Eine ganze andere Darstellung der Kündigung von Holger Wesemüller
liefert die Nordwest-Zeitung in Oldenburg:
Die Kritik am WWF als "Geldscheffler" und "Vermarkter"
für den Naturschutz und die damit verbundene enge Kooperation mit
der Wirtschaft ist keinesweg neu, wie die NWZ zu erklären versucht;
das wird schon seit vielen Jahren beklagt. Holger Wesemüller als
"Opfer" ist auch eine interessante Lesart! Er hat während
seiner Amtszeit an der Küste zweifellos eng mit den Verwaltungen
und der Politik "kooperiert", die stets ganz andere Interessen
als den Naturschutz hatten. Dazu wurden die Insider-Kenntnisse der Ehrenamtlichen
auf gemeinsamen Sitzungen abgefragt, ohne Rückkopplung in undurchsichtige
Strategien eingebaut und abgesprochene Positionen oft bis zur Unkenntlichkeit
verwässert.
Nichts, aber auch gar nichts, aber stets mit großem Pressegetöse
angekündigt, wurde vom WWF bis zu Ende durchgefochten: siehe Klageverzicht
Emsvertiefung gegen nie gezahlte 17 Millionen DM für "Ausgleichsmaßnahmen";
Wesemüllers schriftlicher Verzicht auf die Ersatzmaßnahme Münsterpolder
der Erdgasleitung Europipe (ohne Absprache mit den anderen Beteiligten,
liegt hier als Fax vor); Ranger in Schutzgebieten; Novellierung des Nationalparkgesetzes
Nieders. Wattenmeer, die zu lauen Protesten und einer Minimalbeschwerde
von 4 kleinen Gebieten auf den Inseln bei der EU-Kommission führte,
statt das Gesamtpaket zu beklagen (ca. 90 Gebiete durch den ausschließlich
ehrenamtlichen Wattenrat). Dazu die frühe, vorschnelle und unnötige
Befürwortung von Offshore-Anlagen als "Pilotprojekte" in
der Nordsee. Und an Legendenbildung fehlt es auch nicht: Es gab damals
ein sehr breites Bündis gegen den Dollarthafen an der Küste,
da war der WWF nur ein Solist von vielen im Konzert. Frage: Wer waren
die zitierten "Insider" beim WWF? Wesemüller selber?
Manfred Knake
(20 Jahre Mitglied in der AG Nationalpark beim WWF, fünf
Jahre Mitglied im Beirat Nationalpark Nieders. Wattenmeer)
Nordwest-Zeitung online 12. Juli 2003
Gefeuert wegen Kurswechsels? KÜNDIGUNG
Holger Wesemüller verliert Posten als Leiter des WWF-Büros in
Berlin
Es gibt "unüberbrückbare Differenzen" zwischen
der WWF-Führung und Wesemüller. Man trifft sich vor Gericht
wieder.
VON HANS DRUNKENMÖLLE
BREMEN - Die Umweltstiftung World Wildlife Fund (WWF) hat dem Leiter
ihres Berliner Büros, Holger Wesemüller aus Bremen, Holger Wesemüller
nach dreimonatiger Amtszeit fristlos gekündigt. Die Geschäftsführung
in Frankfurt begründete diesen Schritt mit nicht näher erläuterten
"schwerwiegenden inhaltlichen Differenzen". Die "hohe
fachliche Qualifikation" Wesemüllers stehe "außer
Frage", sagte Geschäftsführungsmitglied Klaus-Henning
Groth, der neuer Chef des Hauptstadtbüros ist. Wesemüller selbst
wollte zu dem "Rausschmiss" wegen einer Kündigungsschutzklage
keine Stellung nehmen; der WWF will ihm einen anderen Job anbieten.
Der 54-Jährige hatte 22 Jahre lang den WWF-Fachbereich Küsten
und Meere in Bremen geleitet und das Angebot zur Übernahme des Postens
in Berlin als Anerkennung seiner Arbeit gewertet. Wesemüller leitete
in den 70er-Jahren die erfolgreiche WWF-Kampagne gegen den Dollarthafen
in der Emsmündung und hatte großen Anteil an der Einrichtung
des Nationalparkes Wattenmeer. Zuletzt hatte er den Widerstand der Umweltschützer
gegen das Emssperrwerk organisiert – und dabei eine Schlappe hinnehmen
mussten.
Als "Naturschützer alter Schule" ist Wesemüller
nach Einschätzung von WWF-Insidern womöglich das erste prominente
Opfer einer grundsätzlichen Neuausrichtung der WWF-Politik geworden,
deren Protagonisten Naturschutz an dessen Vermarktbarkeit orientieren
und beim Fischen nach Finanzen auch früher undenkbare Kooperationen
mit der Wirtschaft in Kauf nehmen. Die geradezu vernichtende Kritik der
WWF-Klimaschutzabteilung etwa an der Marketing-Zusammenarbeit mit der
Fluggesellschaft LTU ist beim WWF-Vorstand auf taube Ohren gestoßen.
Der vom WWF verfügte Einstellungs-Stopp für den Naturschutzbereich
hierzulande gilt als weiteres Indiz für einen Kurswechsel, der eine
Reduzierung nationaler zugunsten spektakulärer internationaler Aktivitäten
zum Ziel hat. Auf diese Weise werde Naturschutz als "Vehikel zum
Geldscheffeln" missbraucht, beklagen Kritiker – der WWF-Vorstand
sieht das offenbar anders.
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