Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 88 (28.10.2004)
Treibsel im Deichvorland
Treibsel im Deichvorland schon wieder ein Problem
Das angebliche christlich-demokratisch-liberale "Treibselproblem" in den Salzwiesen und an den Deichen des Wattenmeeres:
Nachfolgend die bemerkenswerte Neuauflage einer seit Jahren abgeschlossenen Diskussion. Nirgendwo besteht das nachfolgend beschriebene christlich-demokratische "Horror-Szenario" des CDU-Abgeordnetetn Ulf Thiele aus Remels/Ostfriesland, das den Deichbruch verursachen könnte. Das ist platteste Gräuel- und Zweck-Propaganda.
Man darf auch von einem Landtagsabgeordneten erwarten, dass er Fakten zur Treibseldiskussion und die Historie zum Thema zur Kenntnis nimmt.
Dazu gehört der umfangreiche Abschlussbericht der "Arbeitsgruppe zum Treibselproblem, Bericht Treibselproblematik an den Hauptdeichen der niedersächsischen Nordseeküste und der von der Tide beeinflussten Flußläufe, 1996", 150 Seiten Vorsitzender: Dr. Muthard Hackbarth Regierungsvizepräsident der Bezirksregierung Lüneburg.
Darin wurde u.a. festgestellt: Von 28 angeschriebenen Deichunterhaltungsverbänden konnten 10 keine Angaben zum Treibselaufkommen machen, bei weiteren 10 Deichverbänden war der Treibselanfall gering. In den Niederlanden und in Dänemark sei Treibsel als "Problem" überhaupt nicht bekannt. Es wurde festgehalten, dass das Treibselaufkommen nach Sturmflut und nach Eisgang nur an ganz bestimmten Küstenabschnitten unterschiedlich hoch sei, die genaue Herkunft des Treibsels blieb ungeklärt, eine hoher Vorlandbewuchs könne sogar das Ablagern des Treibsels am Deich verhindern.
Wenn jedesmal nach einem Regierungswechsel ein Thema "neu erfunden" wird, kann man das kurze Gedächtnis der Öffentlichkeit auch jedesmal neu mit "Horror-Szenarien" strapazieren und sich darüber profilieren. Der jung-dynamische Herr Landtagsabgeordnete und Betriebswirt (Laut seiner Homepage ist er Mitglied des VfB Uplengen, des Schützenvereins Uplengen, des Kinderschutzbundes Leer, der Lebenshilfe Leer, des Lions Club Uplengen, des ADAC, des Vereins junger Kaufleute e.V. Leer, des Kulturrings Uplengen) ist offensichtlich völlig uninformiert über die Ziele eines Nationalparks, über naturbelassene Prozesse in Nationalparks, verwechselt Salzwiesen mit Grünlandflächen und produziert so heiße Luft!
CDU-Pressemitteilung Nummer 210 28. Oktober 2004
Ulf Thiele (CDU):
"Durch Treibselminimierung Horror-Szenario verhindern !"
Entschließungsantrag für einen Modellversuch zur Eindämmung des Treibselproblems an den niedersächsischen Deichen
Hannover. "Ein Horror-Szenario wollen wir uns doch alle ersparen: An der Küste brechen bei Sturmflut die aufgeweichten Deiche. Menschen und Tiere saufen ab. Und dann kommt der Kanzler und gibt den Trost-Onkel und Krisenmanager", so der CDU-Landtagsabgeordnete Ulf Thiele anläßlich der heutigen Einbringung eines Entschließungsantrages für einen Modellversuch zur Treibsel-Minimierung in den Niedersächsischen Landtag.
Treibsel besteht im Wesentlichen aus biologischen Substanzen wie Reet, Staudengewächsen, Strandastern und verschiedenen Gräsern, die im Deichvorland wachsen und absterben und bei Sturmfluten angeschwemmt und am Deichkörper abgelagert werden. Bleibt es dort einige Zeit liegen, weicht der Deichfuß auf und die Grasnarbe verrottet. Hierdurch kann sich die Wehrfähigkeit des betroffenen Deiches halbieren.
Ulf Thiele: "Entscheidende Faktoren für das Treibselaufkommen sind der Bewuchs des Vorlandes, der Zeitpunkt und die Stärke der Sturmflut und die Lage der Deichstrecken zur Windrichtung. Sturmfluten und Deichlagen können wir nicht beeinflussen. Aber den Bewuchs des Deichvorlandes können und müssen wir stärker regulieren".
Daher bitte man nun die Landesregierung, realistische Lösungsansätze zu erproben und dann umzusetzen, so der CDU-Politiker weiter. Für den Modellversuch vorgeschlagen werden die extensive Beweidung des Deichvorlandes durch Rinder und Schafe sowie die einmalige Mahd. Die Erprobung der Verfahren soll an drei verschiedenen Orten erfolgen.
Angesichts der Handfestigkeit des Problems und der Ernsthaftigkeit seiner Folgen merkte Ulf Thiele in seiner Rede an: "Die Untätigkeit der früheren SPD-Landesregierungen war absolut verantwortungslos. Das Treibsel-Problem ist seit mehr als zehn Jahren bekannt. Doch die SPD hat nichts Ernsthaftes unternommen, um das Problem in den Griff zu bekommen".
Auch nach der Durchführung diverser Arbeits- und Projektgruppen sei anschließend nichts passiert, so Ulf Thiele. Die betroffenen Deichverbände seien mit dem Problem alleine gelassen worden. Den Grünen warf der CDU-Politiker vor, sie würden zwar das Schild der Bedeutung von Deichschutz und Deichsicherheit vor sich hertragen, dahinter komme aber nur allgemeines Gerede über Konflikte mit den Zielen der Nationalparkverwaltung und den naturschutzfachlichen Zielen für die Fluß-Ästuare zum Vorschein.
Herausgeber: Nds. Umweltministerium
Modellversuch zur Treibsel-Minimierung
Landtagsrede von Umweltminister Hans-Heinrich Sander zum Entschließungsantrag der Fraktionen CDU und FDP - Drs. 15/1095 TOP 24
Presseinformation Nr. 114/2004
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Ich begrüße es sehr, dass das Treibselproblem hier im Hause aufgegriffen worden ist. Nach der Auffassung von Verbandsvorstehern, mit denen ich persönlich gesprochen habe, haben die Treibselmengen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Ihre ungleichmäßige Ablagerung führt zu teilweise sehr hohen Belastungen der unterhaltungspflichtigen Deichverbände. Außerdem gefährden die Ablagerungen die Deichsicherheit. Wenn nämlich das nach Sturmfluten angeschwemmte Treibsel wegen der Deichvernässung nicht zeitnah geborgen werden kann, stirbt bei dichten Lagen die Grasnarbe ab. Zeitnah folgende Sturmfluten würden dann auf einen in diesen Bereichen nicht mehr voll wehrfähigen Deich treffen.
Anrede!
Da das Treibsel im Deichvorland aufwächst, müssen Bemühungen zu seiner Reduzierung auch dort ansetzen. Bekanntlich liegen aber die Vorländer überwiegend im Nationalpark Wattenmeer oder in den Naturschutzgebieten der Flussmündungen. Die Frage ist also, ob wir uns dort auf eine extensive Nutzung durch Beweidung oder Mahd verständigen können. Ich jedenfalls könnte mir vorstellen, dass damit die biologische Vielfalt auch künftig erhalten bleiben würde. Man darf aber eines nicht übersehen: Wenn wir das auf den im Nationalpark bewirtschafteten Flächen - dass sind etwa 40 Prozent - machen, bedeutet das dass noch keinen größeren Rückgang des Treibselvolumens. Es muss also geprüft werden, ob auch ein Teil der bislang ungenutzten Flächen mit einbezogen werden kann. Und im Übrigen dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass ein sehr großer Teil des Treibsels in Form von Schilf aus den Ästuaren anfällt. Hier muss mit naturschutzfachlichem Sachverstand abgewogen werden, ob Nutzungsänderungen machbar sind.
Anrede!
Mit der Zielrichtung des Entschließungsantrages bin ich einverstanden.
Zwischenzeitlich hat der Niedersächsische Wasserverbandstag die Treibselproblematik in Abstimmung mit meinem Hause aufgegriffen. Er beabsichtigt ein groß angelegtes Projekt durchzuführen, in das vier besonders betroffene Deichverbände einbezogen werden sollen.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass die unmittelbar Betroffenen bereit sind, sich in dieser wichtigen Angelegenheit nachhaltig zu engagieren.