Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 99 (14.04.2005)

Herr Bolinius und das Problem mit drinnen und draußen

Erich Bolinius, FDP Emden, und die Bodenentnahme aus den Salzwiesen

Unterschiedliche Standpunkte und ein Herr Bolinius der FDP in Emden, der zwar nicht genau weiß, was binnen- und außendeichs bedeutet, aber sonst als ausgewiesener Arten- und Naturschutzfachmann auftritt.

Der Landespfleger und Florist Jürgen Feder aus Bremen sieht die Bodenentnahme aus Salzwiesen ausschließlich durch die botanische Brille. Das darf er. Das wird sofort vom notorischen Naturschutzverhinderer und Menschheitsbeglücker der FDP, Bolinius, aus Emden aufgesogen und damit seine merkwürdige Weltsicht im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" vermeintlich untermauert (siehe unten).

Zwar hat der Herr Feder aus Bremen Recht, dass Salzwiesen teilweise im Nationalpark "verquecken". Darin wird aber die Bodenentnahme für den Deichbau nichts ändern, die wird nicht zur Verbesserung der Bodenstruktur durchgeführt! Die ließe sich mit der Reduzierung der Begrüppung, also mit der Einstellung der systematischen und völlig überzogenen Entwässerung der Salzwiesen verbessern, vielleicht auch mit einer wirklich extensiven Schafbeweidung von 1 bis 2 Tieren pro Hektar (sog. Prof. Heydemannsche Beweidungsmodell). Und so schnell, wie Feder behauptet, schlicken die Pütten im Vorland nicht wieder zum, das kann Jahrzehnte dauern, weil tief ausebaggert wird. Mit Schubkarren wird dort auch nicht mehr gearbeitet werden, Lastwagen kommen auf jeden Fall zum Einsatz.

Warum Brackröhrichte oder Röhrichte auf der oberen Salzwiese so schlimm sein sollen, müsste von Herrn Feder erläutert werden. Das sind in Niedersachsen "besonders geschützte Biotope"!

Das von ihm hochgelobte "alte, gewachsenen Marschenland" wird ganzjährig begüllt, mit Herbiziden und Pestiziden bespritzt und zu Beginn der Brutzeit gewalzt. Den gülle- und walzenfesten Kiebitz gibt es noch nicht. Viele Brutvorkommen von Wiesenvögeln sind deshalb hier am Rande des Erlöschens oder gar schon erloschen. Genau hier sind aber schon zahlreiche alte Kleientnahmepütten als Wasserflächen vorhanden, an denen ein reiches Vogelleben zu sehen ist.

Zudem wurden ca. 220 Quadratkilometer Salzwiesen des Wattenmeeres in den letzten Jahrzehnten in NL, BRD und DK eingedeicht und vernichtet. Was wir heute sehen, sind die traurigen Reste derselben.

Herr Feder hat dem Naturschutz mit seinen Äußerungen einen Bärendienst erwiesen, und der FDP-Politiker Bolinius lacht sich ins Fäustchen.

Allerdings: Jürgen Feder hat auf telefonische Nachfrage bestätigt, dass er damit in keinem Fall Herrn Bolinius Vorstoß der Wegefreigabe im NSG "Petkumer Deichvorland" unterstützt oder er die dortige marginale Verschilfung beklage. Herrn Bolinius könne er "nicht ernst nehmen"; das ist ein Wort!

Erschienen sind Feders Gedanken bei Klaus Rettig, Beiträge zur Vogel- und Insektenwelt Ostfrieslands, 230. Bericht, Mai 2005.

Und nun Herr Bolinus als Zitat (siehe seine Webseite vom 14.04.2005)

Kleiabbau für Deichgewinnung / Petkumer Deichvorland verschilft

FDP-Fraktion Emden: Kleiabbau binnendeichs für Deichbau ist richtig

[Anmerkung Wattenrat: Richtig, Herr Bolinius, binnendeichs, nicht außendeichs in den Salzwiesen, haben wir doch immer gesagt!]

Verschilfung im Petkumer Deichvorland zurücknehmen

Der Denkanstoß von Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), wieder Kleiboden für Deichbaumaßnahmen aus dem Deichvorland zu gewinnen, werde von der FDP-Fraktion in Emden nachdrücklich unterstützt, so Fraktionsvorsitzender Erich Bolinius. Während die Interessengemeinschaft der Deich- und Sielverbände Weser-Ems (IG) diesen Vorschlag ausdrücklich begrüße, käme aus der Landtagsfraktion der Grünen und von einigen Umweltverbänden Kritik, so Bolinius.

Ein Erschließungsantrag der Grünen im Landtag gegen den Kleiabbau binnendeichs sei abzulehnen, so Bolinius.

In vergangenen Jahrhunderten sei die Gewinnung von Kleiboden immer sehr schwierig gewesen, deshalb sei der Klei stets möglichst nah an der Deichbaustelle gewonnen worden. Bei Deichstrecken mit vorgelagerten Anwachsflächen in aller Regel aus dem Vorland. Denn man habe auch damals schon gewusst, dass dort die Pütten (Entnahmestellen) auf natürliche Weise wieder verlanden, abgegrabene landwirtschaftliche Nutzflächen hinter dem Deich dagegen für immer verloren seien.

Die mehrfach gemachte Äußerung vom Umweltminister Hans-Heinrich Sander: "Wir wollen eine Umweltpolitik mit und für die Menschen. Dafür brauchen wir den Sachverstand von Menschen aus der Region, in diesem Fall von den Verantwortlichen der Deichverbände" werde von der Emder-FDP-Fraktion nachdrücklich begrüßt, so Bolinius.

"Ich habe mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass ein Teil des Petkumer Deichvorlandes schon völlig verschilft ist, deshalb sind verschiedene Vogelarten weggeblieben," sagt Bolinius. Von Umweltverbänden sei er in der Vergangenheit wegen seiner Meinung massiv angegriffen worden. Nun habe er jedoch von dem Botanikexperten Jürgen Feder aus Bremen Recht bekommen. (siehe untenstehend)

Er werde in dieser Angelegenheit deshalb im Umweltministerium erneut einen Versuch machen, eine Änderung der Nutzung des Petkumer Deichvorlandes zu erreichen, sagte der Emder Fraktionschef.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein im Heft Nr. 230 von Klaus Rettig auf Seite 12 abgedrucktes Schreiben von Jürgen Feder, Im Dorfe 8, 28757 Bremen, ein national und international anerkannter Florist (Botanik-Experte), zum Kleiabbau für den Deichbau.

Darin heißt es u.a..

Jetzt las ich, das "Umweltminister" Sander wieder die Salzwiesen bewirtschaften lassen will - das finde ich mal sehr sinnvoll! Nach vielen Jahren des Bestehens vom Nationalpark "Niedersächsisches Wattenmeer" hat sich die Qualität der Salzwiesen vor dem Deich dramatisch verschlechtert (ich äußerte mich dazu schon einmal) - Verfilzungen, Vergrasungen (Queckenwüsten), Verschilfungen teils so weit das Auge reicht (ich rede hier zu allererst von denen des Festlandes!). Ein dramatischer Artenschund bezüglich Pflanzen und Tiere (Vogelarten!) hat eingesetzt - die Pflanzen ersticken, die Vögel bleiben weg oder gehen ins Hinterland! Wie kann es angehen, dass früher flächig verbreitete Pflanzenarten wie Strandflieder (Limonium vulgare) und sogar Englisches Löffelkraut (Cochlearia anglica) verschwunden oder nur noch mit Mühe zu finden sind.

Da helfen auch die tollen Verbreitungskarten nichts: irgendwo sind die Pflanzen dann immer noch zu finden - meist in kümmerlichsten Resten (auf fast 28 km qm - so groß ist nämlich ein Messtisch-Quadrant). Da sollte der "Umweltminister" unbedingt unterstützt werden. Genau so verhält es sich mit dem Deichbau: Erhöhungen nach ihm nur noch von der Seeseite her (bravo!). So schont man Teile der floristisch wertvollen Altdeiche (man erhöht nach hinten und oben), die Bewohner werden nicht jahrelang belästigt durch den Zufahrtverkehr, durch Bodenlagerung, Lärm, Staub etc., man kann als Tourist ungehindert noch bis zum Deich gelangen und das alte, gewachsene Marschenland bleibt erhalten.

Und was machen BUND, WWF und Co.? - gleich großes Trara! Dabei sind vordeichs so entstehende Pütten ebenfalls faunistisch wertvoll (siehe am Jadebusen, wo es noch landesweit die besten Festlands-Salzwiesen gibt!). Und richtig, sie verlanden ziemlich rasch wieder. Wenn schon Deichbau durch den weltweiten Temperaturanstieg (auch versucht durch viele "Naturschützer", dazu gleich noch was…), dann von der Seeseite her. Erster Ausgleich wäre dann das Belassen der alten Deichsüdflanken…) Der "Umweltminister" hat hier ausnahmsweise Recht und sollte unterstützt werden!

 
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