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Windenergieplanung Dornum, LK Aurich  

Pressemitteilung 07. Oktober 2003   Nr. 08/2003

Mit dreisten Planungstricks Verträglichkeitsprüfungen umgehen

Esens/Dornum. Als dreisten Versuch , geltendes Planungs- und Immissionschutzrecht zu umgehen, bezeichnet der Wattenrat Ost-Friesland die Anträge der Betreiber in der Gemeinde Dornum/LK Aurich, einen riesigen Windpark mit zunächst 29 Anlagen bis zu 172m Höhe als "Einzelanlagen" zu deklarieren.

Verschiedene Naturschutzverbände hatten beim Landkreis Aurich um Beteiligung am Genehmigungsverfahren gebeten und eine Umweltverträglichkeitsstudie nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz verlangt.

Der Landkreis Aurich sieht in seinem Antwortschreiben keine Grundlage für solch ein Verfahren und begründet dies u.a. damit, dass in diesem Falle "von verschiedenen Personen ein bis zwei Anlagen beantragt worden" sind und keine "gemeinsame Anlage" vorläge. Daher sei die Anwendung des Bundesimmisionsschutzgesetzes nicht möglich. [Schreiben des Landkreises weiter unten].

Der Wattenrat Ost-Friesland moniert, dass durch juristische Tricksereien so die Verträglichkeitsprüfung und die geltenden Abstandsregelungen für die unmittelbar anschließenden bereits bestehenden Nachbarwindparks Holtriem und Georgshof ausgehebelt werden. Bereits der Windpark Georgshof mit 19 Anlagen wurde genau in einem vorher bekannten "national bedeutsamen" Vogelschutzgebiet errichtet. Wenn dieses offenkundige windige Verfahren Schule mache, seien Megawindparks ohne Verträglichkeitsstudien und Verbändebeteiligungen Tür und Tor geöffnet; man müsse solche riesigen Industrieanlagen nur als "Einzelanlagen" bezeichnen, um Auflagen oder Verbote zu umgehen.

Eine kleine Gruppe von Betreibern setze in Dornum mit Hilfe des Landkreises rücksichtslos eigene Geschäftsinteressen durch, gegen den Landschafts- und Naturschutz und gegen die Interessen der Bevölkerung. Einer der Betreiber der geplanten neuen Anlagen ist das Ratsmitglied und Vorsitzender des Bauausschusses der Gemeinde Dornum, Bernd Haseborg, der schon mit seinen umstrittenen Putenmastställen im Gemeindegebiet für Schlagzeilen sorgte. Die Betreibergruppe werde sogar in die Flächennutzungsplanänderung mit einbezogen, damit Sie ihre Vorstellungen einbringen könne.

In der tatsächlichen Auswirkung hinsichtlich Lärm, Schattenwurf und Landschaftsverbrauch handele es sich bei der Massierung dieser angeblichen "Einzelanlagen" tatsächlich um einen Windpark, der rechtlich und optisch auch als solcher zu bewerten sei.

Der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU), mit dem der Wattenrat kooperiert, wird zunächst durch einen Juristen Akteneinsicht in das Verfahren nehmen.

Eigentlich für jedermann von weitem ersichtlich: die Gemeinde Dornum braucht deutlich mehr Windmühlen! Oder?!

 

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Schreiben des Landkreis Aurich

Landkreis Aurich 26506 Norden

Der Landrat Fräuleinshof 12

LBU Niedersachsen e.V.

Alexanderstraße 7

30159 Hannover

Err. von WKA in Dornum 1V-600-50 Datum: 01.10. 2003 29.09.2003

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr ***,

bei den im Bereich der Gemeinde Dornum geplanten Windkraftanlagen handelt es sich entgegen Ihrer Ansicht nicht um eine nach den Bestimmungen des BundesImmissionsschutzgesetzes (BlmSchG) genehmigungspflichtige Windfarm

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über genehmigungsbedurftige Anlagen (4 BlmSchV) in Verbindung mit Ziffer 1.6 der Anlage zur 4. BImSchV bedürfen Windfarmen mit mindestens 3 Windkraftanlagen der Genehmigung nach dem BImSchG

Die in der Anlage zur 4 BImSchV bestimmten Voraussetzungen liegen gemäß § 1 Abs. 3 der 4 BImSchV auch vor, wenn mehrere Anlagen derselben Art in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen (gemeinsame Anlage) und zusammen die maßgeben den Leistungsgrenzen oder Anlagengrößen erreichen oder überschreiten werden

Ein enger räumlicher und betrieblicher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Anlagen 1. auf demselben Betriebsgelände liegen, 2. mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen verbunden sind und 3. einem vergleichbaren technischen Zweck dienen.

Von diesen drei Voraussetzungen die kumulativ vorliegen müssen ist bereits die erste nicht erfüllt.

Um dasselbe Betriebsgelände handelt es sich bei einer von demselben Betreiber im räumlichen Zusammenhang mit Anlagen bebauten Fläche. Ein Gelände, auf dem Anlagen von verschiedenen natürlichen oder juristischen Personen betrieben werden, ist nicht als einheitliches Betriebsgelände anzusehen. Sofern mehrere Betreiber nicht in einer Gesellschaft zusammengeschlossen sind, bilden ihre Anlagen keine gemeinsame Anlage (Feldhaus, Kommentar BlmSchG, § 1 der 4. BlmSchV RdNr 21 u 22).

Seite 2:

Im vorliegenden Fall sind von verschiedenen Personen ein bis zwei Anlagen beantragt worden. Nach Prüfung der genannten Kriterien liegt keine gemeinsame Anlage vor. Die Anwendung des BImSchG ist daher nicht möglich.

Ebenfalls besteht keine UVP-Pflicht. Die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht gemäß § 3b Abs. 1 des Gesetzes ü ber die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) für ein in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführtes Vorhaben, wenn die zur Bestimmung seiner Art genannten Merkmale vorliegen. Sofern Größen- oder Leistungswerte angegeben sind, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn die Werte erreicht oder überschritten werden

Nach der Anlage 1 zum UVPG ist für die Errichtung und den Betrieb einer Windfarm mit 3 bis 5 Anlagen eine standortbezogene Vorprüfung, einer Windfarm mit 6 bis 19 Anlagen eine allgemeine Vorprüfung und für eine Windfarm mit 20 oder mehr Anlagen eine Pflicht-UVP durchzuführen. Gemäß § 3b Abs. 2 S.1 UVPG besteht die Verpflichtung zur Durchführung einer_Umweltverträglichkeitsprüfung zwar auch, wenn mehrere Vorhaben derselben Art, die gleichzeitig von demselben oder mehreren Trägern verwirklicht werden sollen und in einem engen Zusammenhang stehen (kumulierende Vorhaben), zusammen die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte erreichen oder überschreiten, nach Satz 3 gilt der Satz 1 jedoch nur für Vor- haben die für sich jeweils die Werte für die standortbezogene Vorprüfung oder, soweit eine solche nicht vorgesehen ist, die Werte für die allgemeine Vorprüfung nach Anlage 1 Spalte 2 erreichen oder überschreiten. Bei den vorliegenden Anträgen werden diese Werte nicht erreicht oder überschritten

Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag Wäcken

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Anmerkung zum Brief des LK Aurich:

Formal ist der Inhalt des Briefes korrekt. Nur: Die UVP-Änderungsrichtlinie der EU (Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3.März 1997) geht aber über das nationale UVP-Gesetz hinaus: Die EU-UVP-Richtlinie grenzt die UVP-Pflicht nicht auf 1-2 Anlagen und auf die standortbezogene Vorprüfung ab 3 Anlagen ein. Hier hat Deutschland die Richtlinie wohl betreiberfreundlich, aber nicht ausreichend, umgesetzt. Dieses Schlupfloch wird jetzt vom Landkreis Aurich angeführt und von den Betreibern zielstrebig genutzt.

Die Europäische Union wird in ihrer UVP-Änderungsrichtlinie sehr deutlich:

(Anhang III): Bei der Einzelfalluntersuchung "sind insbesondere hinsichtlich folgender Punkte zu beurteilen: Größe des Projekts, Kumulierung mit anderen Projekten,... Die ökologische Empfindlichkeit der geographischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise beeinträchtigt werden, muß [!] unter Berücksichtigung insbesondere folgender Punkte beurteilt werden: ... Küstengebiete..."

Genau dies, und die geltenden Abstandregelungen zu Nachbarwindparks, die Ersatzmaßnahmen und die Beteiligung der Naturschutzverbände umschifft die Planung der Anlagen nach nationalem UVP-Gesetz, wenn ein Betreiber immer nur bis 2 Anlagen beantragt und so der Begriff "Windfarm" oder "Windpark" nicht erscheint.

Das Problem ist erkannt, aber das OVG Lüneburg hat dazu sehr Betreiberfreundlich gesprochen (Az: 1 LA 329/02 und 1 LA 328/02 vom 24.Juli 2003).

Auch die Niedersächsische Landesregierung verspürt offenbar Unbehagen ob der rechtlich verwickelten Situation und des drohenden weiteren Zubaus der Landschaft mit "Einzelanlagen", die in Wirklichkeit riesige Wind"parks" sind. In der "Weißen Mappe 2003", als Antwort auf die "Rote Mappe 2003" des Niedersächsischen Heimatbundes, wird von ihr auf das vorgetragene Problem unter Punkt 217/03 u.a. geantwortet: "Die Ursache des Problems, eine zu komplizierte und nicht gelungene Verzahnung der Anforderungen des BImSchG und des UVPG, kann nur der Bundesgesetzgeber beheben."

Und das kann dauern, wenn es überhaupt bei der Windkrafteuphorie des Herrn Trittin als Problem erkannt wird.

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