Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 242 (September 2007)

Proteste gegen Gasseparationsanlage

David gegen Goliath: Dornum/LK Aurich gegen den Energiemulti Statoil

Der norwegische Energiemulti Statoil und die kleine Gemeinde Dornum im Landkreis Aurich sorgten schon einmal über einen längeren Zeitraum für Schlagzeilen, als im Sommer 1994 die Gasleitung "Europipe" im niedersächsischen Wattenmeer verlegt wurde, durch die strengste Schutzzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Zur öffentlichen Beruhigung wurde damals auf dem letzten Bauabschnitt das Watt vor der Anlandestelle aufwändig untertunnelt: auf 2,663 km. 12,5 km des Watts bis zur Nationalparkgrenze wurden frei ausgebaggert, ca. 9 Millionen cbm Sediment bewegt, was damals zum Verschwinden der gesamten Kleinlebewesen in diesem Bereich führte, in einem Nationalpark! Die vorgesehenen Naturschutzersatzmaßnahmen am angrenzenden Münsterpolder wurden trotz des Planfeststellungsbeschlusses nach Kampagnen der Deichbauer nie realisiert, stattdesssen wurden mit den dafür bereitgestellten Finanzmitteln der Staatsfirma Statoil 2002 auf Langeoog ein Deich mit einem Fahrweg gebaut (siehe auf unseren Seiten vom November 2002: "Pressemitteilung 27. Nov. 2002 Nr. 15/2002" und den Beitrag "Mit schwerem Gerät im Nationalpark in der Brutzeit!" vom April 2004.)

Gasstation

Statoil Gasanlandungsstation in Cankebeer/Dornum

Nun ist Statoil wieder in aller Munde: Aus dem Erdgas, das in Dornum-Cankebeer angelandet wird (siehe obiges Bild), will Statoil Ethan abscheiden und mit einer Pipeline nach Wilhelmshaven leiten, um es dort der Kunststoffproduktion zuzuführen. Der Haken bei der Sache: Für diesen Prozess sollen jährlich in Dornum 250.000 Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen werden, das Produktionsgelände in Cankebeer muss um 16 Hektar erweitert werden, die Fläche liegt mitten in einem EU-Vogelschutzgebiet. Der Landkreis Aurich will dafür kein Raumordnungsverfahren durchführen. Reizwort ist diesmal nicht der Vogelschutz, sondern das Kohlendioxyd. Am 24. Mai 2007 fand nach mehreren Anfragen der Gemeinde Dornum endlich ein Informationstermin in Nesse statt, der für Statoil zunächst zum Waterloo wurde. Der Wattenrat warf den Stein ins Wasser und zitierte ausführlich aus den Antragsunterlagen von Statoil, was in den Presseberichterstattungen allerdings unter die Redaktionstische fiel.

Der Rest wurde zum Selbstläufer: Die Bürger organisierten sich und gründeten eine Bürgerinitiative, mit großer Resonanz, denn der Landtagswahlkampf in Niedersachsen steht bevor. Niedersachsens Ministerpräsident Wulff (CDU) und seine Herausfordere Jüttner (SPD) waren vor Ort; auch der ehemalige Bundesumweltminister Trittin (Bündnisgrüne) besuchte mit einem Tross von grünen Lokalpolitikern die Gemeinde und die BI: "Klima" und CO2 waren das Zeitgeist-Thema, vom EU-Vogelschutzgebiet redete niemand. Statoil indes war nicht bereit, mit Trittin und Tross zu reden, man lud sie wieder aus.

Demo

Demo am 27-08 an der bestehenden Anlage zur Gasanlandung bei Dornum

Inzwischen reaktivierte Statoil seine norwegische PR-Dame Anne-Mettte Fjaerli, die vor mehr als zehn Jahren am gleichen Ort auch die Statoil-Gasleitung Europipe als Wohltat für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer verkaufte. Bei Pressekonferenzen gab es damals halbe Lachsseiten für Journalisten. Die Fischer, die anfangs Häfen blockieren wollten, wurden großzügig abgefunden oder arbeiteten später gar für Statoil. Aus dem Dornumer Ethan-Waterloo will Frau Fjaerli wohl doch noch einen Sieg für Statoil herauskämpfen. Warten wir doch ab, bis die Landtagswahl in Niedersachsen Vergangenheit ist.

Protest

Protest der Bürgerinitiative gegen die Gasseparationsanlage

Wir zitieren aus den Zeitungen, Ostfriesischer Kurier, 31. Aug. 2007:

GASSEPARATIONSANLAGE - Bei Statoil brennt die Fackel

Firma sagt überraschend alle Gespräche mit Politikern ab

DORNUM/FR - "Wir haben ein Problem. Uns ist die Absage des Gespräches mit den Bundestagsabgeordneten nicht leicht gefallen. Wir hätten Herrn Trittin gern unsere Lösung zur Vermeidung von Kohlendioxid- Emissionen bei der geplanten Separationsanlage erläutert." Statoil-Sprecherin Anne-Mette Fjaerli begründete gestern auf Nachfrage die Absage des Gespräches mit den Bundestagsabgeordneten Jürgen Trittin und Thilo Hoppe (Bündnis 90/Die Grünen) mit "kommerziellen Problemen". Was hinter diesem Allgemeinbegriff steckt, wollte Fjaerli nicht näher erläutern.

"Kein Kommentar", hieß es auch zu der Frage, ob die "kommerziellen Probleme" mit dem Unternehmen Ineos in Verbindung stehen. Ineos plant den Bau eines sogenannten Ethan-Crackers in Wilhelmshaven und benötigt dazu das in Dornum separierte Ethan. Fakt ist aber, dass seit gestern bei Statoil in Sachen Gasseparationsanlage offenbar die "Hütte brennt". Das Unternehmen sagte ebenfalls ein für gestern Abend mit der SPD-Ratsfraktion in Dornum anberaumtes Treffen kurzerhand ab. "Wir können nicht weiter über ein Projekt reden, von dem wir noch nicht wissen, ob’s noch kommt. Wenn wir Klarheit haben, wo wir stehen, werden wir die Gespräche nachholen", entschuldigte sich die Firmensprecherin für das ungewöhnliche Vorgehen. Bei den Grünen-Politikern stieß der geplatze Gesprächstermin auf Unverständnis

[...]

Ostfriesen Zeitung, Leer, 26.05.2007:

"Wir wollen das in Dornum nicht"

Von Heidi Janssen

ENERGIE Am geplanten Bau einer Gasseparationsanlage gibt es heftige Kritik

Rund 150 Einwohner der Gemeinde Dornum waren am Donnerstag zu einer Informationsveranstaltung von Statoil und Eon Ruhrgas gekommen.

Neßmersiel - Es begann mit Informationen und endete mit Diskussionen. Am Donnerstagabend in Neßmersiel zeigte sich: Der geplante Bau der Gasseparationsanlage in Nesse stößt in der Gemeinde Dornum auf heftigen Widerstand. Kritik kommt dabei nicht nur von Seiten der Umweltschützer. Die Dornumer haben Angst, vor möglichen Umweltschäden, vor Einbußen im Tourismus, vor einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Und noch eines machte die Informationsveranstaltung im "Sturmfrei" deutlich. Die Menschen in der Gemeinde fühlen sich ohnmächtig.

Statoil-Projektleiter Wilhelm Hillers konnte seinen Vortrag nicht zu Ende bringen. Nach Zwischenfragen entspann sich bereits während seiner Präsentation eine rege Diskussion. Mitglieder des Wattenrates beispielsweise fragten, wie es denn sein könne, dass ausgerechnet die Statoil-Flächen vom Land nicht als Vogelschutzgebiete an die EU gemeldet worden seien. "Da wird doch gekungelt", vermutete Manfred Knake.

Andere Fragen zielten auf den hohen CO2-Ausstoß. Die Anlage wird, sofern sich keine andere Lösung findet, das Treibhausgas unterzubringen, rund 250 000 Tonnen CO2 in die Atmosphäre abgeben. Der Stoff entsteht bei der Trennung von Ethan aus dem Erdgas. "Wir suchen derzeit nach Lösungen", so Hillers. Man stehe in Verhandlungen mit verschiedenen Firmen.

Das CO2 könne dann entweder als Industriegas verkauft oder zur Produktionssteigerung zurück in Gasfelder gedrückt werden. Hillers erklärte: "Wir favorisieren diese Lösung." Seine Aussagen beruhigten die Zuhörer überhaupt nicht.

"Wir wollen das hier nicht", so die Aussage eines der Besucher. "Wir wollen nicht schon wieder vor vollendete Tatsachen gestellt werden", sagte ein anderer. Ohnmacht sprach auch aus den Worten von Dirk Noosten, CDU-Fraktionschef in Dornum: "Wir sind leider bei den Planungen außen vor. Die brauchen uns nicht."

 
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