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Niedersachsen: "Musterland für Musterlösungen"?

Jochen Flasbarth, ehemaliger Präsident des Naturschutzbundes Deutschland und seit zwei Jahren Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium in Berlin, hielt eine Rede anlässlich der Fachtagung "Windenergie und Naturschutz" am 26. Nov. 2004 im Leineschloss in Hannover

Er fordert tatsächlich "dass der Ausbau der Windenergie umwelt- und naturverträglich erfolgt", jetzt, da nach 15 Jahren rigorosem Zubau der Landschaft mit den Mühlenmonstern mehr als 700 Bürgerinitiativen in Deutschland Front gegen den Windwahn machen. Er hat wahrgenommen, "dass die neuesten Gutachten zu Verbreitungsschwerpunkten von Seevögeln in der Nordsee Niedersachsens zum Ergebnis kommen, dass sich die wichtigsten Vogellebensräume für seltene Arten wie Seetaucher, Brandseeschwalbe und Zwergmöwe nicht mit den geplanten Offshore Windparks überschneiden". Er verschweigt aber, dass die ehemals kritischen Gutachten auf Druck der Landesregierung von den Autoren geändert und die Standorte nachträglich "passend" gemacht wurden. Und er glaubt an das Märchen, dass Windkraftanlagen einen nenneswerten Beitrag zum "Klimaschutz" leisten können. Nun denn, "His Master´s Voice" hat gesprochen.

"Naturschutz und Windenergie" - Rede von Joachen Flashbarth anlässlich der Fachtagung "Windenergie und Naturschutz" (Leineschloss, Hannover, 26.11.2004)

Meine Damen und Herren,

Die Einen stören Windräder in der Landschaft überhaupt nicht. Für sie symbolisieren sie in gewisser Weise dynamische Zukunft. Anderen wird es aufgrund der Veränderung des Landschaftsbildes sicher anders gehen. Für bestimmte Tierarten können Windräder sogar eine Bedrohung darstellen. Diese möglichst gering zu halten, ist unter anderem auch meine Aufgabe als Leiter der Naturschutzabteilung im Bundesumweltministerium. Ich würde meiner Verantwortung allerdings nicht gerecht, wenn ich neben dem Naturschutz nicht auch die anderen ökologischen Anliegen sehen würde. Es gibt vor allem zwei zentrale ökologische Herausforderungen von existentieller Bedeutung:

Eine davon ist die Klima- und Energiekrise. Dass es schon jetzt eine globale Klimaerwärmung gibt, ist heute nicht mehr anzuzweifeln. Dass der Mensch insbesondere durch die Verbrennung von fossilen Energien und deren verschwenderischem Verbrauch dafür zumindest mit-verantwortlich ist, auch nicht. Die andere ökologische Herausforderung ist der dramatische Verlust an biologischer Vielfalt weltweit. Die derzeitige Aussterberate der Arten übertrifft nach Auffassung von Fachleuten die vermutete natürliche Rate um das 100 bis 1000-fache und ist durch menschliches Handeln bedingt. Das Aussterben einer Art und der damit verbundene Verlust der genetischen Vielfalt ist irreversibel. Es kann nicht sein, dass eine Krise auf Kosten der anderen gelöst wird. Wir müssen beide lösen. Und wir können auch nur beide gleichzeitig lösen, da sie sehr eng miteinander verknüpft sind. So würde weitere Naturzerstörung die Klimakrise verschärfen: Der Raubbau an Wäldern, die Trockenlegung von Sümpfen und Mooren sowie die Ausdehnung von Landwirtschaftsflächen auf kohlestoffreiche Böden haben schwerwiegende Folgen für die Freisetzung von Kohlendioxid und damit das Klima. Ökosysteme regulieren aber auch über Wasserkreislauf, Strahlungshaushalt und die natürlichen Emissionen und Senken weiterer Treibhausgase das Klima. Erste Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass die Artenvielfalt selbst Einfluss auf diese Prozesse hat. Damit wird der Schutz der biologischen Vielfalt auch zum Klimaschutz. Umgekehrt ist der Klimawandel und die damit verbundene Erderwärmung eine Ursache für den Verlust an biologischer Vielfalt.

So werden Lebensräume durch den Anstieg des Meeresspiegels und die Verschiebung von Vegetationszonen verändert oder sogar zerstört. Das Verbreitungsgebiet vieler Pflanzen- und Tierarten wird durch Klimaparameter begrenzt. Aufgrund von Klimamodellen wird erwartet, dass sich ganze Vegetationsgürtel nordwärts bzw. in höher gelegene Gebiete verschieben. Ob alle Arten gleichermaßen mit diesen Veränderungen mithalten können, ist fraglich. Ein Beispiel: Zugvögel reagieren auf Klimaerwärmung mit frühzeitigem Brutverhalten und Rückzug. Was macht zum Beispiel der Kuckuck, der auf die Klimaveränderung anders reagiert als seine Wirtsvögel, und der seine Eier daher nicht mehr in ihre Nester legen kann? Mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt und der Klimarahmenkonvention wurden bereits 1992 auf der Riokonferenz die beiden Herausforderungen in Angriff genommen. Es wurden zwei weltweite Prozesse für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Verminderung der Treibhausgase in Gang gesetzt. Deutschland hat in beiden Prozessen eine führende Rolle übernommen. Durchgreifende Erfolge konnten erst in den letzten Jahren erzielt werden - das gilt sowohl international als auch national.

In Deutschland konnten durch die Schwerpunktsetzung der Bundesregierung auf Schutz und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt und die von der jetzigen Bundesregierung eingeleitete Energiewende wichtige Fortschritte gemacht werden. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung. Nicht nur in Schutzgebieten, sondern auf der ganzen Fläche ist der Naturschutz in den letzten Jahren entscheidend verbessert worden. Stichworte sind die Bewahrung des Nationalen Naturerbes durch Sicherung von besonders wertvollen Naturschutzflächen in Ostdeutschland, die Agrarwende, die Integration des Naturschutzes in die Forst- und Fischereiwirtschaft und in die grüne Gentechnik, die naturverträgliche Ausrichtung des Bundesverkehrswegeplans sowie die Verminderung der Flächeninanspruchnahme. Die Bundesregierung begreift die Erhaltung der biologischen Vielfalt als eine Querschnittsaufgabe. Deshalb werden wir bis zum Jahr 2006 eine Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt entwickeln. Gemeinsam mit den gesellschaftlichen Gruppen werden wir darin Leitbilder, Ziele und Maßnahmen für Naturschutz und nachhaltige Naturnutzung festlegen. Der Bundesregierung ist es gleichzeitig für den Klimaschutz und für die Sicherung einer nachhaltigen Energieversorgung gelungen, eine umfassende Energiewende einzuleiten, die keinen Bereich ausgelassen hat - vom Ausstieg aus der Atomenergie und der Förderung der erneuerbaren Energien über die Verbesserung der Energieeffizienz bis hin zu mehr Energieeinsparung. In der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung auf konkrete Ziele für unsere künftige Energieversorgung verpflichtet.

Dazu gehört, die Treibhausgasemissionen in Deutschland bis 2020 um 40% zu reduzieren,den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch von 2,1% im Jahr 2000 auf mindestens 4,2% im Jahr 2010 zu verdoppeln und bis zum Jahr 2050 mindestens die Hälfte der gesamten Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu bestreiten. Um dies zu erreichen soll der Anteil erneuerbarer Energien an der deutschen Stromversorgung von rund 6% im Jahr 2000 auf mindestens 12,5% im Jahr 2010 verdoppelt und bis 2020 auf mindestens 20% gesteigert werden. Nach neuesten Schätzungen liegt der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch im ersten Halbjahr 2004 bereits bei 10%. Die Windenergie nimmt dabei mit ca. 54% der erneuerbare Energien den wichtigsten Stellenwert bei der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien ein. Wir wären heute nicht hier auf dieser Veranstaltung, wäre uns trotz dieser beeindruckenden Zahlen nicht bewusst, dass die Erreichung der Ausbauziele gerade bei der Windenergie mit Konflikten verbunden ist.

Wir haben Konflikte um quantitative Ansprüche: erneuerbare Energien nehmen erhebliche Flächen in Anspruch und stehen damit in Konkurrenz z.B. zu Naturschutz- oder Erholungsflächen und umgekehrt. Ebenso gibt es Konflikte um qualitative Ansprüche: Aufgrund ihrer Windhöffigkeit ideale Standorte für Windenergieanlagen können gleichzeitig Vogelzuggebiete sein. Sie werden mir als Abteilungsleiter Naturschutz nachsehen, wenn ich auf diese Konflikte näher aus der Sicht des Naturschutzes eingehe. Die Auswirkungen von Windenergieanlagen auf die Fauna und Avifauna werden derzeit intensiv diskutiert. Dabei geht es in erster Linie um die Beeinträchtigung von Lebensräumen bis hin zum Verlust von Rast-, Brut- und Nahrungshabitaten, um Störungen und Scheuchwirkungen und schließlich auch um direkten Verlust, z.B. durch Vogelschlag. Das Kollisionsrisiko von Vögeln ist ein Thema, das zur Zeit hitzige Debatten auslöst. Pressemitteilungen, die von "700 toten - ja regelrecht geschredderten - Tieren unter weniger als 200 Windrädern" sprechen, heizen die Debatte zusätzlich an. Ich will diese Zahlen hier nicht in Zweifel ziehen, meine aber, dass wir an diesem Punkt die Debatte versachlichen sollten. Entscheidend sind hier Fragen wie: in welchem Zeitraum wurden dies Totfunde gemacht? Können Aussagen gemacht werden z.B. zu Witterungsbedingungen zum Zeitpunkt der Kollision? Wie können hier Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen greifen? Welche Parameter wurden bei der Standortwahl dieser speziellen Standorte nicht berücksichtigt?

Einen Beitrag zur Versachlichung dieser Diskussion werden sicher die Ergebnisse eines Vorhabens liefern, das im Rahmen der Verbändeförderung des BMU vom Michael-Otto-Institut im NABU durchgeführt wurde. Es hat die Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die Biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel untersucht und in diesem Rahmen 127 Einzelstudien ausgewertet. Die Ergebnisse werden am 17. Dezember präsentiert und im Anschluss veröffentlicht werden. Ich möchte auch gerne noch auf ein weiteres Konfliktfeld eingehen: die Auswirkungen von Windkraftanlagen auf das Landschaftsbild. Das ist ebenfalls ein oft im Zusammenhang mit der Erholungsfunktion derzeit viel diskutiertes Thema. Zahlreiche Studien und Untersuchungen zeigen, dass die Befragten deutlich zwischen landschaftsästhetischem Anspruch und energiepolitischen Problembewusstsein abwägen.

Unter den mir bekannten Studien spricht eine Mehrzahl von einer neutralen bis eher positiven Einstellung der Befragten zu Windenergieanlagen. Die Ergebnisse hängen aber von verschiedenen Parametern ab, allen voran natürlich von der individuellen Betroffenheit, also der räumlichen Nähe des Wohnortes zu einem Windkraftstandort. Wesentlicher Faktor für die Akzeptanzbewertung durch die Bevölkerung ist aber auch die spezifische Standortwahl. Die Anlagenzahl je Standort, die Anpassung der Aufstellordnung an die geomorphologischen Standortgegebenheiten, die Fernwirkung und die Beziehung zu Sichtachsen scheinen dabei eine entscheidende Rolle zu spielen. Auch hier sehe ich einen Ansatzpunkt zur Versachlichung dieses Themas, ohne individuelle Betroffenheit in Abrede stellen zu wollen: die uns zur Verfügung stehenden planerischen Instrumente der Raumordnung, Bauleit- und Landschaftsplanung und Eingriffsregelung sollten verantwortungsbewusst, kompetent und vorausschauend eingesetzt werden, um einem möglichen Konflikt zwischen Windparks und Landschaftsbild vorzubeugen. Aktuelle Forschungsergebnisse sollten außerdem genutzt werden, um die Kriterien zur Festsetzung von Eignungs- oder Ausschlussgebieten für die Windkraftnutzung regional zu definieren.

Meine Damen und Herren, Wir haben keine andere Wahl, als diese Konflikte zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der unterschiedlichen Interessen im Ausgleich zu lösen. Es handelt sich hier um Auseinandersetzungen um die Herangehensweise an die zwei gravierendsten globalen Umweltprobleme. Somit haben wir einen regelrechten Zwang zu konstruktiven Lösungen. Eine solche Lösung kann nicht lauten: "generell keine neuen Anlagen mehr". Sie kann auch nicht lauten: "Windenergie um jeden Preis". Eine wirklich konstruktive Lösung kann nur zwischen diesen extremen Auffassungen liegen und muss vor allem im Einzelfall gefunden werden. Für den konkreten Einzelfall hat der Deutsche Naturschutzring einen Vorschlag für Leitlinien für die Standortsuche für Windenergieanlagen erarbeitet, die gleich hier vorgestellt werden. Danach sollen Qualitätsstandards gemeinsam mit Naturschutzverbänden und der Windkraftindustrie entwickelt werden, um einen Ausgleich der Interessen sicherzustellen. Und ich appelliere an die Vertreter der Verbände beider Seiten, diesen Dialog mit Augenmaß und sachorientiert zu führen.

Die Bundesregierung nimmt ihre Verantwortung, gestaltend und moderierend in dieses Konfliktfeld einzugreifen und damit zur Lösung dieser innerökologischen Konflikte beizutragen, aktiv wahr. Ich möchte dies an den Beispielen Forschungsförderung, Anreizmaßnahmen durch das EEG und Windenergienutzung auf See im einzelnen erläutern. Obwohl die Windenergie wie schon erwähnt bereits über 50% bei der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien ausmacht, hat sie in den nächsten 10-20 Jahren das mit Abstand größte Ausbaupotenzial unter den erneuerbaren Energien. Um dieses Ausbaupotenzial voll zu nutzen und gleichzeitig den Ausbau natur- und umweltverträglich zu gestalten, kommt der Forschung im Bereich Windenergie eine zentrale Bedeutung zu. In den letzten Jahren förderte das Bundesumweltministerium die Windenergie mit ca. einem Viertel der Forschungsmittel aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Mit dem Ausbau der Windenergie sind nicht nur technologische, sondern auch ökologische Herausforderungen verbunden.

Vor diesem Hintergrund hat das BMU gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden Schwerpunkte für die zukünftige Ausrichtung der Windenergieforschung erarbeitet. Im Mittelpunkt stehen Forschungsaktivitäten im Bereich der Offshore-Windenergienutzung und zur Integration der Windkraft ins Stromnetz. Die Technikforschung ist vorwiegend anwendungsorientiert und hat nicht nur zum Ziel, die Kosten der Windenergie zu senken, Ertrag und Verfügbarkeit der Anlagen zu erhöhen, sondern auch die Belastung von Natur, Umwelt und Mensch zu reduzieren. Dazu gehört neben der Optimierung der Anlagentechnik sowie der Herstellung von Komponenten auch die Entwicklung von Speicher-, Transport-, Logistik- und Wartungskonzepten für Offshore-Anlagen.

Über die technologische Entwicklung hinaus ist von entscheidender Bedeutung, dass der Ausbau der Windenergie umwelt- und naturverträglich erfolgt. Daher wird der ökologischen Begleitforschung ein hoher Stellenwert eingeräumt. Es wurden bereits eine Reihe von wichtigen Vorhaben durchgeführt. Sie reichen von Handlungsempfehlungen für die Planung über die Definition von naturschutzfachlichen Kriterien bis hin zur Entwicklung von Strategien für die naturverträgliche Windenergienutzung auf Land und auf See. Wir haben darüber hinaus weiteren erheblichen Forschungsbedarf identifiziert: Für die Windenergie Onshore sind vor dem Hintergrund der wachsenden Höhe der Anlagen weitere Untersuchungen über die Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse, insbesondere Meideverhalten und Kollisionshäufigkeiten zu untersuchen.

Es besteht weiterhin Bedarf, geeignete Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, z.B. die Beleuchtung der Anlagen, zu entwickeln, sowie akzeptanzbezogene Fragestellungen im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes aufzuarbeiten. Für Windenergie Offshore müssen vor allem die naturschutzfachlichen Bewertungsgrundlagen und Prognosemodelle weiterentwickelt werden. Schon jetzt werden die natürliche Ausstattung, z.B. Verbreitung, Häufigkeit und Raumnutzung von Meeressäugetieren sowie Vogelzuggeschehen, der für die Offshore Windenergie vorgesehenen Meeresgebiete bereits vor dem Bau von Windparks erfasst. Dies muss fortgesetzt werden. Für eine zentrale Aufgabe der ökologischen Begleitforschung für Windenergie Offshore halte ich es, Untersuchungen zur Bewertung der Auswirkungen von Offshore Windenergieanlagen - z.B. durch Lärm, Leitungserwärmungen und Erschütterungen - auf die marinen Ökosysteme durchzuführen und hierfür Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen zu entwickeln. Insbesondere ist es notwendig, zeitnah das Kollisionsrisiko für Vögel zu ermitteln und zu bewerten. Weiterhin müssen kumulierende Wirkungen von Windenergieanlagen, Schiffsverkehr, Fischerei und der Gewinnung von Bodenschätzen untersucht werden.

Insbesondere bei der ökologischen Begleitforschung spielt die plattformgestützte Forschung in Nord- und Ostsee eine große Rolle. Die Schwerpunkte zur Forschungsförderung im Bereich Windenergie sind ebenso wie die genannten Schwerpunkte der ökologischen Begleitforschung für die Windenergie in den Entwurf des Energieforschungsprogramms der Bundesregierung eingeflossen. Dieser Entwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Für den Bereich Forschung ist damit eine wichtige Voraussetzung geschaffen, neue Lösungsansätze für den innerökologischen Konflikt zu entwickeln. Für den Bereich Anreizmaßnahmen wurden wichtige Voraussetzungen durch das neue Erneuerbare Energien Gesetzes geschaffen. Das EEG gehört zu den wirkungsvollsten und effizientesten Klimaschutzinstrumenten in Deutschland. Im Jahr 2003 wurden durch die Nutzung der erneuerbaren Energien insgesamt rund 53 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart. Davon waren 23 Millionen Tonnen auf das EEG zurückzuführen. Für das Jahr 2010 ist damit zu rechnen, dass durch die erneuerbaren Energien rund 90 Millionen Tonnen des Treibhausgases vermieden werden, alleine durch das EEG mindestens 42 Millionen. Ziel des EEG ist es, den Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromerzeugung auf mindestens 12,5% bis zum Jahre 2010 und auf mindestens 20% bis zum Jahre 2020 zu steigern.

Mit dieser Zielvorgabe erhalten die Akteure einen klaren Rahmen und die notwendige Investitionssicherheit zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Zweck des Gesetzes ist ausdrücklich auch, die Natur zu schützen. Diese Zwecksetzung findet sich bei der Ausgestaltung der einzelnen Vergütungsregelungen zu den verschiedenen Energieträgern wieder. Das gilt auch für die Windenergie:Für Anlagen, die aufgrund eines im Voraus zu erstellenden Gutachtens an dem geplanten Standort nicht mindestens 60% eines Referenzertrages erzielen können, besteht kein Vergütungsanspruch mehr. Damit entfallen die ökonomischen Anreize zur Installation von Anlagen an windschwachen Standorten. Windenergieanlagen werden an ertragreiche Standorte gelenkt und dadurch die Effizienz gesteigert.

Das Ausbauziel für die Windenergie kann somit mit weniger und konzentrierteren Eingriffen für Natur und Landschaft erreicht werden, die vor Ort durch die Bauleitplanung gesteuert werden können. Die deutliche Absenkung des Basis-Vergütungssatzes wirkt sich vor allem an sehr guten Küstenstandorten aus und soll eine potenzielle Überförderung dieser Anlagen vermeiden. Insbesondere für die Küstenstandorte gibt es im neuen EEG Anreize für das Repowering, also den Ersatz alter und kleiner durch moderne und leistungsfähige Anlagen. Auch das steigert die Effizienz der Stromerzeugung aus Windenergie. Eine für mich als Leiter der Naturschutz-Abteilung im Bundesumweltministerium besonders wichtige Regelung betrifft die Vergütung von Windenergie auf See. Wie Sie sicherlich wissen, wird Strom aus Offshore-Windenergieanlagen, deren Errichtung nach dem 1. Januar 2005 in der AWZ oder dem Küstenmeer genehmigt worden ist, nur bei einer Errichtung außerhalb der Natura 2000 Gebiete vergütet. Damit hat der Gesetzgeber eine klare Regelung geschaffen, um mögliche Konflikte zwischen dem Ausbau der Windenergie und dem Naturschutz zu vermeiden. Die Regelungen im EEG sind eingebettet in die Strategie der Bundesregierung zur Windenergienutzung auf See.

Diese Strategie, nach der der Anteil der Offshore-Windenergie am Stromverbrauch innerhalb der nächsten drei Jahrezehnte 15% abdecken könnte, gibt den Rahmen für die Erschließung der erheblichen Potenziale.. Auf der Grundlage dieses Rahmens legt die Bundesregierung mit einer "Raumordnung auf See" Naturschutzgebiete und Eignungsgebiete fest. Damit wird Rechts- und Planungssicherheit sowohl für Investitionen in Windparks als auch für den Meeresnaturschutz geschaffen. Rechtliche Grundlage für die Ausweisung von Meeresschutzgebieten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone ist das Bundesnaturschutzgesetz aus dem Jahre 2002. Danach können diese Gebiete nach der Fauna-Flora-Habitat- sowie der Vogelschutz-Richtlinie in das europäische Netz Natura 2000 integriert werden und einen Beitrag zur Sicherung und Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustandes von Arten und Lebensraumtypen leisten. Die Bundesregierung hat es geschafft, innerhalb von nur 2 Jahren, 8 FFH-Gebiete und 2 Vogelschutzgebiete zu identifizieren, festzulegen und an die Europäische Kommission zu melden. Nun gilt es, diese Gebiete national unter Schutz zu stellen. Dies steht für die Vogelschutzgebiete nunmehr unmittelbar bevor. Die FFH-Gebiete müssen zunächst durch die Europäische Kommission als Teile des Netzes Natura 2000 in die Gemeinschaftsliste, aufgenommen werden. Sobald eine Abstimmung innerhalb der Bundesregierung erfolgt ist, sollen die Entwürfe für Schutzgebietsverordnungen für die Vogelschutzgebiete im Sinne eines transparenten Verfahrens Behörden, Vereinigungen sowie der betroffenen Öffentlichkeit vorgestellt und mit den Beteiligten erörtert werden.

Wir rechnen damit, dass Ende 2006 die Erklärung der Vogelschutzgebiete zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft abgeschlossen sein wird. Auch das Verfahren zur Ausweisung von besonderen Eignungsgebieten nach Seeanlagenverordnung wurde vom Bundesamt für Seeschifffahrt eingeleitet. Darüber hinaus sind gemäß Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) bis zum Ende dieses Jahres festgelegte besondere Eignungsgebiete als Ziele der Raumordnung zu übernehmen und ab 1.1. 2006 als Vorranggebiete nach Raumordnungsgesetz festzulegen. Ich meine, mit der Vergütungsregelung des EEG, der Festlegung von Meeresschutzgebieten und der Festlegung von Eignungsgebieten liegt ein stimmiges Konzept für Windenergie Offshore in der AWZ vor, das sowohl dem Ausbauziel der erneuerbaren Energien als auch den Anliegen des Naturschutzes gerecht wird.

Für Sie hier in Niedersachsen ist nicht nur die AWZ, sondern natürlich auch das Küstenmeer von besonderem Interesse. Wie bereits gesagt, gilt für das Küstenmeer ebenso wie für die AWZ der Ausschluss der Vergütung nach EEG für Windenergieanlagen in Natura 2000 Gebieten. Somit ist auch für das Küstenmeer eine klare Lenkungswirkung gegeben. Dies gilt auch für die in Planung befindlichen Windparks "Borkum Riffgat" und "Nordergründe". Der Presserklärung des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 8.11. habe ich entnommen, dass die neuesten Gutachten zu Verbreitungsschwerpunkten von Seevögeln in der Nordsee Niedersachsens zum Ergebnis kommen, dass sich die wichtigsten Vogellebensräume für seltene Arten wie Seetaucher, Brandseeschwalbe und Zwergmöwe nicht mit den geplanten Offshore Windparks überschneiden.

In Niedersachsen ist der Ausbau des Stromnetzes ein Thema, das sehr emotional diskutiert wird. Ich bin der Meinung, dass ein weiterer Ausbau von Kabeltrassen, insbesondere von Hochspannungsmasten, für die Verteilung des Stroms aus den geplanten Offshore-Windparks oder des Repowerings, so weit dies möglich ist, vermieden werden sollte. Dies gilt insbesondere dann, wenn alternative Möglichkeiten im technischen Bereich bestehen, z.B. durch Speichertechnologien. In welchem Umfang tatsächlich Netzkapazitäten benötigt werden, wird derzeit im Rahmen der dena-Netzstudie untersucht. Erste Ergebnisse sollen Anfang nächsten Jahres vorliegen. Im Rahmen des Umweltforschungsplans des BMU sollen aufbauend auf die dena-Studie alternative Möglichkeiten der Trassenverlegung untersucht werden. Ein wichtiger Aspekt ist dabei u.a. die Möglichkeit der Erdkabelverlegung sowie die Verlegung an bereits vorhandenen Trassen, wie z.B. Bahngleisen und Tunneln. Dass Erdkabel auf der 110-kV-Ebene bei einer Betrachtung aller Kostenfaktoren nicht teurer sind als Freilandleitungen, hat kürzlich eine Studie ergeben, die der Bundesverband WindEnergie in Auftrag gegeben hat. Diese Studie wurde allerdings bereits durch Gegengutachten - u.a. durch Eon - kritisiert.

Sie sehen: In dem Thema steckt noch viel Untersuchungs- und Klärungsbedarf. Das BMU wird hierzu seinen Beitrag liefern. Meine Damen und Herren, Niedersachsen ist aufgrund seiner geografischen Lage ein besonders guter Standort für Windenergie, sowohl an Land als auch auf See. Dies habe nicht nur ich, sondern haben ganz offensichtlich auch zahlreiche Windkraftbetreiber erkannt. Niedersachsen ist aber auch in anderer Hinsicht ein guter Standort: nämlich durch seine engagiert und fachlich fundiert handelnden Naturschützerinnen und Naturschützer. Mit anderen Worten, Niedersachsen hat alle Voraussetzungen dafür, ein Musterland für Musterlösungen zwischen Naturschutzanliegen und Windenergieausbau zu werden. Diese Lösungen können nur dann beispielgebend für andere sein, wenn die Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Interessen konstruktiv zusammenarbeiten. In diesem Sinne wünsche ich allen, die für den naturverträglichen Ausbau der Windenergie in Niedersachsen Verantwortung tragen, viel Erfolg!

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