Kaum zu glauben:
Als Begründung, die Planung der Near-Shore Windkraftstandorte vor
Langeoog aufzugeben, gibt der Mitarbeiter der niedersächsischen Staatskanzlei
Schörshusen den "Naturschutz" an, nämlich die Barrierewirkung
der Anlagen für Zugvögel. Tatsächlich haben aber Küstenfischer
und Tourismusvertreter erheblichen öffentlichen Druck gemacht, ganz
anders als die dreizehn anerkannten Naturschutzverbände in Niedersachsen,
von denen bisher kein öffentliches Wort an der Küste zu den
gigantischen Anlagen im Wattenmeer zu hören war. Und das ist für
den Verbandsnaturschutz beschämend!
Wenn es der Staatskanzlei wirklich ernst mit dem Argument "Naturschutz"
wäre, hätte es auch für ganz andere Windkraftstandorte
in Ostfriesland aus "Naturschutzgründen" keine Genehmigung
geben dürfen:
Zum Beispiel Wybelsum bei Emden und 14 weitere Standort in der Marsch,
die in "Important Bird Areas" (IBAs), also faktischen Vogelschutzgebieten
nach der EU-Vogelschutzrichtlinie, errichtet wurden. Gegen den Standort
Wybelsum, der im September vom niedersächsischen Ministerpräsidenten
Gabriel mit viel öffentlichem Getöse eröffnet wurde, läuft
ein Mahnverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland wegen der Verletzung
der EU-Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie, das in eine Klage vor
dem Europäischen Gerichtshof münden kann. Beschwerdeführer
ist der Wattenrat Ostfriesland. Das wird in der Staatskanzlei (noch) locker
ausgesessen und ignoriert.
Auch der geplante Windkraftstandort "Nordergründe"(Betreiber
Energiekontor Bremen, Planungsbüro IBL) mitten im Wattenmeer zwischen
den Vogelschutzinseln Scharhörn und Mellum wird kräftig vorangetrieben:
Noch im Herbst 2002 soll das Raumordnungsverfahren von der Bezirksregierung
Weser-Ems eröffnet werden, und zwar "ohne die vollständige
Abarbeitung eines zweijährigen Untersuchungszeitraumes abzuwarten"
(Bez.Reg. Lüneburg, 07.10.2002, Az: 201a.20223/28).
In einem halben Jahr nach der Eröffnung muss in Niedersachsen ein
Raumordnunsgverfahren abgeschlossen sein, dann müssen die Fakten
auf den Tisch. Wie will man in der Zeit ausreichend überzeugende
Daten sammeln?
Wenn Langeoog aus Gründen des Naturschutzes nicht durchführbar
ist, warum denn ausgerechnet der Standort Nordergründe. Gibt es da
weniger Vögel, gibt es dort keine Barrierewirkung durch gestaffelt
aufgestellte 180m hohe Windrotoren? Oder anders: Woher weiß die
Staatskanzlei schon jetzt, dass vor Langeoog Probleme mit dem Vogelzug
auftreten, wo hingegen im Watt zwischen Mellum und Scharhörn noch
Untersuchungen durchgeführt werden müssen? Für den Vogelzug
liegen diese Bereiche nur unwesentlich weit auseinander.
Bereits 1991 hatten die Staaten Dänemark, Deutschland und Niederlande
auf der 6. trilateralen Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres
in Esbjerg beschlossen, keine Windkraftwerke im Wattenmeer zuzulassen.
Auch das wird in Niedersachsen schlicht ignoriert und der Naturschutzbegriff
zur dehnbaren Knetmasse, je nach Interessenlage.
M.K.
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