Schreiben des Landkreis Aurich
Landkreis Aurich 26506 Norden
Der Landrat Fräuleinshof 12
LBU Niedersachsen e.V.
Alexanderstraße 7
30159 Hannover
Err. von WKA in Dornum 1V-600-50 Datum: 01.10. 2003 29.09.2003
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr ***,
bei den im Bereich der Gemeinde Dornum geplanten Windkraftanlagen handelt
es sich entgegen Ihrer Ansicht nicht um eine nach den Bestimmungen des
BundesImmissionsschutzgesetzes (BlmSchG) genehmigungspflichtige Windfarm
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über genehmigungsbedurftige
Anlagen (4 BlmSchV) in Verbindung mit Ziffer 1.6 der Anlage zur 4. BImSchV
bedürfen Windfarmen mit mindestens 3 Windkraftanlagen der Genehmigung
nach dem BImSchG
Die in der Anlage zur 4 BImSchV bestimmten Voraussetzungen liegen gemäß § 1
Abs. 3 der 4 BImSchV auch vor, wenn mehrere Anlagen derselben Art in
einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen (gemeinsame
Anlage) und zusammen die maßgeben den Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen
erreichen oder überschreiten werden
Ein enger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang ist gegeben,
wenn die Anlagen 1. auf demselben Betriebsgelände liegen, 2. mit
gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und 3. einem vergleichbaren
technischen Zweck dienen.
Von diesen drei Voraussetzungen die kumulativ vorliegen müssen
ist bereits die erste nicht erfüllt.
Um dasselbe Betriebsgelände handelt es sich bei einer von demselben
Betreiber im räumlichen Zusammenhang mit Anlagen bebauten Fläche.
Ein Gelände, auf dem Anlagen von verschiedenen natürlichen
oder juristischen Personen betrieben werden, ist nicht als einheitliches
Betriebsgelände anzusehen. Sofern mehrere Betreiber nicht in einer
Gesellschaft zusammengeschlossen sind, bilden ihre Anlagen keine gemeinsame
Anlage (Feldhaus, Kommentar BlmSchG, § 1 der 4. BlmSchV RdNr 21
u 22).
Seite 2:
Im vorliegenden Fall sind von verschiedenen Personen ein bis zwei Anlagen
beantragt worden. Nach Prüfung der genannten Kriterien liegt keine
gemeinsame Anlage vor. Die Anwendung des BImSchG ist daher nicht möglich.
Ebenfalls besteht keine UVP-Pflicht. Die Verpflichtung zur Durchführung
einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht gemäß § 3b
Abs. 1 des Gesetzes ü ber die Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVPG) für ein in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführtes Vorhaben,
wenn die zur Bestimmung seiner Art genannten Merkmale vorliegen. Sofern
Größen- oder Leistungswerte angegeben sind, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung
durchzuführen, wenn die Werte erreicht oder überschritten werden
Nach der Anlage 1 zum UVPG ist für die Errichtung und den Betrieb
einer Windfarm mit 3 bis 5 Anlagen eine standortbezogene Vorprüfung,
einer Windfarm mit 6 bis 19 Anlagen eine allgemeine Vorprüfung und
für eine Windfarm mit 20 oder mehr Anlagen eine Pflicht-UVP durchzuführen.
Gemäß § 3b Abs. 2 S.1 UVPG besteht die Verpflichtung
zur Durchführung einer_Umweltverträglichkeitsprüfung zwar
auch, wenn mehrere Vorhaben derselben Art, die gleichzeitig von demselben
oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen und in einem engen
Zusammenhang stehen (kumulierende Vorhaben), zusammen die maßgeblichen
Größen- oder Leistungswerte erreichen oder überschreiten,
nach Satz 3 gilt der Satz 1 jedoch nur für Vor- haben die für
sich jeweils die Werte für die standortbezogene Vorprüfung
oder, soweit eine solche nicht vorgesehen ist, die Werte für die
allgemeine Vorprüfung nach Anlage 1 Spalte 2 erreichen oder überschreiten.
Bei den vorliegenden Anträgen werden diese Werte nicht erreicht
oder überschritten
Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Wäcken
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Anmerkung zum Brief des LK Aurich:
Formal ist der Inhalt des Briefes korrekt. Nur: Die UVP-Änderungsrichtlinie
der EU (Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3.März 1997) geht aber über
das nationale UVP-Gesetz hinaus: Die EU-UVP-Richtlinie grenzt die UVP-Pflicht
nicht auf 1-2 Anlagen und auf die standortbezogene Vorprüfung ab
3 Anlagen ein. Hier hat Deutschland die Richtlinie wohl betreiberfreundlich,
aber nicht ausreichend, umgesetzt. Dieses Schlupfloch wird jetzt vom
Landkreis Aurich angeführt und von den Betreibern zielstrebig genutzt.
Die Europäische Union wird in ihrer UVP-Änderungsrichtlinie
sehr deutlich:
(Anhang III): Bei der Einzelfalluntersuchung "sind insbesondere
hinsichtlich folgender Punkte zu beurteilen: Größe des Projekts,
Kumulierung mit anderen Projekten,... Die ökologische Empfindlichkeit
der geographischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise
beeinträchtigt werden, muß [!] unter Berücksichtigung
insbesondere folgender Punkte beurteilt werden: ... Küstengebiete..."
Genau dies, und die geltenden Abstandregelungen zu Nachbarwindparks,
die Ersatzmaßnahmen und die Beteiligung der Naturschutzverbände
umschifft die Planung der Anlagen nach nationalem UVP-Gesetz, wenn ein
Betreiber immer nur bis 2 Anlagen beantragt und so der Begriff "Windfarm" oder "Windpark" nicht
erscheint.
Das Problem ist erkannt, aber das OVG Lüneburg hat dazu sehr Betreiberfreundlich
gesprochen (Az: 1 LA 329/02 und 1 LA 328/02 vom 24.Juli 2003).
Auch die Niedersächsische Landesregierung verspürt offenbar
Unbehagen ob der rechtlich verwickelten Situation und des drohenden weiteren
Zubaus der Landschaft mit "Einzelanlagen", die in Wirklichkeit
riesige Wind"parks" sind. In der "Weißen Mappe 2003",
als Antwort auf die "Rote Mappe 2003" des Niedersächsischen
Heimatbundes, wird von ihr auf das vorgetragene Problem unter Punkt 217/03
u.a. geantwortet: "Die Ursache des Problems, eine zu komplizierte
und nicht gelungene Verzahnung der Anforderungen des BImSchG und des
UVPG, kann nur der Bundesgesetzgeber beheben."
Und das kann dauern, wenn es überhaupt bei der Windkrafteuphorie
des Herrn Trittin als Problem erkannt wird. |