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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 166 (April 2006)

FDP trommelt für Wegefreigabe an der Leybucht

Leybucht: Liberale "Volksvertreter" trommeln erneut jenseit von Recht und Gesetz für eine Wegeöffnung am Ostdeich

Die liberalen "Volksvertreter" Roland Riese und Christian Dürr (MdL, FDP) nehmen es mit dem Rechtsstaat offensichtlich nicht so genau, oder sind einfach fachlich überfordert:

Die Sperrung bestimmer Flächen und Wege an der Leybucht/LK Aurich ist Teil eines rechtsgültigen Planfeststellungsbeschlusses vom 1985 und Gegenstand eines EuGH-Urteils von 1991. Demnach darf Deutschland ein besonderes Schutzgebiet nach Vogelschutzrichtlinie flächenmäßig nur verkleinern, wenn dafür außerordentliche Gründe des Allgemeinwohls vorlägen. Wirtschaftliche oder freizeitbedingte Gründe kämen hierfür nicht in Betracht, sondern lediglich Gründe für Leib, Leben und Sicherheit.

Der Planfeststellungsbeschluss mit den Betretungsbeschränkung wurde seinerezit ausdrücklich von der Gemeinde Krummhörn mit getragen: "Dabei gilt insbesondere hinsichtlich der Belange des Fremdenverkehrs und der Erholung, daß sie die Situationsgebundenheit der Leybucht für den Naturschutz anzuerkennen haben und sich daraus natürliche Beschränkungen und auch Entwicklungsgrenzen auf diesen Gebieten ergeben. Die Gemeinde Krummhörn und der Fremdenverkehrsverein Greetsiel haben dies ausdrücklich gebilligt".

Mit einer üblen Max und Moritzschen Penetranz versuchen die beiden Landtagsabgeordneten den Planfeststellungsbeschluss und das EuGH-Urteil publikumswirksam und naturschutzfachlich völlig verfehlt tot zu reden.

Die Leybucht-Baumaßnahme war die Ursache des Rückgangs des Säbelschnäblers. Aus dieser Fehlentwicklung wird jetzt die Aufhebung des Betretungsverbotes abgeleitet, so, als ob es keine weiteren störempfindlichen Arten in diesem Schutzgebiet gäbe! Siehe auch Schutzgebiet Leybucht - Landkreis Aurich vom Oktober 2004.

© GoogleEarth

Die Leybucht im Landkreis Aurich/Niedersachsen aus 7.500m Höhe fotografiert: Links im Bild die sog. "Leybuchtnase", die als Küstenschutzbauwerk und Vorfluter zur Binnenlandentwässerung dient. Der linkle Deich der "Nase" darf bis zur Spitze "Leyhörn" betreten werden, der rechte Deich, der an die offenen Leybucht angrenzt, ist aus Vogelschutzgründen für den Besucherverkehr gesperrt. In der Leybuchtnase befindet sich das NSG "Leyhörn".

Schlechte Beispiele verderben bekanntlich die guten Sitten. Beispiel: das Naturschutzgebiet und Teil-BSG "Petkumer Deichvorland" bei Emden, wo die FDP in Person von Erich Bolinius und "Max" Roland Riese in trauter Eintracht mit Umweltminister Sander (FDP)dafür gesorgt haben, dieses Schutzgebiet für den Besucherverkehr zu öffnen und erheblich für die Brut- und Rastvögel zu entwerten.

In Dornumersiel steht der nächste liberale Anschlag gegen den Naturschutz bevor: Hier hat MU Sander der Gemeinde gegen die fachlichen Stellungnahmen von Natiponalparkverwaltung und Landkreis Aurich zugesagt, einen seit dreißig Jahren gesperrten Weg, der jetzt Teil der strengsten Schutzzone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer ist, für den Besucherverkehr zu öffnen.

Wir zitieren aus dem Ostfriesischer Kurier, Norden, 04. April 2006

Für Rundweg um Leybucht-Nase

FDP gegen Deichbetretungsverbot

Greetsiel/ert - Nach dem Petkumer Vorbild sollte der bislang geschlossene Deichverteidigungsweg von der neuen Klappbrücke vor Greetsiel bis zum Sperrwerk Leysiel versuchsweise für ein bis zwei Jahre geöffnet werden. So könnten Radfahrer den Ostdeich wenigstens binnendeichs befahren.

Diesen Vorschlag des Greetsieler Fremdenverkehrsvereinsvorsitzenden Uwe Fitzek begrüßten die FDP-Landtagsabgeordneten Roland Riese und Christian Dürr sowie der FDP-Kreisvorsitzende Hanno Kunz.

Sie plädieren für eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses zum Bau des Leybucht-Deiches, nach der das Betreten und Befahren des Ostdeiches der Leybucht-Nase streng verboten ist. Die im Beschluss genannten Vogelarten wie der Säbelschnäbler hätten die Leybucht längst verlassen, betonte Fitzek. Daher bestünde kein Grund mehr, Einheimische und Urlauber, die mit 350 000 Übernachtungen im Jahr einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellen, weiter auszusperren. "Wir suchen zusammen mit dem Umweltministerium in Hannover seit zwei Jahren nach Lösungen", sagte Kuhn. Aber der Landkreis Aurich bestehe auf dem Verbot (Seite 12).

Schon 2004 setzte die Diskussion um die Öffnung des Ostdeiches an der Leybucht für den Tourismus ein. Damals schrieb Ulrich Filbrandt, der bis Anfang der Neunziger die Ostfriesland-Geschäftsstelle des NABU leitete und für die Leybucht-Baumaßnahme den "Landschaftpflegerischen Begleitplan" erarbeitete, einen Leserbrief dazu, der von der "Ostfriesen Zeitung" nicht veröffentlicht wurde:

Leserbrief zu "Leybuchtnase öffnen" und "Minister setzt sich für Öffnung des Ostdeiches ein", Ostfriesen-Zeitung vom 13.10.2004, S. 14 bzw. 14.10.2004, S. 27

Wenn sich ein Umweltminister zu einem der sensibelsten Naturschutzgebiete an der Nordseeküste äußert, dann sollte man Zuspruch und Unterstützung erwarten. Nicht so in Niedersachsen. Hier stellt der Minister offenbar Errungenschaften in Frage, die das Ergebnis langwieriger Verhandlungen waren und heute gesetzlich oder per Verordnung verankert sind. Diesen Ambitionen, katalysiert durch Krummhörner Kommunalpolitik, muß jeder widersprechen, der die Geschichte des Gebietes kennt. Andernfalls setzt sich hier eine Entwicklung fort, die in Petkum ihren unrühmlichen Einstand gefeiert hat.

Der fragliche Ostdeich ist Teil eines der spektakulärsten Deichbauvorhaben in Deutschland. Nach dem "Generalplan Küstenschutz" (1973) sollte die 3.000 ha große Leybucht ursprünglich komplett eingedeicht werden. Unter dem Protest von Wissenschaftlern und damals noch aktiven Naturschutzverbänden rückte das Land von der geplanten Volleindeichung ab. Trotzdem verschwanden am Ende 740 Hektar Watt, Vorland und Sommerpolder hinter dem neuen Deich. Dessen prominentester Abschnitt, das Leyhörn, ragt heute als "Nase" weit in die Nordsee hinaus.

Die eigentliche Leybucht gehört seit 1986 als Ruhezone zum Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer". Als 1994 die Ausweisung des Leyhörns als Naturschutzgebiet bevorstand, wurde die Deichstrecke zwischen dem Leysiel und der Klappbrücke bei Greetsiel - der Ostdeich - ausdrücklich mit einbezogen, "um eine nicht durch äußere Störungen und Beeinträchtigungen beeinflusste, nahtlose Vernetzung zwischen der Ruhezone I des Nationalparks "Niedersächsisches Wattenmeer" und dem geplanten Naturschutzgebiet und damit zwischen zwei unterschiedlichen, jedoch in engerem Wechselbezug stehenden Ökosystembereichen zu gewährleisten". Damit erfüllte die Bezirksregierung Weser-Ems nicht nur einen Kompensationsauftrag. Sie entsprach auch dem einschlägigen Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Dieser hatte 1991 am Beispiel der Leybucht verdeutlicht, dass für die Verkleinerung eines besonderen Schutzgebietes im Sinne der EU-Vogelschutzrichtlinie "wirtschaftliche und freizeitbedingte Erfordernisse nicht in Betracht kommen" können. Im konkreten Fall wertete das Gericht die Stillegung der Schifffahrtswege in der eigentlichen Leybucht, die dort einkehrende "völlige Ruhe" und die "strengen Schutzvorschriften für das Leyhörngebiet" jedoch als ausreichende ökologische Kompensation des Eingriffs. Nur deshalb durfte die Maßnahme, die weit mehr als nur dem Schutz der Küste diente, überhaupt weitergeführt werden.

Das Projekt "Küstenschutz Leybucht" brachte für Natur und Landschaft an der Leybucht erhebliche Beeinträchtigungen, die weder zu vermeiden noch auszugleichen waren. Naturschutzrechtlich blieb damit das Instrument der Ersatzmaßnahmen, um die zerstörten Funktionen oder Werte zu kompensieren. Das bedeutete vor allem, mit der restlichen Substanz behutsam umzugehen. Anderweitige Begehrlichkeiten vor Augen führte der Planfeststellungsbeschluss "Küstenschutz Leybucht" 1985 aus: "Dabei gilt insbesondere hinsichtlich der Belange des Fremdenverkehrs und der Erholung, dass sie die Situationsgebundenheit der Leybucht für den Naturschutz anzuerkennen haben und sich daraus natürliche Beschränkungen und auch Entwicklungsgrenzen auf diesen Gebieten ergeben. Die Gemeinde Krummhörn und der Fremdenverkehrsverein Greetsiel haben dies ausdrücklich gebilligt".

Soweit so gut, könnte man meinen. Doch mit schöner Regelmäßigkeit kommt in der Krummhörn ein Katalog mit Fremdenverkehrswünschen auf den Tisch. Der ist zwar nicht neu, aber offensichtlich immer dann zur Hand, wenn in Hannover die Personalien wechseln. Die Forderung nach Öffnung des Ostdeiches ist also bekannt und ebenso alt wie die Planung des Leyhörns. Das gleiche gilt übrigens für die Badestelle am Westdeich. Sie wurde allerdings trotz strenger Schutzbestimmungen per (geändertem) Nationalpark-Gesetz schon aus der Ruhezone herausgenommen. Jetzt soll sie - ein weiterer Wunsch umtriebiger Lokalpolitiker - mit Zubringerverkehr und sanitären Einrichtungen erschlossen werden. Fischimbiss und Eisverkäufer wären dann nur noch eine Frage der Zeit.

Eine planerische oder gesetzliche Grundlage gibt es allerdings für keinen dieser Vorstöße. Dahingestellt sei auch, wem die Öffnung des Ostdeiches überhaupt nützen soll. Nach eigener Beobachtung sucht der Großteil der Besucher am Parkplatz Leyhörn eher den schnellen Blick über den Deich oder beginnt dort seinen Spaziergang zum Pilsumer Leuchtturm. Weit weniger wagen den langen Marsch zum Leysiel und zurück. Auch Fahrradfahrer scheinen zufrieden, wenn sich auf Hin- und Rückweg unterschiedliche Pisten wählen können - die Straße zum Leysiel oder die asphaltierte seeseitige Deichberme. (Nicht wenige dürften froh sein, bei Sturm und Gegenwind ihren Ausgangspunkt am Parkplatz nach wenigen Kilometern wieder erreicht zu haben.) Das Ziel ist in jedem Fall das Leysiel, und daran würde sich auch nichts ändern, wäre der Ostdeich offen. Somit besteht auch aus touristischer Sicht keine Notwendigkeit, eine weitere Deichstrecke an der Leybucht zu öffnen. Wer längere Radtouren bevorzugt, findet dafür in Ostfriesland genügend Alternativen und ein gut ausgebautes Radwegenetz. Im übrigen hat die Gemeinde mit der Badestelle am Westdeich schon Konzessionen erreicht, die in der Nationalparkverordnung aus gutem Grund nicht vorgesehen waren.

Der Naturschutz hat an der Leybucht durch die Eindeichung weitreichende Einschnitte hinnehmen müssen. Er lebt heute mit vielen Kompromissen. Für weitere Zugeständnisse gibt es keinen Anlass, auch nicht den Wunschzettel von Parteigenossen.

Sein gespaltenes Verhältnis zum Naturschutz hat dem niedersächsischen Umweltminister erst kürzlich den Unmut aus Bonn und Brüssel eingebracht. Sollte er jetzt am Schutz der ohnehin strapazierten Leybucht rütteln, sind weitere Konflikte vorgezeichnet.

Ulrich Filbrandt, Aurich

 
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