Wattenrat

Ost-Friesland

- unabhängiger Naturschutz für die Küste -

Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 83 (21.10.2004)

Petkumer Deichvorland

Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" bei Emden: Wahrheiten, Halbwahrheiten, Unwahrheiten und verletzte Eitelkeiten

Der Naturkundler Klaus Rettig aus Emden und das Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland": welche Wandlungen in der Argumentation! Zunächst bewertet Herr Rettig öffentlich, dass sich die meisten Vogelarten aus dem Gebiet zurückgezogen haben, dann berichtet er vom Vorkommen von Gänsen im Schutzgebiet und erweckt den öffentlichen Eindruck, alles sei gar nicht so schlimm mit der Wegenutzung im Schutzgebiet. Beim näheren Hinsehen stellt sich alles viel differenzierter dar. Das haben wir in einem Leserbrief deutlich gemacht und auch von Herrn Rettig eine Antwort bekommen. Mit von der Partie bei der Einvernahme des Naturschutzgebietes durch den Tourismus: der NABU und das Ökowerk Emden! Für die "Umweltbildung" ist eben kein Gebiet zu schade. Unser Mitarbeiter Eilert Voß erfaßt akribisch die Störungen im Gebiet, einen Störerfassungsbericht von vielen nachfolgend; inzwischen liegen 57 Berichte von ihm vor (Stand Okt. 2004). Auch nach der Schließung des Weges fristgerecht am 30. September geht die Nutzung als Spazier- und Fahrweg weiter, eine regemäßige Kontrolle findet nicht statt, der Zustand der Absperrungen ist nach wie vor unzureichend. Ein Brief dazu an das Umweltministerium ganz unten.

Skizze eines Störungsprotokolls

Wir zitieren aus den Zeitungen:

Ostfriesen-Zeitung 04.06.2004 (S. 12)

Vögel gezählt

EMDEN - Vor und nach dem Anlegen des Teekabfuhrweges hat der Emder Naturkundler Klaus Rettig die Zahl der verschiedenen Vogelarten in dem Gebiet gezählt. Das Ergebnis dieser Zählung listet er in seinem 214. Bericht mit Beiträgen zur Vogel- und Insektenwelt Ostfrieslands auf. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Vogelarten aus dem Gebiet zurückgezogen haben.

Ostfriesen Zeitung, Emden, 16. Juli 2004

Stadt wirbt für Rücksichtnahme im Naturschutzgebiet

Umwelt Besucher werden mit Stelltafeln im Petkumer Deichvorland über Besonderheiten informiert

Am Petkumer Siel ist ein Aussichtsturm geplant. Das Ökowerk will ein pädagogisches Konzept entwickeln und damit insbesondere Schulklassen ansprechen. Emden /MG - Mit dem Naturlehrpfad Petkumer Deichvorland will die Stadt Besuchern die Schönheit und Bedeutung dieses Gebietes näher bringen. Diese Art der Umweltbildung, dessen Konzept in Zusammenarbeit mit Naturschützern und dem Fahrrad-Club entstand, steht in engem Zusammenhang mit der zeitlich befristeten Freigabe des Teekabfuhrwegs zwischen dem Jarssumer Kirchweg und dem Emssperrwerk (Bericht Seite 17).

"Wir haben einen Kompromiss gefunden, der die Belange des Naturschutzes, des Tourismus und der Erholung berücksichtigt", sagte Erster Stadtrat Jan Röttgers bei der Vorstellung des Lehrpfades. Mit dieser Art Umweltbildung wolle man Fußgängern und Radfahrern auf dem Informationspfad bestmögliche Aufklärung anbieten.

Das geschieht nach Angaben von Astrid Heisselbüttel-Brinkmann und Thomas Wegmann vom städtischen Umweltamt unter anderem durch Stelltafeln, die die Firma "Redline" angefertigt hat. "Sie stehen an markanten Punkten und informieren unter anderem über das Naturschutzgebiet, Salzwiesen, Zugvögel, Deichschäferei und die Petkumer Ortsgeschichte", sagte Heisselbüttel-Brinkmann. Den kompletten Überblick an einem Ort bekämen Besucher beim Petkumer Sielhäuschen, wo auch eine Aussichtsplattform geplant sei. Ein spezielles Logo solle Besucher bei ihren Ausflügen im Naturschutzgebiet auf Kurs halten.

An der inhaltlichen Gestaltung des Lehrpfades haben neben dem Umweltamt auch Uwe Schramm von Nabu-Kreisverband, Horst Sturm vom Fahrrad-Club Emden sowie Holger Ahlborn vom Umweltbüro Kalberlah mitgearbeitet. "Das Ökowerk plant ein pädagogisches Konzept, um die Umweltbildungsarbeit mit Schulen zu verstärken", sagte Ahlborn. Außerdem wird in einem Faltblatt über Besonderheiten im Petkumer Deichvorland hingewiesen. "Gänseland : ganz nah am Wasser" heißt der Titel. 20 000 Euro sind laut Röttgers in den Naturlehrpfad investiert worden. Die Europäische Union zahlt die Hälfte, die Lotto-Stiftung 4 000 Euro und die Stadt den Rest.

Ostfriesen Zeitung, Emden, 25. August 2004

Kaum Störungen

NATUR Beobachtungen im Deichvorland Vogelkundler Klaus Rettig sprach von einem erfreulichen Anblick. Er war am vergangenen Sonntag in Petkum un­terwegs.

EMDEN - Der Naturkundler Klaus Rettig hat am vergangenen Sonntag in der Zeit von 8 bis 10.30 Uhr im Naturschutzgebiet Petkumer Deichvorland rund 1 000 Graugänse und 1 200 Krickenten gezählt, von denen die meisten im Bereich "Bracklows An­wass" Nahrung suchten. "Ich habe durch insgesamt 27 Radfahrer auf dem Teekabfuhrweg keinerlei Beeinträchtigung der Tiere bemerkt", sagte Rettig. Die einzige, sehr geringe Störung der Vogelwelt habe darin bestanden, dass 25 Säbelschnäbler und drei Brandgänse, die im Emswatt dicht am Deichfußweg Nahrung suchten, nach einer kurzen Flugstrecke in Richtung Ems auswichen. Sechs stochernde Pfuhlschnepfen ließen sich jedoch nicht stören, so Rettig. Die einzigen nennenswerten Störungen der Vogelwelt hätten darin bestanden, dass ein Sportflugzeug und das auf der Ems fahrende Schnellboot "Nordlicht" jeweils einen Teil der Graugänse und Krickenten zum Auffliegen brachte. Dagegen wurde durch die Fähre von Petkum nach Ditzum keine nennenswerte Beeinträchtigung bemerkt. Die Ergebnisse wolle er allerdings nicht verallgemeinern, da andere Vogelkundler teilweise gegenteilige Erfahrungen gemacht hätten, sagte Klaus Rettig.

Emder Zeitung Samstag, 28. August 2004

Bärendienst am Naturschutz Zu: "Rettig: Gänse am Deich fühlen sich nicht gestört", EZ vom 25. August. Ein Beitrag von EZ-Lesern EILERT VOSS, Widdelswehr MANFRED KNAKE, Holtgast UILKE VAN DER MEER Norden Wattenrat Ost-Friesland

Da konnte Herr Rettig, Hobby-Vogelkundler aus Emden, die Tinte wohl nicht mehr halten. Er sah trotz des umstrittenen Wanderweges im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" tatsächlich Gänse, die nicht wegflogen. Was will er uns damit sagen? Ist der Weg für Gänse unbedenklich? War der ganze Protest gegen die Freigabe des Weges nur Theaterdonner von Naturschutzdeppen, die nicht gucken können? Geht es um Selbstdarstellung, private Anerkennung oder Fakten? Herr Rettig wird Applaus von den Wege-Nutzern bekommen, Balsam für eine harmoniebedürftige Naturschützerseele? Hier der "liebe" Naturschützer, dort die ewigen Quakbüdel?

Herr Rettig hat aber leider eine Kleinigkeit verschwiegen: Die Fläche, auf der er die Gänse und Enten sah, die sog. Bracklow-Fläche, ist mehr als 200 Meter vom Betonweg entfernt. Da ist es keineswegs besonders aufregend, dass die Tiere bei diesem Abstand sitzen bleiben und weiteräsen. Diese Entfernung löst bei den Tieren kaum noch eine Flucht aus. Ganz anders sind die Flächen zu beurteilen, die näher als 200 Meter zum Wege hin liegen und nun nicht mehr als Nahrungsflächen zur Verfügung stehen. Nur eine einzige Person wird die Vögel sofort zum Auffliegen bringen, weil die Fluchtdistanz unterschritten wird, der Mensch also zu nahe dran an den Wildtieren ist. Genau diese wegenahen Flächen im Naturschutzgebiet werden von Brut- und Rastvögeln gemieden und gehen verloren! Das weiß auch Herr Rettig, weil dies eine Binsenwahrheit für Naturbeobachter ist. Und genau diese Störungen hat auch das offizielle Fachgutachten in seiner Verträglichkeitsprüfung vorausgesagt. Zitat: "Durch eine Wegenutzung würde sich also eine Verringerung der durch die Vögel nutzbaren Fläche des Naturschutzgebietes ergeben, die voraussichtlich 200 m weit reicht. Bei einer Länge des Weges von 4,5 km würden so ca. 900 000 m2 (90 ha) entwertet". Zitatende. (Quelle: Schmal + Ratzbor, Lehrte, Verträglichkeitsstudie vom Sept. 2003, Seite 19).

Viele Datenerfassungen mit den ständigen Störungen an den wegenahen Flächen hat auch ein Unterzeichner des Wattenrates sehr genau über Monate vorgenommen und kommt zu den selben Ergebnissen. Das Naturschutzgebiet ist nur 200 ha groß, fast die Hälfte wird also durch die Wegenutzung entwertet. Herrn Rettigs undifferenzierte öffentliche Äußerungen halten einer fachlichen Prüfung nicht stand. Er hat dem Naturschutz und den Tieren im Schutzgebiet einen Bärendienst erwiesen.

Emder Zeitung - Dienstag, 31. August 2004

Alles etwas differenzierter sehen - Zum Thema "Petkumer Deichvorland", Leserbrief von Eilert Voß, Manfred Knake und Uilke van der Meer, EZ vom 28. August. Ein Beitrag von EZ-Leser KLAUS RETTIG Danziger Str. 11, Emden

Bärendienst hin, Bärendienst her! Fakt (wovon ja im angesprochenen Leserbrief geredet wird) ist, ich habe am exakt gleichen Tag - jeweils am 22. August der Jahre 2003 und 2004 - und exakt im gleichen Gebiet des NSG "Petkumer Deichvorland" die anwesenden Graugänse gezählt. 2003 waren es 1050 Graugänse, ein Jahr darauf waren es 1100 Graugänse, also sogar rund 50 mehr als vor der offiziellen Teekabfuhrwegöffnung! Und dieses hat mich so erfreut, dass ich mich zu der öffentlichen Bekanntgabe entschloss. Ich kann doch nicht des öfteren schreiben "Wir werden sehen, wie sich die Graugänse nach Wegöffnung verhalten" und dann - wenn ich das "Ergebnis" ermittelt habe, dieses der Öffentlichkeit "vorenthalten" oder "verschweigen" - das ist nicht meine Art! Ich möchte allerdings auch nicht verheimlichen, dass ich den "Ärger" der Leserbriefschreiber vom "Wattenrat" verstehe und im gewissen Rahmen, wie z.B. der Einschränkung und dadurch teilweisen "Entwertung" des Naturschutzgebietes "akzeptiere".

So wie es meine Art ist, immer "kompromissbereit" zu sein und nach solchen Kompromissen - wie der zeitweisen "Wegeöffnung" - zu suchen! Dass aber die Leserbriefschreiber bezüglich meiner Person den verunglimpfenden Sprachgebrauch aus Jägerkreisen vom "selbst ernannten Hobby-Vogelkundler" (obwohl im Grunde genommen ja richtig) übernehmen, verwundert mich schon etwas. Es wird zwar auch von mir zugegeben, dass der eine oder andere Vogel bei Benutzung des Teekabfuhrweges vor einem Spaziergänger oder Radfahrer tatsächlich einen "Ortswechsel" vornimmt und die "Flucht" ergreift. Aber dann dürften wir Menschen bei Durchspielung dieses Gedankens ja gar nicht mehr unsere Häuser verlassen, denn es wird immer Vögel geben, die dem Menschen geringfügig ausweichen. Aber man kann doch nicht alles als "Störung" auslegen! Etwas anderes ist es natürlich, wenn in einigen Wochen beispielsweise wieder die etwas empfindlicheren nordischen Weißwangengänse erscheinen, aber dann bin ja auch ich wieder für die "Schließung" des Teekabfuhrweges! Man muss also alles etwas differenzierter sehen!

Anmerkung dazu:

Herr Rettig schließt aus dem Vorhandensein von 50 Graugänsen mehr als im Vorjahr trotz Öffnung des Weges für den Tourismus im Schutzgebiet schon einen Trend. Zu Beginn der Zugzeit lassen sich überhaupt keine verlässlichen Schlüsse über Bestandsentwicklungen ziehen.

Wir haben deutlich gemacht, dass er die Gänse außerhalb der Fluchtdistanz von mehr als 200m angetroffen hat, sie also trotz des Weges dort, aber nur dort, sitzen blieben. Das können im nächsten Jahr, je nach Bruterfolg und Störungen an anderer Stelle, auch vielleicht 100 mehr oder weniger sein, sagt also gar nichts über die Auswirkungen des Weges aus.

Nein, wir haben Herrn Rettig, wie er uns vorwirft, nicht als "selbsternannten" Hobby-Vogelkundler" "verunglimpft"; wir haben ihn als "Hobby-Vogelkundler" bezeichnet, und das ist nicht ehrenrührig.

Es ist schon beschämend für einen Mann, der sich in Emden und Umgebung als "Naturschützer" und "Naturkundler" darstellt und gleichzeitig die "Entwertung" eines Schutzgebietes "akzeptiert". Warum? Wegen des Druckes, den er vielleicht fürchtet? Das man ihn nicht mehr "lieb hat"? Herr Rettig ignoriert beharrlich die Fakten, die durch die Freigabe des Weges für die Tiere eingetreten sind, z.T. von ihm selbst festgestellt: Fast die Hälfte des Gebietes in Wegenähe wurde dadurch für Brut- und Rastvögel entwertet. Und wir reden über ein Naturschutzgebiet und "Besonderes Schutzgebiet" nach EU-Vogelschutzrichtlinie, nicht über den Vorgarten, den wir nach Verlassen des Hauses betreten!

Seine Eierei und Anbiederung an den Zeitgeist ist es, die ihn unglaubwürdig macht.

Brief:

Herrn Hoffmann
Nieders. Umweltministerium Archiv Straße
Hannover
NSG und BSG Petkumer Deichvorland 22.Okt.2004

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

separat mit Fax schicke ich Ihnen eine Störerfassung (Nr.57) und den tatsächlichen Zustand der Schließanlagen im NSG und BSG "Petkumer Deichvorland" zu.

Wie Ihnen bekannt ist, wurde dieses Schutzgebiet zunächst befristet in diesem Jahr auf Drängen der Stadt Emden, der örtlichen FDP und mit ministerieller Unterstützung für den Besucherverkehr freigegeben.

Auch nach dem Ablauf des diesjährigen befristeten Zugangs wird das Gebiet ohne ausreichende Kontrollen weiter betreten oder befahren; anders lautende Presseartikel, von der Stadt Emden lanciert, entsprechen nicht den Tatsachen.

Es zeichnet sich aufgrund von gründlichen Störerfassungen unseres Mitarbeiters Eilert Voß ab, der das Gebiet seit Jahrzehnten kennt und viele Jahre lang als Datenerfasser für das NLÖ tätig gewesen ist, dass die Hälfte des Gebietes durch die täglichen Störungen nicht mehr für die Raumnutzung von bestimmten Brut- und Rastvögeln zur Verfügung steht, also erheblich entwertet wurde, die ausschließlich politisch motivierte Wegefreigabe dem Schutzzweck des Gebietes zuwider läuft und damit unzuläsig ist. Diese nachteilige Entwicklung wurde von dem Gutachterbüro Schmal und Ratzbor vorausgesagt. Eine umfangreiche Fotodokumentation zu den Störungen liegt hier vor.

Bemerkenswerter Weise wird von interessierter politischer Seite versucht, Herrn Voß als Datenerfasser abzulehnen, weil er nicht genehme Fakten dokumentiert.

Ich konnte mich in den vergangenen Monaten selbst über das Ausmaß der Störungen vor Ort überzeugen.

Eine Beschwerde bei der EU-Kommission wegen der erheblichen Beeinträchtigung des Schutzgebietes wird hier gerade vorbereitet.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Knake

 
Zum Seitenanfang