Ornithologische Vielfalt durch Windparks??
Wer die umfangreiche Literatur über den Konflikt Windkraft-Beeinträchtigung
von Vogellebensräumen kennt, kann diese Berichterstattung der Ostfriesen
Zeitung in Leer nur kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen.
Da hat der Betreiber und das von ihm beauftragte Planungsbüro Schmal
und Ratzbor ja endlich den nützlichen Gehilfen im Hobby-Ornithologen Klaus
Rettig aus Emden gefunden, der offensichtlich alle Einwände, auch hinsichtlich
der vorliegenden EU-Beschwerde, wegbügeln soll.
Es hat bisher niemand behauptet, dass dort, wo Windkraftanlagen stehen, keine
Vögel mehr vorkommen. Der Redakteur der OZ differenziert nicht, ebenso
Schmal und Ratzbor.
Vielen Singvogelarten sind Windkraftstandorte wohl tatsächlich "egal",
aber gerade Rastvögel wie bestimmte Gänse- oder Limikolenarten, die
sich nur kurzzeitig in ihren Rasthabitaten aufhalten, meiden Windkraftanlagen
weiträumig. Dazu kommen Vorbelastungen der Habitate durch intensive Landwirtschaft,
Verkehrswege oder Hochspannungsleitungen und Ablenkungen von den traditionellen
Zugrouten und Zerschneidung von ehemals zusammenhängenden Lebensräumen.
Zu der Freude der Beobachtung von wildlebenden Vogelarten sollte auch die
Kenntnis der Zusammenhänge kommen, sonst könnte die Vermutung entstehen,
allein die Möglichkeit, gesperrte Gebiete fürs Hobby betreten zu
können, trübe den Blick für das Ganze.
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Ostfriesen-Zeitung 11.10.2003 (S. 14)
Den Vögeln sind die Windmühlen egal
WYBELSUMER POLDER - Außergewöhnliche Tierwelt im Windpark / Experte
Rettig entdeckt 111 Arten
Auch wenn die Rotoren nicht stören: Das Naturschauspiel hat keine Zukunft,
weil die ehemaligen Spülfelder langsam austrocknen.
VON HEINER SCHRÖDER
EMDEN - Am schönsten ist ein lauer Frühlingsabend. Dann beginnen
die Singvögel ihr Konzert. Und Klaus Rettig muss aufpassen, dass er nicht
auf Nester von Bartmeisen oder Blaukehlchen tritt. Der bekannte Vogelkundler
aus Emden genießt solche Abende im Wybelsumer Polder. Ein Vogelparadies
mitten in Europas größtem Windpark.
Rettig entschuldigt sich fast. "Ich bin weder ein Befürworter der
Windenergie noch ein Windenergiehasser", meint er. Damals in den 90er
Jahren, als die Pläne für den Windpark Wybelsumer Polder heiß diskutiert
wurden, hatte er noch eine andere Meinung. Er befürchtete, dass die Vogelwelt
auf den ehemaligen Spülflächen untergeht. Das ist nicht geschehen.
Den Vögeln geht es wie Rettig: Die Windenergieanlagen sind ihnen ziemlich
egal.
Das Vogelparadies im Windpark Wybelsumer Polder zählt mindestens 111
Arten. So viele hat Rettig schon gesehen oder gehört. "Eine solche
Vielfalt ist einzigartig", meint Rettig. Zahlreiche bedrohte Vögel
suchen ihre Nahrung zwischen den Windenergieanlagen oder bauen dort ihre Nester.
Rettig hat den Sandregenpfeifer entdeckt, den Wachtelkönig, die Wasserralle
und den Schilfrohrsänger. Alles bedrohte Arten, die im Windpark brüten.
Einige seltene Entenarten, Kampfläufer, Bekassinen, Dunkle Wasserläufer
und Uferschnepfen kommen in manchmal großer Zahl, um für den Flug
in die meist nördlichen Brutgebiete Kraft zu tanken.
Aber der Wybelsumer Polder ist ein Vogelparadies auf Abruf. Denn er ist von
Menschenhand geschaffen. Bevor das Hafenamt den Wybelsumer Polder als Überspülungsfläche
entdeckte, wurde er landwirtschaftlich genutzt. Da waren auch Vögel, aber
von einem Paradies konnte keine Rede sein. Das entstand erst durch Überschlickung,
denn damit kam das leicht salzige Brackwasser. Als kein Schlick und Sand aus
der Emder Hafeneinfahrt mehr auf den Polder gepumpt wurden, entstanden innerhalb
kurzer Zeit Teiche mit einer lebhaften Tierwelt.
Rettig hätte heute nichts dagegen, wenn die Spülfelder wieder genutzt
würden. Denn im Laufe der Jahre versickerte das Wasser. Im Windpark gibt
es mittlerweile nur noch eine größere Wasserfläche direkt unter
einer mächtigen E-66 der Windenergiefirma Enercon.
Ab und zu findet er mal eine Taube, die von den Rotoren erschlagen worden
ist. Ein paar Gänse haben sich auch verzogen. "Aber ansonsten scheinen
die Vögel die Windmühlen gar nicht wahrzunehmen", meint Rettig.
Das hört natürlich der Windparkbetreiber IfE aus Emden gerne. Die
Europäische Union beschäftigt sich nämlich mit dem Windpark,
weil er angeblich gegen europäische Naturschutzrichtlinien verstößt.
Nicht nur, dass sich die Vögel an den modernen Windmühlen nicht stören.
Im Gegenteil: Weil das Windpark-Gelände für die Öffentlichkeit
nicht zugänglich ist, haben die Vögel das, was sie neben dem Wasser
brauchen: Ruhe und Abgeschiedenheit. Wie in einem Naturschutzgebiet. "Das
genießen sie", meint Rettig.
Der Vogelliebhaber, der schon Gutachten für IfE über das Vogelparadies
gemacht hat, darf natürlich jederzeit in den Windpark. Damit er bis zum
letzten Wassertropfen die Frühlingsabende im Windpark genießen kann.
Anfangs hat er befürchtet, dass die Windenergieanlagen das Vogelparadies
in den Spülflächen auf dem Wybelsumer Polder zerstören. Im Laufe
der Jahre hat der Emder Vogelkundler Klaus Rettig gemerkt, dass sich die Vögel
um die Windmühlen gar nicht kümmern.
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