Wattenrat

Ost-Friesland

- unabhängiger Naturschutz für die Küste -

Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 198 (November 2006)

Nachmeldung von EU-Vogelschutzgebieten an der Küste

Informationsveranstaltung des Umweltministers Sander in Bensersiel - "Lieber Wattenbier als Wattenrat" - Wattenrat legt Stellungnahme vor

Brachvögel im Grünland

Der Wattenrat Ost-Friesland war nicht ganz unbeteiligt an der nun vom Land Niedersachsen vorbereiteten Nachmeldung von Vogelschutzgebieten an der Küste. Im Juli 2005 noch hatten Vertreter des Bundes und des Landes die EU-Kommission anlässlich eines Treffens in Berlin zunächst trickreich davon überzeugen können, dass eine Ausweisung gar nicht nötig sei, es fehle einfach an Vogelarten (siehe Wattenrat - Aktuelles - Artikel Nr. 121).

In zwei Fachgutachten, gerichtet an die EU-Kommission, konnte der Wattenrat allerdings nachweisen, dass die Bewertung des Landes und dessen Vogeldaten im Wybelsumer Polder (wo sich heute fast 50 riesige Windkraftanlegen drehen) und zwischen Norden und Esens, wo Golfplätze, eine Umgehungstraße und ein Luxuscampingplatz entstehen sollen, nicht annähernd den Tatsachen entsprachen und die Kommission mit den unzureichenden (man könnte das auch anders nennen!) Landesdaten hinters Licht geführt wurde. Das hat sich inzwischen in Brüssel herumgesprochen. (Details siehe unter Wattenrat - Aktuelles - Artikel Nr. 170.)

Deshalb das Mahnschreiben der EU, das auch Niedersachsen auffordert, endlich ausreichende Daten und ausreichende Flächen zu melden. Dass wir dem Herrn Sander damit Dampf unter dem Ministersessel gemacht haben, schreiben wir, was ein Großteil der ostfriesischen Küste angeht, ganz unbescheiden auf unsere Fahne!

Und Umweltminister Sander reagierte: Er lud zu öffentlichen "Informationsveranstaltungen" in Esens-Bensersiel, Emden und Brake zu den geplanten weiteren Gebietsmeldungen an die EU ein. Minister Sander versuchte den Wattenrat in Bensersiel und Emden vorzuführen, und der konterte mit vier Teilnehmern gegen 200 buhende Bauern.

Saal in Bensersiel

Die Zusammenkunft in Bensersiel unter der durchaus humorigen Leitung von Dr. Walter Keuffel, Leiter des Geschäftsbereiches Naturschutz im NLWKN, war zum überwiegenden Teil auch eine Versammlung vieler kruder Bauern, die mit realsatirischen Beiträgen zu punkten versuchten. Die üblichen Sprüche auf großen Transparenten wie "Landwirte sind Naturschützer", "Landwirte Garanten für die Landschaft" oder "Lieber Wattenbier als Wattenrat" zeugten vom Misserfolg der mehr als dreißig Jahre langen Aufklärung des Naturschutzes zu Feuchtgebieten oder Brut- und Rückzugsgebieten von Küstenvögeln.

Demoschilder

Kreislandwirt Hinrichs kannte keine Goldregenpfeifer und Blaukehlchen und fragte nach, ob man die vielleicht mal auf Bildern(!) zu sehen bekäme. Windbarone und Biogas-Planer machten auf der Veranstaltung lange Ohren und fragten nach Möglichkeiten der Planungen im geplanten Vogelschutzgebiet. Einige Bauern wurden erst richtig wach, als man Geld für den Vertragsnaturschutz in Aussicht stellte. Umweltminister Sander machte den Part des effektheischenden Landwirtschaftsministers, der er nicht ist und kündigte Verhandlungen auf EU-Ebene zur Änderung der Natura-2000-Richtlinien an.

Der Wattenrat verbat sich laut und deutlich die ständigen Herabsetzungen durch den Minister. Wenn ein vorgeblicher "Zweimann-Verein" den Minister so aus der Facon bringt: Was wäre, wenn wirklich nur zwei oder drei große Naturschutzverbände diesen Tricksereien fachlich offensiv entgegentreten würden.

Sieht man sich die von der EU geforderte Nachmeldung im Raum Dornum und Bensersiel genauer an, fallen die säuberlich herausgesägten Flächen auf, auf denen die im "faktischen Vogelschutzgebiet" geplanten Vorhaben verwirklicht werden sollen: eine Umgehungsstraße, zwei Golfplätze, ein riesiger Luxus-Campingplatz, eine Gas-Raffinerie für den Energiemulti Statoil und weitere Flächen für Windkraftanlagen. Und genau das monierte der Wattenrat in seiner Stellungnahme zur Gebietsnachmeldung (siehe pdf-Datei ca. 192 KB).

Wir zitieren aus dem "Anzeiger für Harlingerland" vom 01. Nov. 2006:

Gemeinsam Richtlinien durchsetzen

Sander zeigt Verständnis für Landwirte

Harlingerland/hin - Mehr als 200 Bürger kamen gestern zur emotional geladenen Veranstaltung des Umweltministeriums, in dem Umweltminister Hans-Heinrich Sander die Nachmeldung der Vogelschutzgebiete durch das Land Niedersachsen erläuterte. Wie mehrfach berichtet, ist auch das Küstengebiet zwischen Norden und Esens betroffen. Die bevorstehende Nachmeldung hatte für Aufregung und Ängste bei Landwirten, aber auch Vertretern der Kommunalverwaltungen gesorgt. Diese beiden Personengruppen machten gestern auch den größten Teil des Publikums aus. Außerdem waren auch die Vertreter des Wattenrates dort. Uilke van der Meer und Manfred Knake waren bei Betreten des Saales im Strandportal Bensersiel ausgebuht, Manfred Knake wurde während eines Wortbeitrages mehrfach von Landwirten unterbrochen. Applaus gab es für dagegen Umweltminister Hans-Heinrich Sander, der deutlich machte, dass das Land Niedersachsen die Ausweisung der neuen Gebiete nur gemeinsam mit den Landwirten vornehmen wolle. Seite 4

"Sie tragen zur Verunsicherung bei" - Umweltminister Sander kritisiert Wattenrat heftig - 200 Landwirte und Kommunalpolitiker

Öffentliches Beteiligungsverfahren zu Vogelschutzgebieten gestern im Strandportal eröffnet.

BENSERSIEL/HIN -Wer gedacht hat, die teilweise hasserfüllte Konfrontation von Naturschützern und Landwirten sei Geschichte, wurde gestern bei der Informationsveranstaltung des Umweltministeriums zum Thema Vogelschutzgebiete eines Besseren belehrt. Zumindest bei diesem Thema haben sich die Fronten wieder verhärtet. Die Umweltschützer des Wattenrates, die mit vier Personen gekommen waren, mussten sich gestern Buhrufe und ein Transparent gefallen lassen, das eine deutliche Sprache sprach: "Lieber Watt'n Bier als Wattenrat". Grund für die Verärgerung und Verunsicherung der Landwirte ist die bevorstehende Ausweisung von Vogelschutzgebieten an die Europäische Union, die seit April dieses Jahres im Gespräch ist, weil die Europäische Kommission in einem Mahnschreiben an das Land einen Mangel an Vogelschutzflächen feststellte. 2001 wurden die erste Flächen ausgewiesen, nicht genug, wie die Kommission jetzt feststellte (Seite 1). In Ostfriesland soll jetzt ein weiteres Vogelschutzgebiet zwischen Norden und Esens ausgewiesen werden.

Die Umweltschützer des Wattenrates kritisieren das Umweltministerium, aber auch die Kommunalverwaltungen, dass absichtlich zu wenig Flächen gemeldet wurden, damit Projekte umgesetzt werden können, die eigentlich nicht in ein Vogelschutzgebiet gehören (wir berichteten).

Auch Umweltminister Hans-Heinrich Sander ließ sich aus der Reserve locken und äußerte seine Verärgerung über die kürzlich öffentlich gewordenen Äußerungen Knakes mit Polemik. "Sie tragen zur Verunsicherung der ganzen Bevölkerung bei", kritisierte der Umweltminister den Wattenrat direkt. "Sie haben gesagt, dass wir hoch gepokert haben und verlieren werden. Ich sage ihnen, wir pokern hoch und werden gewinnen", so Sander. Er nannte den Wattenrat ein kleines "Zweimannunternehmen mit ehrenamtlichen Naturschützern", die zu viel Zeit hätten.

Manfred Knake nutzte während der Diskussionsrunde eine Wortmeldung, um sich gegen die, wie er sagte "Beschimpfung" durch den Umweltminister auszusprechen, die die Arbeit der Naturschützer des Wattenrates deutlich heruntersetze. Umweltminister Sander machte deutlich, dass es keine Möglichkeit für das Land Niedersachsen gebe, sich der Aufgabe, Schutzgebiete an die EU nachzumelden, zu entziehen. Die Flächen müsse man im Frühjahr melden.

Wie aber die Flächen letztendlich abgegrenzt seien, das wolle man gemeinsam mit den Landwirten abstimmen. Auch sei es dem Land wichtig, dass die Richtlinien für die künftige Landwirtschaft in diesen Bereichen für die Landwirte vor der Nachmeldung deutlich seien.

Umweltminister Hans-Heinrich Sander deutete außerdem an, dass man an den Vogelschutzrichtlinien, die es seit 1979 gibt, in Zukunft nachregeln müsse. Er traf auf Zustimmung bei den Landwirten. Kreislandvolkvorsitzender Herbert Heyen machte dem Minister deutlich, dass die Landwirte in der Region zwischen Norden und Esens beste Böden hätten und extensive Landwirtschaft nur bedingt möglich sei, weil es hier gut funktionierende Betriebe gäbe, die weiter vererbt werden sollten. Gegen eine mögliche Wiedervernässung sprach er sich deutlich aus. "Dann saufen wir hier ab!"

 
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