Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 185 (September 2006)

Erinnerung an einen Fackelzug, ein Schmierenstück am Deich

Küstenschutz: Wieder Fackeln und Mahnwachen am Cäciliengroden-Deich Erinnerung an ein Schmierenstück gegen den Naturschutz von 1996

Ja, Fackelzüge haben in Deutschland Tradition, wenn es um die rigorose Durchsetzung von Interessen geht, trotz gegenteiliger Rechtslage; ihr Beitrag zu Erhellung der Fakten ist indes gering.

Vor zehn Jahren instrumentalisierten Küstenschützer, u.a. der Vorsitzenden eines Oldenburger Deichverbandes, Früsmer Ortgies aus Hohenkirchen im Landkreis Friesland, Tausende von Menschen am Deich von Cäciliengroden gegen die vermeintliche Deichgefährdung, die nie eine war. Der BUND-Niedersachsen hatte lediglich einen gerichtlichen Baustopp gegen den Deichbau mit der damit verbundenen Kleientnahme aus den geschützten Salzwiesen des Wattenmeeres erwirkt. Das war den Bauern, deren binnendeichs gelegenen landwirtschaftlichen Nutzflächen nun möglicher Weise zur Disposition standen, zu viel. Man inszenierte das Horrorstück von der mangelnden Deichsicherheit und dem nahen Wassertod, und die Massen kamen, unterstützt von Kirche, Politik und Presse; und die meistens Teilnehmer wussten gar nicht, worum es eigentlich ging, ein Schmierentheater erster Güte!

In der Tat hat inzwischen ein "Umdenken" zwischen Küstenschützern und Naturschützern eingesetzt wie im Artikel ganz unten ein Mitarbeiters des III. Oldenburgischen Deichbandes zur Kenntnis gibt: Aber zweifellos nicht im Sinne des Naturschutzes, denn die Deichverbände haben den niedersächsisches Umweltminister Sander inzwischen davon "überzeugt", dass Klei zum Deichbau wieder aus den Salzwiesen des Nationalparks entnommen werden soll. Die damaligen Vereinbarungen der Naturschutzverbände mit den Deichverbänden und dem staatlichen Küstenschutz sind damit nichtig und Makulatur. Diese mündeten in in einen Kabinettsbeschluss: Am 11. April 1995 beschloss die Niedersächsisches Landesregierung die "10 Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz", und die sahen in Punkt 8 vor, dass im Regefall Kleiboden aus dem Binnenland gewonnen wird. Diese Vereinbarung galt auch schon 1996, als man mit Fackeln für die auch vom Naturschutz nie in Frage gestellte Deichsicherheit demonstrierte.

Interessant zu lesen, wie auch noch heute, zehn Jahre nach dem Weltuntergangsszenario, mit "Mahnwachen" (wofür eigentlich?) die "Erinnerung" (woran?) wachgehalten wird, als subtiles Druckmittel gegen den fachlichen Naturschutz und Gerichtsbeschlüsse? Immerhin, der BUND knickte damals nach dem Fackelzug ein, und der damalige WWF-Funktionär Holger Wesemüller als ursprünglich vehementer Unterstützer der BUND-Klage schwenkte später gar völlig auf die Seite derer über, die die Naturschutzverbände gezielt mit dem Popanz der mangelnden Deichsicherheit in Misskredit zu bringen versuchten. Jedes Schmierenstück hat eben auch seine Darsteller.
(Siehe auch "Was man so feiert und lobt" von 2003.)

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, vom 30.08.2006 und vom 02. September 2006:

Heute brennen wieder Fackeln auf dem Deich

DEICHBAU Vor zehn Jahren am Jadebusen Großdemonstration mit 12 500 Menschen für Küstenschutz

CÄCILIENGRODEN /US - Ein imposantes Bild bot sich dem Betrachter am 30. August 1996 auf dem Deich zwischen Cäciliengroden und Dangast im Landkreis Friesland. Rund 12 500 Menschen hatten in der Abenddämmerung Fackeln entzündet und sich auf dem Deich verteilt. Schweigend und in fast besinnlicher Atmosphäre demonstrierten sie für den Küstenschutz. Auslöser für die eindrucksvolle Großdemonstration war ein handfester Streit zwischen Küsten- und Naturschützern über die Deicherhöhung, die bereits 1992 in Mariensiel bei Wilhelmshaven begonnen hatte. Als die Baustelle Cäciliengroden erreicht hatte, erwirkten Naturschützer vor Gericht einen Baustopp. Der BUND als federführender Verband wollte mit der Klage eigenen Angaben zufolge umweltschonende Deichbaumethoden durchsetzen und durch einen Neubau landseits der bereits bestehenden Deichlinie Eingriffe in die Salzwiesen verhindern. Die Küstenbewohner sahen sich in ihrer Sicherheit bedroht - und setzten sich mit der geballten Kraft örtlicher Kommunen, Politiker, des Deichbandes und sogar der Kirche im Rücken gegen die Gerichtsentscheidung zur Wehr. Und das mit Erfolg: 1997 schlössen die Naturschützer und die damalige Bezirksregierung einen Vergleich, der vor allem Ausgleichsmaßnahmen für die Uberbauung der Salzwiesen beinhaltete. Obwohl die Deicherhöhung auf dem sechs Kilometer langen Abschnitt entlang des Jadebusens inzwischen längst abgeschlossen ist, halten die Anlieger die Erinnerung an die Protestaktion weiter wach. Jedes Jahr wird am 30. August am Standort der ehemaligen Baubude an der Fritz-Erler-Straße in Cäciliengroden ein Deichgottesdienst gefeiert. Zum zehnten Jahrestag der Mahnwache ist dort heute eine besondere Gedenkveranstaltung geplant: um 19 Uhr beginnt ein Gottesdienst, um 21 Uhr sollen erneut Fackeln entzündet werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht jedoch die Enthüllung der "Koyer"-Skulptur aus der Werkstatt der ostfriesischen Bildhauer H. C. und Anders Petersen. Die lebensgroße Bronze-Figur, die von Sponsoren finanziert wurde, zeigt einen Deich-Arbeiter, der - auf einer Stele sitzend -nach getaner Arbeit auf sein Werk blickt. "Die Koyer-Figur drückt Zufriedenheit über das Geleistete aus, blickt aber auch wachsam auf den Deich, damit die Menschen dahinter ruhig schlafen können", sagt der Künstler.

Anzeiger für Harlingerland 02.09.2006 S. 9:

Erinnerungen an die Fackeln

Rund 300 Menschen waren am Deich in Cäciliengroden

CÄCILIENGRODEN/OS - Um es gleich vorweg zu nehmen: So imposant wie vor zehn Jahren wurde der Fackelzug nicht. Das war allerdings auch gar nicht beabsichtigt. Vor zehn Jahren gab es nach Angaben von "Deichgraf" Alwin Tönnies entlang des Jadebusens 16000 Feuerfanale. Damit protestierten die Menschen friedlich für den Küstenschutz, genauer für den Fortgang der Deicherhöhung, die per gerichtlichem Beschluss zu dem Zeitpunkt stillstand. Genau zehn Jahre später, wieder um 21 Uhr, standen jetzt erneut Menschen mit Fackeln am Deich vor Cäciliengroden. Diesmal ging es darum, an die Geschehnisse von damals zu erinnern, rund 300 Menschen waren dabei. Während der Veranstaltung wurde eine Skulptur der Künstler Hans Christian und Anders Petersen aus Esens enthüllt, die einen Koyer, einen früheren Deicharbeiter, zeigt.

Vor zehn Jahren waren die Bauarbeiten zur Erhöhung des Deiches von Mariensiel bis Dangast bei Cäciliengroden eingestellt worden. Den Baustopp hatten die Naturschützer des BUND erwirkt, weil sie umweltschonendere Methoden für den Deichbau erreichen wollten, als den benötigten Klei aus den einzigartigen Salzwiesen zu fördern. Die Menschen hinter dem Deich sahen mit Furcht dem nahen Herbst und Winter entgegen. Beim Gericht gingen die Schriftsätze hin und her, in der Politik war man sich nicht einig, der Bau stand still, ein Kompromiss schien auf lange Zeit hinaus nicht in Sicht.

Nach dem Fackelzug vor zehn Jahren habe sich allerdings weiterhin erst einmal nichts getan, gab Hans-Hermann Schrievers vom III. Oldenburgischen Deichband zu bedenken. Erst ganz langsam habe ein Umdenken eingesetzt, und man habe sich am 2. Dezember 1996 heimlich in der Baubude vor Cäciliengroden getroffen, um an einem Tisch die Argumente auszutauschen. Rund vier Stunden habe dieser Austausch gedauert, und "an dem Tag begannen wir, Vertrauen zu einander zu finden". Heute sei der Deichband dankbar für die Dinge, die damals in Cäci ins Rollen gekommen seien, denn man ernte jetzt die Früchte.

 
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