht um 25 cm! Im Emder Außenhafen waren es 25 cm.
Pressemitteilung des NLWKN
Deiche an der Ems werden für 14 Millionen Euro erhöht
17. Dezember 2007 // Geschlossenes Sperrwerk verursacht einen um 25 cm höheren Wasserstand
Die Deiche an der Ems im Rheiderland und im Moormerland sowie die Deiche von Borssum bis zur Knock werden in den kommenden Jahren erhöht, die Landesregierung wird dafür die notwendigen rund 14 Millionen Euro bereit stellen. Erstmalig wird dabei der erhöhte Zuschlag zur Berücksichtigung der Folgen des Klimawandels von 50 Zentimetern berücksichtigt. Diese Zusage machte am Montag Siegfried Popp, Direktor des NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz). Anlass war die Präsentation der Ergebnisse aus dem Gutachten der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW).
Der NLWKN hatte nach der Allerheiligenflut vom 1. November 2006 zugesagt, die Auswirkungen dieser Sturmflut im Emsästuar im Zusammenhang mit der Schließung des Emssperrwerks untersuchen zu lassen. Insbesondere sollten dabei die Wirkung des Emssperrwerkes in Bezug auf die Reflexion der Sturmflutwelle am Sperrwerk bei dieser Sturmflut sowie deren Folgen für die Sturmflutwasserstände im Emsästuar nachvollziehbar analysiert werden. Die BAW hat die wasserbauliche Systemanalyse der Sturmflut nunmehr abgeschlossen; die Ergebnisse wurden am Montag in Gandersum vorgestellt und diskutiert.
Das Fazit: Das geschlossene Emssperrwerk verursachte bei der extremen Sturmflut am 1. November 2006 bei Emden einen um etwa 25 cm höheren Wasserstand; unterhalb der Knock sind keine Unterschiede mehr feststellbar. Verglichen wurden die aus Messungen abgeleiteten Wasserstandsverläufe bei offenem und geschlossenen Emssperrwerk. Eine weitere Erkenntnis: Wenn das Emssperrwerk geschlossen ist, wird zwar schneller ein höherer Wasserstand im Emsästuar erreicht; allerdings geht es hier nur um zehn Minuten. "Dass diese zeitliche Differenz für das rechtzeitige Reagieren von Einsatzkräften relevant sein kann, ist nur schwer vorstellbar", sagte Popp.
"Wir müssen also annehmen, dass es für die Deiche an der Ems eine höhere Belastung gibt, deshalb werden verschiedene Deichabschnitte erhöht", sagte Popp. Im Bereich der Rheider Deichacht soll eine Deichstrecke von rund vier Kilometern Länge um bis zu 70 Zentimeter erhöht werden (Kosten: rund 3,5 Millionen Euro). Im Bereich der Moormerländer Deichacht sind etwa 4,5 Kilometer Deiche zu niedrig und müssen verstärkt werden (Kosten: drei Millionen Euro). Für die Flügeldeiche am Emssperrwerk ergibt sich ein Nacherhöhungsbedarf von etwa 70 cm (Kosten: rund 650.000 Euro). Rund sieben Millionen Euro sollen für die Erhöhung der ca. 6,5 Kilometer langen Deichstrecke zwischen Borssum und der Knock investiert werden; sie liegen im Bereich der Deichacht Krummhörn.
Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung vom 18.Dez.2007:
Super-Computer gibt den Emdern Recht
Von Heiner Schröder
KÜSTENSCHUTZ - Land zieht Konsequenzen aus Sturmflut-Gutachten und beruhigt die Oberdeichrichter
Noch sind die Untersuchungen nicht abgeschlossen. Ob der Betrieb des Emssperrwerks verändert wird, ist noch offen.
Gandersum - Dr. Harro Heyer machte überhaupt keine Anstalten, irgendwelche Ausreden zu suchen: "Unsere vor zehn Jahren gemachte Prognose war falsch", sagte der Leiter der Abteilung Wasserbau im Küstenbereich der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), als er gestern im Gebäude des Emssperrwerks in Gandersum in das Gutachten zur Allerheiligensturmflut vom 1. November 2006 einführte. So entkräftete er gleichzeitig die oft geäußerte Vermutung, die BAW mache ein Gefälligeitsgutachten für das Land Niedersachsen.
Vor zehn Jahren hatte die BAW errechnet, dass die Wasserstände durch das Schließen des Emssperrwerks im Falle einer Sturmflut im Dollart um bis zu zehn Zentimeter ansteigen. Durch das neue Gutachten stellte sich heraus, dass es bis zu 50 Zentimeter sind. "Wir haben das Volumen unterschätzt", sagte Heyer. Nicht als Entschuldigung, aber als Erklärung fügte er an, dass die Computer vor zehn Jahren noch nicht in der Lage waren, ein Sturmflutgeschehen so genau wie heute nachzubilden. "Unsere jetzigen Rechner haben eine 10- bis 15mal höhere Leistung." Auch diese Super-Computer brauchten teilweise mehr als einen Tag für die Rechenaufgaben, die ihm die BAW-Experten stellten.
Die Hochleistungsrechner gaben den Emdern Recht. In der Stadt waren nach der Allerheiligen-Sturmflut 2006 die Zweifel an der Zehn-Zentimeter-These am stärksten gewesen. Besonders natürlich bei der Reederei AG Ems, die ähnlich wie die Niedersachsen-Ports von den schnell und hoch ansteigenden Fluten überrascht wurde und Schäden in den überschwemmten Gebäuden in Höhe von mehreren hunderttausend Euro erlitten hatte.
Die fast vollzählig erschienen Vertreter der betroffenen Deichachten, Kommunen und Behörden hörten dem Vortrag von BAW-Mitarbeiterin Dr. Elisabeth Rudolph gebannt zu. Die BAW hatte die Sturmflut bis aufs kleinste Detail in einem Computerprogramm nachgebildet und dann mit Hilfe dieses Programms berechnet, wie die Sturmflut ohne das Sperrwerk in der Ems abgelaufen wäre. Die Zuschauer konnten bei einer Animation in zwei Minuten-Schritten verfolgen, wie sich die Wasserstände in den beiden Szenarien entwickelten.
Die Ergebnisse ließen dem Land keine Wahl: Es muss korrigieren und die Deiche in der Emsmündung erhöhen. Wenn der NLWKN schon dabei ist, wird er gleich den von Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) verkündeten Klimazuschlag in Höhe von 50 Zentimetern statt der bislang üblichen 25 bis 30 Zentimeter mit einbauen. So kommt man auf bis zu 70 Zentimeter höhere Deiche.
Einige Fragen blieben noch offen. So glaubt Heiko Albers, Oberdeichrichter der Deichacht Moormerland, dass ein früheres oder späteres Schließen des Emssperrwerks Vorteile bringe. Die BAW will sich darüber noch Gedanken machen. Bereits nachgedacht hat sie über die kommenden Emsvertiefungen. Sie werden sich nach ersten Erkenntnissen nicht auf die Hochwasserstände auswirken, aber genaue Untersuchungen werden auch dazu noch erfolgen, hieß es gestern.
Unterm Strich hat sich das lange Warten auf das Gutachten für die Küstenschützer aber gelohnt: "Ich bin erst mal beruhigt", sagte Giesbert Wiltfang, Oberdeichrichter der Deichacht Krummhörn. Sogar der NLWKN-Kritiker und FDP-Fraktionschef im Emder Rat, Erich Bolinius, war verblüfft, als er lauthals forderte, die Deiche in seinem Heimatort Petkum zu erhöhen, und NLWKN-Direktor Siegfried Popp trocken antwortete: "Machen wir, Herr Bolinius."