Startseite > Verbände > Artikel Nr. 34 (November 2008)
Der NABU und die Klimasau: Wattenmeer "in der Existenz" bedroht?
Wesentliche Belastungsfaktoren bleiben unerwähnt
Nun ist wieder "Klima" Trumpf im Naturschutz. Der NABU unterhält seine Leser mit der Variante, die "Existenz des Wattenmeeres" sei bedroht und macht dafür den Klimawandel verantwortlich. Die tatsächlich nachweisbaren Belastungsfaktoren, die erst seit wenigen Jahrzehnten bestehen, benennt der NABU noch nicht einmal ansatzweise:
- Durch Vordeichungen gingen in den letzen vierzig Jahren im gesamten Wattenraum in den Niederlanden, Deutschland und Dänemark mehr als 200 qkm Salzwiesen verloren, also ein massiver Habitatverlust!
- Die industrielle Landwirtschaft mit Entwässerungen und früher Mahd lässt kaum noch Jungvögel hochkommen.
- Die rasante Tourismusentwicklung mit ca. 30 Millionen jährlichen Übernachtung im und am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer gefährdet die Rückzugesgebiete nicht nur von Watvögeln und Gänsen, eine entsprechend Aufsicht und Betreuung existiert nicht.
- Zahlreiche Vogelrastgebiete an der Küste wurden mit Windkraftwerken zugebaut und und entwertet, auch in faktischen Vogelschutzgebieten in wattnahen Gebieten.
- Das Wattenmeer ist überfischt, es gibt keine fischereifreien Referenzzonen, auch die Muschelfischerei entzieht Vögeln die Nahrung.
- Watvögel werden auf dem Zuge immer noch bejagt.
- Der Eintrag von Nährstoffen ging zwar in den letzten Jahren zurück, ist aber nicht eingestellt. Die damit verbundene geringere Düngung mag zu Auswirkungen auf das Nahrungsangebot geführt haben.
- Belastungsfaktoren in den Herkunftsländern der Watvögel und Gänse müssten zusätzlich erfasst und benannt werden.
Auf diesen Arbeitsfeldern ist der NABU im niedersächsischen Wattenmeer seit Jahren inaktiv, im Gegenteil, der NABU tritt als "Naturstrom"-Verkäufer auf und propagiert die Windkraft, die mit zu den gravierenden Landschaftsveränderungen an der Küste zu Lasten der Rastvögel geführt hat. Der NABU hat nichts Substanzielles zur Verhinderung des Zubaus von Rastgebieten an der Küste beigetragen.
Beim Eiderentensterben 2002 durch das verringerte Nahrungsangebot durch überfischte Miesmuscheln hörte man nichts vom NABU. Es ist wesentlich leichter, die Belastungen auf nebulöses "Klima" (das ist der statistische Wert von 30 Jahren Wetteraufzeichnung einer Region) abzuwälzen, weil damit unangenehme Auseinandersetzungen mit namentlich benennbaren Verursachern entbehrlich werden. Die weitgehend unkritischen, z.T. durch Drückerkolonnen an Haustüren geworbenen Mitglieder werden zeitgeistkonform mit "Klima" alarmistisch unterhalten!
Auf wechselnde klimatische Bedingungen sind Watvögel hervorragend angepasst, ihr Jahreslebensraum umfasst je nach Art mehrere Klimazonen von der Arktis bis in die Tropen. Diese Arten sind wesentlich älter als das uns bekannte Wattenmeer und lebten im Atlantikum in der nacheiszeitlichen Warmphase vor ca. 8000 Jahren und im sog. "Klimaoptimum" des Mittelalters mit höheren Temperaturen als heute, ohne auszusterben. Watvögel erlebten dramatische Veränderungen des Klimas und des Meeresspiegels, dieser ist derzeit in der deutschen Bucht nicht nachweisbar. Der Rückgang der Kampfläufer und anderer Watvogelarten ist aber erst seit wenigen Jahrzehnten zu beobachten.
Die systematische Erfassung von Wat- oder Schwimmvögeln besteht erst seit ca. 35 Jahren, in sehr unterschiedlicher Qualität und lässt keine Aussagen auf periodisch längerfristige evtl. natürliche Schwankungsbreiten von Artenbeständen zu.
Sollte der NABU nicht statt des Storches und an den Zeitgeist angepasst die Klimasau im Logo führen?
Kampfläufer in der Leybucht/Ostfriesland (Foto: Wattenrat)
Wir zitieren den NABU-Pressedienst:
NABU-Pressedienst, 18. Nov. 2008
Wie lang werden sie noch wattwandern?
Kampfläufer in Gefahr / Alarmierender Bericht zur Vogelwelt
18. November 2008 - Der NABU hat als Reaktion auf den heute in Bonn vorgestellten jährlichen Bericht zur Situation der Vogelwelt in Deutschland einen Aktionsplan für das in seiner Existenz bedrohte Wattenmeer gefordert. "Wenn es nicht gelingt, die Weichen für eine Rettung des Wattenmeeres schnellstmöglich zu stellen, geht mit diesem einzigartigen Lebensraum die Drehscheibe des Vogelzugs in Europa verloren", kommentierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller den aktuellen Bericht.
In dem vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG-VSW) erstellten Bericht "Vögel in Deutschland" werden seit den 60er Jahren unter anderem Zählungen von rastenden Wasser- und Watvögeln ausgewertet. Danach sinken die Rastbestände von Arten wie dem Kampfläufer und dem Alpenstrandläufer, die auf das Wattenmeer als überlebenswichtige "Tankstelle" auf ihrem Zug zwischen Nord und Süd angewiesen sind. Die Zahl der im Wattenmeer überwinternden Ringelgänse habe ebenso abgenommen wie die der muschelfressenden Knutts und Austernfischer. Ihr Rückgang wird auf ein vermindertes Nahrungsangebot zurückgeführt: In den letzten Jahren gab es bedingt durch die milden Winter nur wenig Muschelnachwuchs.
Der NABU sieht in dem Bericht bestätigt, dass dem Wattenmeer bei fortschreitendem Klimawandel Verluste bevorstehen, die das weltweit einmalige Ökosystem bedrohen. Die flachen Bereiche von Nord- und Ostsee sind als Trittstein und Überwinterungsgebiet für Zugvögel von überragender Bedeutung. "Für die Erhaltung dieser Lebensräume trägt Deutschland eine hohe internationale Verantwortung", so Miller.
Durch seine geografische Lage und seinen hohen Anteil an Wattenmeerküste müsse Deutschland zum Vorreiter internationaler Schutzbemühungen werden. Nach Auffassung des NABU müssen nun Klimaschutzbemühungen und das Schutzgebietsmanagement vor Ort Hand in Hand gehen.
Zu den besonderen Herausforderungen zählt der NABU, die notwendigen Managementpläne für Schutzgebiete zukunftsorientiert auszugestalten. Das hieße, Rückzugsräume für wandernde Tierarten so zu erhalten, dass sie für bedrohte Arten auch angesichts bevorstehender Klimaveränderungen von größtem Nutzen seien.
Für Rückfragen:
Dr. Markus Nipkow
NABU-Referent für Ornithologie und Vogelschutz
Tel. 030-284984-1620