Startseite > Verbände > Artikel Nr. 35 (Januar 2009)
Ems-Kanal: WWF und BUND in öffentlicher Kritik
"Geheimgespräche" mit Werftchef Meyer
Der Wattenrat hat schon des Öfteren auf die Verquickungen von Umweltverbänden mit Politik, Industrie und Wirtschaft hingewiesen. Einen neuen Höhepunkt erlebte diese dem Naturschutz abträgliche Kungel-Politik mit der Reanimierung des "Adolf-Hitler-Kanals" parallel zur Ems, diesmal für die Interessen der Meyer Werft zur Überführung ihrer Dickschiffe durch die schmale Ems an die Nordsee. dpa und die Hannoversche Allgemeine Zeitung nahmen diese Kritik auf.
Wir zitieren aus der Berichterstattung:
dpa-Bericht, erschienen am 26. und 27. Januar 2009 in vielen Zeitungen:
Ems wird zum "technischen Gewässer"
Leer. Ein umstrittenes Sperrwerk, eine neue Schleuse oder ein gewaltiger Verbindungskanal - in Ostfriesland werden immer wieder vermeintliche Wundermittel gegen Verstopfung beim "Patienten Ems" heiß diskutiert. Eine wirksame Rezeptur, eine Balance von Wirtschafts- und Umweltinteressen kam dabei bisher jedoch nicht heraus.
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Das nützt vor allem der 30 Kilometer stromaufwärts gelegenen Meyer Werft in Papenburg. Das Traditionsunternehmen produziert moderne Kreuzfahrtschiffe für Kunden in aller Welt.Auflagen sollen verhindern, dass der Fluss im Sommer durch das Aufstauen umkippt. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch umstritten. Anders als die zuständigen Behörden registrieren Naturschützer "katastrophale Sauerstoffwerte". "Der Fluss ist auf einer Strecke von über 30 Kilometern praktisch tot", sagt Beatrice Claus von der Umweltstiftung WWF in Hamburg.
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Seit Jahren fordern Umweltschützer den Umzug der Werft zur Küste - unter anderem aus Kostengründen.
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WWF und der Bund für Umwelt und Naturschutz brachten nun in Geheimgesprächen mit Meyer die Idee eines Kanals neben der Ems von Papenburg nach Leer ins Spiel. Damit sollten die starren Fronten zwischen Wirtschaft und Naturschutz aufbrechen. Doch der vertrauliche Plan wurde vorzeitig bekannt und bekam ungewollte Dynamik. Politiker und Wirtschaft fordern bereits eine Variante im XXL-Format: In einigen Köpfen wurde aus dem "Meyer-Kanal" schon ein "Panama-Kanal" von Leer bis Dörpen mit 100 Metern Breite und üppiger Industrieansiedlung. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) setzt sich für eine Machbarkeitsstudie ein: "Ein derartig umfangreiches Projekt ist keine Utopie, sondern eine zu prüfende Alternative."
Regionale Naturschützer sind entsetzt: Die Bürgerinitiative "Rettet die Ems" lehnt die Kanal-Idee von WWF und BUND ab und fühlt sich überrumpelt. Der "Wattenrat", ein Zusammenschluss von Naturschützern in Ostfriesland, geht mit beiden Organisationen scharf ins Gericht: "Das politiknahe Funktionsärsunwesen von BUND und WWF ist einer der Gründe, warum es im Naturschutz in Niedersachsen nicht funktioniert", sagt "Wattenrat"-Sprecher Manfred Knake. "Bezahlte Funktionäre fernab der Küste in Hamburg oder Hannover kungeln mit der Politik und machen die ehrenamtliche Arbeit der Naturschützer vor Ort kaputt." Problematisch sei auch die Abhängigkeit der Umweltverbände von Fördermitteln der Landesregierung.Trotz der Kritik von der Basis verteidigen WWF und BUND das Kanal-Projekt: "Es gibt mehr Vor- als Nachteile", begründet Beatrice Claus.
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(dpa)
Hannoversche Allgemeine Zeitung Online: Veröffentlicht am 23.01.2009 19:28 Uhr, Print: 24. Januar 2009:
Kauft sich die Regierung ihre Funktionäre?
Zusammen mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) macht sich der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zum Anwalt der Meyer-Werft in Papenburg und setzt sich für den Bau eines Kanals zwischen Papenburg und Leer ein.
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Ist das Aufgabe von anerkannten Umweltverbänden, fragen sich besorgt Naturschützer in der Region. Wut und Enttäuschung über die Funktionäre ist groß. "Unsere Arbeit vor Ort wird lächerlich gemacht", sagt Elfi Oorlog, Vorsitzende des Vereins "De Dykloopers". Für Manfred Knake vom "Wattenrat" ist der überraschende Vorstoß für den Emskanal bezeichnend für eine verhängnisvolle Entwicklung: "Eine unselige Verquickung mit Politik und Wirtschaft." "Die Umweltverbände stecken in einer Abhängigkeit, die sie umbringen wird", sagt ein Kenner der Szene, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Aus Angst, dass ihnen der Geldhahn von der CDU-FDP-Landesregierung zugedreht wird, versuchten sie, konstruktiv zu agieren. Dieser Kurs sei aber gefährlich, viele Sympathisanten sehen darin einen "Verkauf der Naturschutzinteressen".
Zur Abhängigkeit beigetragen hat die Abschaffung der Verbändeförderung. Bis 2004 unterstützte das Land die Umweltverbände mit insgesamt rund 450.000 Euro jährlich. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), kein Freund der kritischen Umweltschützer, strich diese Unterstützung und setzte auf eine Umweltstiftung und Projektförderung. Dieser Schachzug führte zu einer erheblichen Schwächung der Verbände. Sie mussten Personal bis zur Schmerzgrenze einsparen, gleichzeitig wuchs aber ihr Arbeitsaufwand für Stellungnahmen in Genehmigungsverfahren.
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Der Nabu, in dem Sander selbst Mitglied ist, gilt dem Minister als "guter Verband". So wurde ihm ein teures Energiesparmobil bewilligt, zum Ärger des BUND übernahm der Nabu ein Nationalparkhaus im Harz, das zuvor vom BUND geführt wurde. Der zum Jahreswechsel ausgeschiedene Nabu-Chef Helm, ein Duzfreund Sanders, soll nun auf eine A-16-Stelle im Umweltministerium rücken.
"Speziwirtschaft" nennt das Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Personelle Verflechtungen gab es allerdings auch schon zu SPD-Regierungszeiten. So wurde Onno Poppinga, ehemaliger Referent des früheren sozialdemokratischen Umweltministers Wolfgang Jüttner, erst Bundesgeschäftsführer des BUND und später Verteiler der Bingo-Lotto-Mittel. "Die Verquickungen waren schon immer groß", meint Wattenrat-Sprecher Knake.
Der jüngst vom Land beschlossene Umbau der Stiftungslandschaft wird nach Ansicht der Verbände den Einfluss des Umweltministers noch vergrößern. Das Ministerium werde die Erlöse aus der neuen "Niedersächsischen Bingostiftung für Umwelt und Entwicklungsarbeit" nach Gutsherrenart verteilen, befürchten sie. Zum ersten Mal seit langer Zeit gingen sie gemeinsam auf die Barrikaden, wenn auch vergebens. Kooperation statt Konkurrenz - dies sei längst überfällig, meinen Beobachter. Wünschenswert sei eine gemeinsame Geschäftsstelle der 14 anerkannten Verbände. Nur so könne die Umweltarbeit in Niedersachsen wieder schlagkräftig werden.
von Margit Kautenburger