Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 241 (August 2007)
Exxon-Erdgasbohrungen bei Greetsiel
20.000 Euro für "soziale und kulturelle Zwecke" - Erdbeben in Norddeutschland durch Erdgasförderung
Der Wattenrat Ost-Friesland hat schon wiederholt darauf hingewiesen, dass Erdgasexplorationen plötzlich Bodensackungen, also Erdbeben, auslösen können (siehe auf unseren Seiten vom März 2006: "Erdbeben durch Gasexploration" und vom August 2005 "Die Küste bebt"). In den Niederlanden, z. B. Provinz Groningen, ist das unstrittig, dort müssen Betreiber vor der Bohrgenehmigung Risikogutachten erstellen. In Deutschland eiern Behörden dazu industriefreundlich herum (siehe Heise-Artikel ganz unten: Erdbeben durch Erdgasförderung?).
Im Sommer 2004 und 2006 ereigneten sich leichte Beben in Norddeutschland im Raum Rotenburg. In Ostfriesland befördert Exxon die Ruhe mit einer Spende: 20.000 Euro für "kulturelle und soziale Zwecke". Und der größte Naturschutzverband der Republik, NABU, nahm in Ostfriesland auch schon dankbar Bares von Exxon-Production, für sein Nationalparkhaus in Greetsiel. Der NABU hat nichts gegen die Exxon-Bohrungen in einem EU-Vogelschutzgebiet einzuwenden, wirft dem Wattenrat aber in der "taz" (s.u.) "Polemik" vor. Auch ein Wiesenweihen-Projekt in Ostfriesland wurde von Exxon bezuschusst. Der NABU als "Sponsor und Förderer" des Projektes ließ sich zusammen mit dem EXXON-Logo abbilden (http://wiesenweihen.com/). Noch im Jahre 2000 wurde der Exxon-Chef Raymond mit einem peinlichen Umweltpreis vom NABU "geehrt", dem "Dinosaurier des Jahres 2000" - Pecunia non olet!
Wir zitieren aus den Veröffentlichungen, Ostfriesen Zeitung, 31.08.2007:
200 Stahlbeton-Pfähle sollen den Bohrplatz tragen
ENERGIE Zufahrtstraße für die Anlage der Firma Exxon-Mobil ist fast fertig / Jetzt laufen Rammarbeiten
Ab Dezember soll drei bis vier Monate lang nach Gas gebohrt werden. Falls das Unternehmen fündig wird, beginnt Mitte 2008 die Produktion.
Greetsiel
[...] Wie die OZ berichtete, will der Erdgas-Produzent Exxon Mobil ab Dezember bei Greetsiel
nach Erdgas bohren. Nach Probe-Untersuchungen gehen Experten davon aus, dass sich in vier
Kilometern Tiefe Gas befindet. Seit Mitte Juli läuft der Bau der Zufahrtstraße zum
Erdgasbohrplatz, der Greetsiel West Z1 heißen wird.
In dieser Woche sind die ersten Rammarbeiten für das Standrohr der geplanten Bohrung ausgeführt worden. Die Rammarbeiten für den Bohrplatz sollen am Montag beginnen und rund vier Wochen dauern. Der Untergrund sei nicht ausreichend tragfähig. Der Bohrplatz werde deshalb auf rund 200 Stahlbetonpfählen gegründet, die 20 Meter tief in den Boden getrieben werden.
Die Arbeiten laufen nur am Tage und sollen Ende September abgeschlossen sein, teilt Exxon Mobil mit. Danach beginnen die weiterführenden Arbeiten, die Ende November beendet werden sollen. Mit der Bohrung werde nach derzeitiger Sicht Mitte Dezember begonnen.
Etwa drei bis vier Monate plant das Unternehmen für die Bohrung ein. Ziel ist die Erschließung von zusätzlichen Erdgasreserven. Dazu wird die Bohrung zunächst vertikal erfolgen und dann etwa 1100.Meter nach Westen abgelenkt. Falls tatsächlich Gas gefunden wird, soll mit der Erdgasproduktion Mitte 2008 begonnen werden.
[...]
Ostfriesen Zeitung, 14.07.2007:
Für Gas geht es vier Kilometer in die Tiefe
Von Alfred Meiborg
ENERGIE Exxon Mobil hat Untersuchungsergebnisse ausgewertet / Erst muss eine Zufahrt gebaut werden
Das Projekt, das 2005 mit Probebohrungen vorbereitet wurde, beginnt mit dem Ausbau der Zufahrt zum geplanten Bohrplatz.
[...]
ExxonMobil ist der größte Produzent von Erdgas in Deutschland. Mit einer Produktion von etwa 14 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr : das entspricht etwa dem Jahresbedarf von vier Millionen Haushalten - leistet das Unternehmen nach eigenen Angaben einen wichtigen Beitrag zur sicheren Energieversorgung in Deutschland.
[...]
Das Unternehmen, das in Manslagt, Greetsiel und Uttum über Erdgas-Förderanlagen verfügt, zeigte sich bei seinem Abschied aufgrund der guten Zusammenarbeit und der Toleranz der Krummhörner erkenntlich. Exxon spendete 20 000 Euro für kulturelle und soziale Zwecke. "Sie dürfen gerne wiederkommen", sagte der Krummhörner Bürgermeister Johann Saathoff damals. Jetzt ist es bald wieder so weit. Alle, die von den Bohrarbeiten betroffen sind, sollen rechtzeitig informiert werden.
taz Nord Nr. 8331 vom 21.7.2007, Seite 26, 145 TAZ-Bericht KAI SCHÖNEBERG:
Exxon lässt Vögel in Ruhe
Hat der Energieriese Umweltschützer bestochen, um leichter Spreng-Messungen für Erdgas im ostfriesischen Vogelschutzgebiet durchführen zu können? Ein Vorwurf - und seine Erklärung
VON KAI SCHÖNEBERG
Der Vogelschützer Rolf Baum ist empört. "Das ist eine ziemlich freie Erfindung und eine Unverschämtheit obendrein", sagt Baum zu dem Vorwurf, er habe eine seltene Vogelart, die Wiesenweihe, für die Spende eines Energiekonzerns geopfert. Seit Jahren beobachtet Baum, Mitglied des Arbeitskreises Wiesenweihenschutz Ostfriesland, die Vögel auf der ostfriesischen Halbinsel Krummhörn. Bis zu 400 Stunden Freizeit verwendet er im Jahr für die zwei bis vier Brutpaare, die hier nisten.
Während Baum die Vorwürfe "absolut hirnrissig" findet, stellen die unabhängigen Umweltschützer des ostfriesischen Wattenrats einen direkten Zusammenhang zwischen Geldgaben von Exxon Mobil Production und dem Wohlwollen von Vogelkundlern und Naturschützern her. Exxon habe sich für seine Sprengmessungen auf Krummhörn "die Ruhe mit einer Spende" erkauft. Auch " der größte Naturschutzverband der Republik", der Naturschutzbund NABU nehme "dankbar Bares von Exxon Production und sagt öffentlich nichts zu den Bohrungen, auch in Vogelschutzgebieten", heißt es beim Wattenrat.
"Erstens haben wir kein Geld erhalten, zweitens ist gegen die Erdgas-Untersuchungen außerhalb der Brutzeiten im Binnenland nichts zu sagen", entgegnet Matthias Bergmann vom NABU. Der Wattenrat sei in der letzten Zeit häufig durch "Polemik" aufgefallen.
"Wir haben uns bei allen Nachbarn für die gute Zusammenarbeit bedankt", sagt Norbert Stahlhut, Sprecher von Exxon Mobil. Erst nach den Erdgas-Untersuchungen habe die Firma rund 20.000 Euro für mehrere Projekte in der Region gespendet. Von Bestechung könne keine Rede sein. "Wir tun nichts, um Wohlverhalten zu erkaufen."
Vor zwei Jahren hatte der Konzern damit begonnen, auf einem 160 Quadratkilometer großen Gelände in zehn Metern Tiefe tausende kleiner Sprengsätze zu zünden. Durch die Aufzeichnung der Druckwellen der "seismischen Untersuchungen" sei ein dreidimensionales Bild der Erdformationen unter Krummhörn entstanden. "Aber oben spüren sie praktisch nichts", sagt Stahlhut. Die Sprengmessungen ergaben den heißen Verdacht auf Erdgas, das in dieser Region bereits reichlich gefördert wird. Im Dezember sollen erste Bohrungen in 4.500 Metern Tiefe beginnen.
Da ein Drittel der Proberegion im Nationalpark Wattenmeer, in Vogel- und Naturschutzgebieten liegen, seien die Untersuchungen "umfangreich" von Naturschützern begleitet worden, sagt Exxon-Sprecher Stahlhut. "Es gab ein Infomobil vor Ort und einen Tag der offenen Tür."
"Es gab kleine Erdbeben, so als ob ein Lastwagen vorbeifährt", beschreibt Baum die Sprengungen. "Nicht mal Pferde und Kühe haben das gemerkt." Zudem sei mindestens im Umkreis von 500 Metern von den Nestern der Wiesenweihe nichts passiert: "Das waren absolute Tabuzonen." Erst nach den Tests habe er sich mit der Bitte um eine Spende an Exxon gewandt und 500 Euro erhalten, "für Schutzzäune", sagt Baum. Der Vogelschützer sieht sich als "kritischen Geist", aber gegen Exxon Mobil kann er wenig Böses sagen: "Die haben sich hier an die Standards gehalten und sie zum Teil sogar übererfüllt."
Vielleicht birgt die Erdgasförderung in Ostfriesland aber doch Risiken. Das Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der Universität Hamburg sieht mittlerweile einen Zusammenhang zwischen überraschenden Erdbeben in der Region und der Erdgasförderung. Seit im Herbst 2004 ein Beben mit der Stärke 4,5 auf der Richter-Skala die Region um Rotenburg an der Wümme erschütterte, diskutiert die Fachwelt. Es gab zwar kaum Schäden, aber die Seismologen haben herausgefunden, dass das Epizentrum des Bebens genau unter der größten Förderregion von Erdgas in Deutschland lag, nämlich in Rotenburg. Über den großen Erdgas-Feldern um das niederländische Groningen ist das Land bereits so tief abgesackt, dass Deiche umgebaut werden mussten.
Die Erdbebenforscher fürchten nun, dass es künftig öfter wackeln könnte. Immerhin haben die Erdgasproduzenten inzwischen erste Konsequenzen gezogen: Sie installieren bis zum Herbst fünf Messstationen. Die sollen die Erdgasfelder in den Regionen Rotenburg, Soltau, Walsrode und Munster auf über 40.000 Quadratkilometer Fläche überwachen.
Heise vom 17.07.07, URL dieses Artikels:
Erdbeben durch Erdgasförderung?
Von Reinhard Töneböhn
Im Herbst 2004 sorgte ein Erdbeben nahe Rotenburg an der Wümme mit der Stärke 4,5 auf der Richter-Skala für erhebliche Unruhe in der Bevölkerung. Zu spüren waren die Erschütterungen bis nach Hamburg und Bremen. Torsten Dahm, Seismologe am Zentrum für Meeres- und Klimaforschung der Universität Hamburg, befürchtet, dass sich solche Vorfälle künftig wiederholen könnten. Zusammen mit Kollegen weiterer deutscher Forschungsinstitute sieht der Erdbebenforscher seine Aussagen vom letzten Jahr bestätigt, die einen Zusammenhang zwischen der Erdgasförderung und solchen Erdbeben zogen.
[...]
Umso mehr Wirbel verursachte die Ankündigung von Dahms Studie im März 2006. Obwohl das Paper[1] des Geophysik-Professors erst im Juni dieses Jahres erschienen ist, waren die Kernaussagen bereits im letzten Jahr bekannt - und sorgten auch bei der BGR für ein Umdenken. Denn Dahm und seine Fachkollegen kamen zu einer ganz anderen Herdtiefe als die Bundesanstalt: Anstatt 7 bis 13 Kilometern berechneten sie nur 5 bis 7, also unmittelbar unter den Erdgaslagerstätten in 4,5 bis 5 Kilometer Tiefe. Daraufhin steuerte die Bundesbehörde in ihrem Abschlussbericht zum Erdbeben von Rotenburg 2004 im November 2006 schließlich um und bezog die Aussage Dahms mit ein.
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Schon häufiger ist der Bundesbehörde von unabhängigen Forschern vorgeworfen worden, zu sehr den Interessen der Industrie zu folgen. Die BGR ist eine direkte Fachbehörde des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie - und selbst im Bundesumweltministerium existiert die Kritik, die Behörde konzentriere sich vor allem auf Ausbeutungsinteressen an Erdgas und Lagerstätten.
Jetzt räumt Gestermann von der BGR ein, die Installierung der Seismographen durch die Erdgasindustrie sei längst überfällig und wichtig: "In den Niederlanden wird das ja schließlich auch gemacht." Tatsächlich müssen die holländischen Erdgasunternehmen Gutachten erstellen lassen, die größtmögliche Risiken zur Erdbebengefährdung ausweisen, bevor sie die Lizenz zum Bohren erhalten.
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In Holland hätte man schon Stärken bis 3,5 nachgewiesen. Und der Hamburger Seismologe Dahm erinnert an das Erdbeben der Stärke 4,5 im Jahre 2002 im norwegischen Ekofisk-Feld in der Nordsee, das entsprechende Zusammenhänge mit der Erdgas- und Erdölförderung generell belege. Das Epizentrum des Erdbebens von 2004 lag laut Dahm über der Lagerstätte, die bis heute mit Abstand die größten Erdgasfördermengen im gesamten Bundesgebiet aufweist.
Tatsächlich könnte es mit dem neuen dreidimensionalen Messsystem der Erdgasindustrie erstmals verlässliche Datengrundlagen zur Bestimmung der Ursachen der Erschütterungen in der Region geben. Allerdings müssten bei einem solchen Monitoring-System auch sämtliche Daten kleinerer Beben unterhalb der Stärke 2 aufgezeichnet werden, sonst würde diese Methode zwar zur Schadensfeststellung bei stärkeren Beben ausreichen, aber nicht zur Gefahrenabschätzung, meint Erdbebenforscher Dahm. Und dies benötige man, um im Rahmen von Bauverordnungen entsprechende Baunormen bei Erschütterungen zu erstellen. Auch hier sind die Niederlande wieder europäischer Vorreiter: Dort schreibt das Bergbaugesetz seit 2003 vor, Bauten erdbebensicher zu verstärken, wenn die Seismographen regelmäßige kleinere Erschütterungen registrieren.
Das Genehmigungsverfahren zum Aufbau des seismischen Messsystems durch die Erdgasindustrie hat die LBEG mit der zuständigen Abteilung des ehemaligem niedersächsichen Landesbergamtes in Clausthal-Zellerfeld durchgeführt. Leiter Jens von den Eichen betont, es handele sich hier um eine freiwillige Maßnahme der Industrie. Die Bergaufsicht habe jedoch lange Überzeugungsarbeit geleistet. Die gewonnenen Daten würde man sich dann zur Bewertung vorlegen lassen. Auf die Frage, ob die Aufsicht denn auch die Daten von seismischen Beben unterhalb der Stärke 2 zur Auflage gemacht hätten, antwortet von den Eichen, man habe dies erörtert und sei zu der Auffassung gelangt, eine Datenerfassung ab Stärke 2 reiche aus.
Dahm und seine Kollegen erwarten hingegen, dass ihre jetzt publizierte Studie zum Umdenken bei der Analyse auch anderer in Norddeutschland aufgetretener Erdbeben führt. Dazu gehört das zweitstärkste Beben bei Soltau 1977 oder das Erdbeben bei Syke 2005 mit einer Stärke von knapp unter 4, die beide von der BGR sofort als natürliche tektonische Beben bewertetet wurden. Ein Blick auf die geologischen Erdgas-Lagerstätten und den registrierten Erdbeben in Norddeutschland zeigt kritischen Wissenschaftlern zufolge jedenfalls eine erstaunliche Analogie: Wo keine Erdgasfelder sind, gibt es auch keine Erdbeben.
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