Ostfriesland: Schaufenster für Windkraftanlagen, überforderte
Ratsgremien und eine Stellungnahme von Uilke van der Meer
Es sind eigentlich immer nur ganz Wenige, die ihre Privatinteressen
auf Kosten der Allgemeinheit brachial durchzusetzen versuchen. Bei der
Installierung von Windkraftanlagen wird das besonders deutlich. Gigantische
Industriebauwerke von bis zu 180m Gesamthöhe und 112m Rotordurchmesser
werden in die Landschaft gestellt. Dazu bedarf es lediglich, wenn man
es geschickt anstellt, eines geänderten Flächennutzungsplanes,
und das machen Gemeinderatsmitglieder. Gemeinderatsmitglieder oder deren
Angehörige sind aber oft selbst Betreiber der einträglichen
Windkraftanlagen und dürfen in Niedersachsen als Beteiligte selbst über
ihre eigenen Angelegenheiten mit abstimmen. Offensichtlich sind aber
gewählte Räte häufig überfordert, überhaupt
einen gerichtsfesten Flächennutzungplan zu verabschieden; und hauptamtliche
Juristen bei den Landkreisen ebenfalls.
Diese Qualitätslücke hat der Rechtsanwalt Jann Berghaus aus
Aurich klar erkannt. Als bekannter Fachanwalt für Verfahrensrecht
ist er landesweit für Investoren und Betreiber unterwegs, um in
deren Sinne diese Lücken aufzupüren und weitere Anlagen durchzusetzen.
Das ist an sich nichts Verwerfliches, es ist zweifellos rechtens und
sein Beruf. Er profitiert von den niedrigen gesetzlichen Hürden
und des politisch gewollten forcierten Ausbaus der Windkraft als sogennante "alternative
Energie", die sie nicht ist, weil keine thermischen Kraftwerke
dafür abgeschaltet werden können. Beklagenswert ist allerdings,
dass Betreiber mit rechtlicher Unterstützung "unwilligen" Kommunen
mit gewaltigen und überzogenen Schadensersatzforderungen drohen,
wenn man nicht im Sinne der Betreiber verfährt. Meistens knicken
die Selbstverwaltungsgremien dann ein.
Die Genehmigungshürden, eine Garage an die Grundstücksgrenze
seines Nachbarn zu bauen, sind da wohl höher.
Anzeiger für Harlingerland 30.01.2004 (S. 6)
Kritik an Windkraft-Planungen
Manfred Knake: "Kompetenter Anwalt ist der Anwalt der Betreiber"
Wattenrat: Genehmigungspraxis für Windkraftanlagen muss verschärft
werden.
WESTERHOLT / ESENS / HPH - Der Wattenrat Ost-Friesland reagierte gestern
in einer Stellungnahme auf die Ankündigung, dass in der Gemeinde
Nenndorf acht neue Windkraftanlagen gebaut werden sollen. Insbesondere
bezieht sich der Sprecher Manfred Knake auf die Äußerung
von Holtriems Samtgemeindebürgermeister Harm Poppen, wonach die
Samtgemeinde ihren Flächennutzungsplan juristisch genau prüfen
lassen habe.
Der im Artikel genannte "kompetente Anwalt" sei kein anderer
als der Anwalt der Betreiber, Jann Berghaus (Aurich), der auch schon über
die zum Teil identischen Betreiber Druck auf die Nachbargemeinde Dornum
ausgeübt habe, wo mit horrenden Schadensersatzforderung der Bau
von weiteren Anlagen außerhalb der F-Planfläche durchgesetzt
werden sollte, schreibt der Esenser Knake. Berghaus rede also in eigener
Sache.
"Man nehme einen Anwalt, suche nach Planungsfehlern oder Genehmigungslücken,
mache Druck mit Schadensersatzforderungen bei Nichtgenehmigung und stelle
dann, wenn die Gemeinde oder der Landkreis vor dem finanziellen Schreckensszenario
einknickt, zum Wohle der eigenen Geldbörse riesige Windkraftanlagen
auf und verkaufe das ganze als ,Bürgerwindpark'. Es verdienen der
Anwalt, die Betreiber und der Hersteller; die Landschaft Ostfrieslands
hat schon verloren. Kommunale Selbstverwaltung in Ostfriesland: nur noch
Geisel oder Erfüllungsgehilfe einer wuchernden Selbstbedienungsmentalität
weniger Windkraftbetreiber?", fragt Knake.
Und schließlich heißt es in der Stellungnahme: Die Genehmigungspraxis
für diese riesigen Industrieanlagen müsste erheblich verschärft
werden, dann hätte der Spuk ein Ende. "Es bleibt zu klären,
wo Herr Berghaus dieses einträgliche Spiel noch betreibt."
Ostfr. Kurier (Norden/Ostfriesland), 07. Januar 2003
"Windkraft nützt nur den Betreibern"
Uilke van der Meer: Verbraucher zahlen die Zeche - Reaktion auf Dornumer
Pläne für neue Anlagen
Der Sprecher des Arbeitskreises Umweltschutz spricht von fatalen Auswirkungen
auf die touristische Entwicklung.
Dornum/ime/mg - Immer wieder wird öffentlichkeitswirksan vermeldet:
Deutschland ist Weltmeister bei der Windkraft-Nutzung. Dies aber ist
offensichtlich nur eine Seite der Medaille. Die andere: Obwohl ständig
mehr und immer höhere Turbinen mit steigenden Leistungen gebaut
werden, sinke deren Gesamtertrag, sagt Uilke van der Meer, Vorsitzender
des Arbeitskreises Umweltschutz (AKU) Norden im Landesverband Bürgerinitiativen
Umweltschutz (LBU) Niedersachsen. "Die von den Windkraft-Befürwortern
zugrunde gelegten Prognosen erfüllten sich nicht", ist van
der Meer überzeugt.
Uilke van der Meer: Die Landschaft wird mit Windrädern zugestellt.
Der gebürtige Niederländer, der seit vielen Jahren in Ostfriesland
lebt, reagiert mit seiner Einschätzung auf den möglichen Ausbau
der Windkraft-Nutzung in der Gemeinde Dornum. Dort sollen, wie berichtet,
fast 40 neue Turbinen entstehen. Zumindest, wenn es nach dem Willen mehrerer
Investoren geht. Van der Meer ist einer der Haupt-Organisatoren des Widerstandes
vor Ort und strebt eine gemeinsame Klage der Windkraft-Kritiker gegen
die geplanten Anlagen an. Finanziell wäre ein solcher juristischer
Schritt nach seinen Angaben dank der Unterstützung mehrerer Dornumer
abgesichert. Das Gutachten einer Oldenburger Fachanwältin hatte
einer Klage durchaus gute Chancen eingeräumt.
Van der Meers Kritik richtet sich aber nicht ausschließlich gegen
die Dornumer Pläne, sondern gegen ein seiner Ansicht nach vorhandenes
Ausufern der Windkraft-Nutzung im Allgemeinen. Er spricht von einer "Horizontverschmutzung" durch
die hohe Turbinen-Dichte an der Küste: "Die freie Fläche
wird mit Windrädern regelrecht zugestellt."
Im Hinblick auf den für die Region, vor allem auch für die
Gemeinde Dornum so wichtigen Tourismus sei dies eine fatale Entwicklung,
betonte der Naturschützer. Urlauber würden nicht selten von
surrenden Geräuschen, Lichtreflexen oder dem Schattenwurf der Windräder
unangenehm überrascht und abgeschreckt. Die einstige Idylle sei
vielerorts bereits dahin, sagt van der Meer, der von einer "durch
Windturbinen industriell überformten Landschaft" spricht.
Weiterer Grund für den Widerstand: Nach Auffassung des Arbeitskreis-Vorsitzenden
nütze die Windkraft finanziell nur den Betreibern. Die Allgemeinheit
zahle dagegen die Zeche. Denn für die Verbraucher rechne sich die
Windkraft nicht: "Die Betreiber verdienen viel Geld mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) über jeden einzelnen Stromkunden. Die Verbraucher zahlen mehr
für ihren Strom, der in Wirklichkeit überwiegend nicht von
Windkraftanlagen produziert wird."
Hintergrund: Auch wenn der Wind kaum weht - und das sei selbst an der
Nordseeküste oft tagelang der Fall - dürfe das Licht nicht
ausgehen." Konsequenz: Je mehr Windkraftanlagen gebaut werden,
umso mehr traditionelle Großkraftwerke müssen vorgehalten
werden", sagt van der Meer, der auch Mitglied des Wattenrates Ostfriesland
und Leiter des Dornumer Nationalparkhauses ist. Für ein Megawatt-Windstrompotenzial
sei ein Megawatt traditionelles Energiepotenzial bereit zu halten, rechnet
er vor. Denn selbst bei absoluter Flaute verbrauchten die Räder
Strom für den Eigenbetrieb, ohne in dieser Zeit aber selber Energie
zu erzeugen. Die von den Windkraft- Befürworten angeführte
Abgas-Reduzierung und die Vermeidung radioaktiver Abfälle bleibe
daher Wunschdenken. |