Watten-Rat

Ost-Friesland

- unabhängiger Naturschutz für die Küste -

Startseite > Verbände > Artikel Nr. 28 (April 2007)

Brief an die Deutsche Umwelthilfe (DUH)

Naturschutz, Natura-2000 und eine ministerielle Kettensäge

Der allseits bekannte niedersächsisches Umweltminister Hans-Heinrich Sander legte selbst Hand an und ließ es knattern: Im November 2006 griff er eigenhändig zur Kettensäge in der Kernzone des Biosphärenreservats "Niedersächsische Elbtalaue" und legt aus Gründen des Hochwasserschutzes Bäume im Auenwald um. Die "Deutsche Umwelthilfe" rief daraufhin der EU-Kommission an, nun knatterte es auch im Blätterwald.

Es muss also erst ein Minister mit der Motorsäge hantieren, bevor die mediale Öffentlichkeit reagiert. Bei wesentlich subtileren,leiseren aber großflächig verheerenderen Eingriffen an der niedersächsischen Küste gab es kaum Reaktion, nur mäßige von der Presse und keine von den Naturschutzverbänden. Das brachte der Wattenrat in einem Brief an die "Deutsche Umwelthilfe" zum Ausdruck. Deren Geschäftsführer ist Rainer Baake. Er kennt sich aus im politischen Geschäft: Unter Gerhard Schröder und Jürgen Trittin war er "grüner" Staatssekretär im Bundesumweltministerium.

Das Internetportal zur Sonnenernergie "Der Solarserver" nennt ihn "Manager der Energiewende", deshalb dürften ihn die nachgenannten politischen Tricksereien mit der Windkraft unter Umgehung der Natura-2000-Auflagen an der Küste durch Vorgänger von Hans-Heinrich Sander vielleicht besonders interessieren.

Mehr zur "Deutschen Umwelthilfe als "Spendenwaschanlage" nach dem Brief an den Geschäftsführer.

An die
Deutsche Umwelthilfe
Geschäftsführung    06. April 2007
Berlin

Naturschutz, Natura-2000 und eine ministerielle Kettensäge

Sehr geehrter Herr Baake,

mit Interesse verfolge ich Ihre Aktivitäten um den niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander in Verbindung mit der "Kettensägenaktion" in den Elbtalauen, die angeblich zu einem EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland führen soll.

Ich bin mit Ihnen einer Meinung, dass Herr Sander als Umweltminister wegen seiner Amtsführung im Naturschutzbereich zurücktreten sollte. Die von Ihnen öffentlichkeitswirksam gepflegte Verbindung zwischen abgeholzten Auenhölzern und einer Kettensäge mag sicher dazu beitragen, die enorm hohe und grob-holzschnittartige öffentliche Wahrnehmungsschwelle im Naturschutzbereich auf die für den Naturschutz desaströse Amtsführung des Ministers zu lenken,auch wenn der Minister durch seine körperliche Beeinträchtigung die Kettensäge mit einem Arm kaum wirkungsvoll geführt haben dürfte. Er hat sich schon ganz andere Auftritte geleistet, z.B. die Ankündigung der Öffnung von Schutzgebieten für den Tourismus durch den im Lande festgestellten "Serengetieffekt", der wild lebende Tiere angeblich nicht mehr vertreibt, drastisch gegen Recht und Gesetz umgesetzt in einem EU-Vogelschutzgebiet an der Ems, von der breiteren Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen (Siehe dazu auch "Dokumentation über das Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" bei Emden").

Es gab bereits Umweltminister in Niedersachsen, die wesentlich geräuschloser ohne Kettensägengetöse nur mit Stift und Papier großflächig ganze Landstriche entstellten oder gegen das Verschlechterungsverbot in Natura-2000-Gebieten handelten. Gegen diese subtilen politischen Naturschutzmarodeure ging keiner der anerkannten Naturschutzverbände vor, und davon haben wir vierzehn alleine in Niedersachsen!

Niedersachsen kann mindestens mit zwei weiteren eklatanten Fehlbesetzungen im Umweltressort "glänzen":

Ich erinnere an die von der Presse gehätschelten, weil von Greenpeace "importierten" Umweltministerin Monika Griefahn (SPD), die direkt für den Zubau der ostfriesischen Küste mit Windturbinen verantwortlich ist, zum großen Teil in "Important Bird Areas" oder "faktische Vogelschutzgebieten" nach der EU Rechtssprechung , zum Nachteil von bestimmten Brut- oder Rastvögeln.

1994 erläuterte die (inzwischen aufgelöste!) Fachbehörde Naturschutz des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie (NLO) dem Umweltministerium in Hannover mit einem Fachgutachten, dass die Windkraftstandorte mit dem internationalen Vogelzug kollidieren würden, dass Ausschlussgebiete definiert und fehlende Daten erhoben werden müssten. Das Umweltministerium wies daraufhin am 6. Juni 1994 das NLÖ an, "aus fachlichen Gründen" die Fachkarten zu überarbeiten; von der Verwendung des Begriffs "Ausschlussgebiete" sei abzusehen und Flächen der "wahrscheinlichen Ausschlussgebiete" seien ganz zu streichen. Wegen des "Überarbeitungsbedarfes der Karten" sei von "jeglicher Weitergabe an Dritte dringendst abzusehen".

In einem Brief an die Oberkreisdirektoren der Küstenlandkreise vom 25.10.1994 pries die niedersächsische Umweltministerin Griefahn die nun überarbeitete Karte als "hilfreiches Material für den Verwaltungsvollzug: Es wird die Planungssicherheit für Windenergieanlagen stärken und gleichzeitig den Schutz bedeutender Vogelbrut- und Rastgebiete verbessern". Sie stellte weiter fälschlich fest, dass "die Belange der Windkraft denen des Landschaftsschutzes in der Regel überwiegen".

Das hat gewirkt, still und leise ohne Kettensäge hat man die ostfriesische Marsch am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, die jetzt als Vogelschutzgebiet nach Brüssel gemeldet werden soll, in einen Industriefläche für Windbarone verwandelt. Das gerade öffentlich strapazierte "Klima" oder das vorausgehende Wetter haben sich dadurch an der Küste nicht verändert. Stattdessen muste vor einem Jahr ein bereits stillgelegtes Gaskraftwerk in Emden wieder ans Netz gehen, um den unsteten Windstrom zu puffern und das Netz stabil zu halten.

Und ihr Nachfolger Wolfgang Jüttner (SPD) war auch nicht zimperlich: In seine Amtszeit fällt die Demontage des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, der in Gänze bereits Vogelschutzgebiet ist und überwiegend, ohne die Erholungszonen, FFH-Gebiet. Auf Druck der Tourismusindustrie wurden mehr als 80 Flächen im Nationalpark im Schutzstatus herabgestuft oder ganz aus dem Nationalpark entfernt und der touristischen Nutzung zugeführt. Dazu gehörten wertvolle Pflanzen- und Vogelstandorte. Der Wattenrat Ost-Friesland legte dagegen 2001 Beschwerde bei der EU-Kommission ein, die 2006 eingestellt wurde, zumindest was den FFH-Anteil betrifft (Siehe dazu auch "EU-Kommission hat Beschwerdeverfahren eingestellt").

Bereits 1997 legte die Vorläuferin des Watterates, die damalige "Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost-Friesland", Beschwerde bei der Kommission wegen des Baus eines riesigen Wind"parks im Wybelsumer Polder an der Ems ein. Auch dies ist ein "faktisches Vogelschutzgebiet", das rigoros mit Unterstützung des Landes Niedersachsen überbaut wurde (Siehe dazu auch "Windpark Wybelsumer Polder bei Emden").

Nach sieben Jahren "Ermittlungen" durch die EU wurde das Verfahren eingestellt, aber mit einem Mahnschreiben der EU vom April 2006 wieder als Vogelschutzschutzgebiet angemahnt, zu spät und rational kaum nachvollziehbar. Das Vertrauen in die Unabhängigkeit, Stetigkeit und die fachliche Kompetenz der EU-Kommission hat zumindest in meinem Arbeitsbereich gelitten.

Ich habe leider den Eindruck, dass auch das die Wahrnehmungsschwelle der großen Naturschutzverbände spiegelbildlich zur Bevölkerung dieses Landes sehr hoch ist und erst dann reagiert wird, wenn irgendwo bereits die Kettensägen knattern. Die etwas komplizierteren, wenig spektakulären und subtilen Beeinträchtigungen in Natura-2000-Gebieten werden auch von den anerkannten Naturschutzverbänden kaum beachtet oder öffentlich kommentiert und auch von der Tagespresse kaum beachtet.

Stattdessen wendet man sich plakativeren, eingängigen spenden- oder mitgliedsfördernden Aktionen zu, wie z.B. der "Klimakatastrophe" oder was dafür gehalten wird; Autos, die nun mal Kraftstoffe verbrauchen oder knuddeligen (Zoo-)Eisbären, deren wildebenden Artgenossen angeblich in einer wärmer werden Arktis nicht mehr überleben können, obwohl sie dies im Laufe ihres Artensdaseins schon öfter bewiesen haben.

"Hopping on the bandwagon" nennt man so etwas wohl im angelsächsischen Raum.

Der NABU in Niedersachsen gar entblödet sich nicht, den Kettensägen-Umweltminister Sander als seinen "Schirmherrn" für die "Tour de NABU, 60 Jahre für Mensch und Natur" vorzustellen; auf verschiedenen Veranstaltungen von April bis September 2007 sollen u.a. Gartenvögel vorgestellt oder nächtens Fledermäuse akustisch verwirrt werden. Die Thematisierung allgegenwärtiger Nutzungskonflikte, die sich gerade an der Küste anbieten würde, ist nicht vorgesehen.

Mit "nachhaltigem" Naturschutz (um dieses viel strapazierte Wort erneut zu bemühen) gegen die vielfältigen Nutzungsinteressen, den man von den Verbänden eigentlich erwarten sollte, hat das allerdings nichts mehr zu tun.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

PS: Das Bild auf Ihrer Startseite http://www.duh.de/ zeigt übrigens ein Wärmekraftwerk mit einer Wasserdampffahne aus einem Kühlturm, die nichts mit CO2 zu tun hat.

Stiftung "Europäisches Naturerbe" und "Deutsche Umwelthilfe":

"Spendenwaschanlagen" (pdf-Datei, ca. 2 MB):

"[...] Die Spendenwaschanlagen: SEN und DUH
Die Abkürzungen stehen für Stiftung Europäisches Naturerbe (auch unter dem modernen Kurztitel "Euronatur" bekannt)und Deutsche Umwelthilfe. Beide treten seit Jahren nach außen mit einigen spektakulären, aber niemanden störenden Projekten auf, z.B . die Finanzierung großer Schutzgebietsprojekte oder Aktionen der Umwelterziehung. Zudem werden viele Informations - und Selbstdarstellungsblätter herausgegeben.

Beide Organisationen sind vom BUND gegründet worden, der NABU und andere stiegen dann später ein. Ihr eigentlicher Zweck ist, Spendengelder von Großfirmen einzuwerben, anzuhäufen und an die beiden Verbände, die sich die Geldannahme von Konzernen wie Daimler-Benz wegen des zu befürchtenden Imageverfalls nicht leisten können, entweder weiterzuleiten oder aber damit deren Projekte finanzieren. Die Finanzgeschäfte von SEN und DUH sind schwer zu durchschauen, da beide Organisationen keine breite Basis haben, der sie Rechenschaft ablegen müssen. Dreh- und Angelpunkt ist die gemeinsame Geschäftsstelle in Radolfzell, nur wenige gewählte Funktionäre treten in Erscheinung.

Im Original: Moderation der ZDF-Sendung "Kampfplatz Natur" am 10.12.1995: "Radolfzell ist klassische Anlaufstelle für Ökosponsoren. Die Stiftung Europäisches Naturerbe und die Deutsche Umwelthilfe stehen willigen und finanzkräftigen Unternehmen mit Rat und Tat zur Seite . .. .Öko-Allianzen will man schneidern".

Im Original: Auszug aus der SEN-Zeitschrift"Euronatur"1/1994 (S.2): "Damit war die Idee "Natur ohne Grenzen" geboren, die wir mit Hilfe des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND ) mit der Gründung der Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR) umsetzten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH ) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU ) stiegen danach als weitere Stifter hinzu."

Im Original: Auszug aus "Ein Portrait der Stiftung Europäisches Naturerbe" in der Zeitschrift für Ökologie und Naturschutz, 2/96 (S. 115): "Gegründet wurde die Stiftung Europäischer Naturschutz(EURONATUR) im Jahre 1987 als Stiftung des privaten Rechts. Erster Stifter war der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Um eine bessere Vernetzung mit weiteren Verbänden zu erreichen, wurden die Deutsche Umwelthilfe (DUH ) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU )als zusätzliche Stifter gewonnen" [...]"

 
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