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Wattenrat: Kein Anlass zur Freude anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer
Pressemitteilung 04. Januar 2006 Nr. 01/2006
Nach wie vor eine Fülle von Defiziten und keine internationale Anerkennung
Für den Wattenrat Ost-Friesland ist der öffentliche Jubiläumsjubel zum 2o-jährigen Bestehen des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer fast ausschließlich Regierungspropaganda, die mit der Wirklichkeit im Nationalpark nichts zu tun hat, sagt Manfred Knake, Koordinator des Wattenrates, der selbst 20 Jahre lang ehrenamtlicher Landschaftswart und 5 Jahre lang Mitglied im Nationalparkbeirat war.
Bis vor fünf Jahren hatten auch die Naturschutzverbände im Fünfjahresabstand sog. "Nationalparkbilanzen" veröffentlicht, zum 20. Jahrestag sind die Verbände bisher nicht öffentlich mit einer Bewertung zum Nationalparkjubiläum in Erscheinung getreten.
Nach wie vor gelten die Defizite, die die Naturschutzverbände noch bis vor 5 Jahren in der damaligen Nationalparkbilanz geäußert hatten:
- Miesmuschelfang von Wildmuschelbänken und deren Zerstörung
- keine Fischerei-Schutzzonen mit Fangbeschränkungen
- kaum Beschränkungen für die Landwirtschaft im Innen- und Außendeichbereich
- immer noch Zulässigkeit der Jagd auf den Inseln und im Deichvorland des Festlandes, auch in den strengsten Schutzzonen, den Ruhezonen
- keine gesetzlichen Mindestflughöhen über dem Schutzgebiet
- großzügige Befahrensregelung für Sportboote
- nach wie vor Bodenschatzexplorationen mit Sprengungen
- kein Nationalparkplan mit festgelegten Entwicklungszielen
- keine Einbeziehung der Flussmünden von Ems, Elbe und Weser in den Nationalpark
- unzureichender Schutz des Nationalparks vor Kabel- und Leitungstrassenneubau
- Offshore-Windparkplanungen im Wattenmeer an der Nationalparkgrenze bei Borkum und vor Cuxhaven
- unkontrollierter Massentourismus ohne ausreichende Kontrolle in der Fläche
- nur sieben hauptamtliche Nationalparkwächter ohne Boote und Fahrzeuge und vor allem ohne Kompetenzen auf 280.000 Hektar Fläche
Heute kommen die Einsparungen bei den Nationalparkhäusern dazu, die damit ihren unbestritten hervorragend ausgeführten Informations- und Bildungsauftrag unter Abstrichen bei den Personal- und Sachkosten nur eingeschränkt weiterführen können.
Positiv ist allein die Beendigung der Herzmuschelfischerei und der Wattenjagd sowie die, wenn auch eingeschränkte, Information über das Schutzgebiet zu bewerten.
Der Wattenrat sieht die Nationalparkverwaltung nach der Zerschlagung des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (NLÖ) und nach der Eingliederung der Landesnaturschutzverwaltung in die Küstenschutztbehörde NLWKN überwiegend als Dienstleister für die Tourismusindustrie, nicht aber als offensive Naturschutzbehörde.
Es wird in der regierungsamtlichen Propaganda auch verschwiegen, dass nach der Gesetzesnovellierung des Nationalparkgesetzes 2001 fast 90 Schutzbereiche auf Drängen der Tourismusindustrie aus dem Nationalpark herausgenommen wurden. Dagegen hatte der Wattenrat bei der EU-Kommission wegen Verletzung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde angenommen und in ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingearbeitet. International ist dieser Nationalpark wegen der vielen Defizite immer noch nicht nach den Standards der International Union for Conservation of Nature (IUCN) anerkannt. Die angestrebte Anerkennung als UNESCO-Weltnaturerbe wird ausschließlich als Marketing-Instrument der Tourismuswirtschaft von der Landesregierung betrieben, obwohl die UNESCO deutlich mehr Schutzstandards fordert. Dieser Nationalpark, so der Wattenrat, ist eigentlich gar keiner. Er ist nach wie vor überwiegend ein Freizeitpark im Dienste der Tourismusindustrie mit grünem Anstrich.