Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 82 (18.10.2004)

Sollen Naturschutzgebiete in Niedersachsen für den Tourismus geöffnet werden?

Im niedersächsischen Naturschutz tut sich mal wieder etwas: Schutzgebiete sollen für den angeblichen "sanften" Naturtourismus geöffnet werden. Von Manfred Knake

Man habe im Land einen "Serengeti"-Effekt ausgemacht, so der liberale Umweltminister Sander (FDP)oder seine ministeriellen Einflüsterer. Soll heißen, die wildlebenden Tiere hätten sich an den Menschen in ihren Schutzgebieten gewöhnt. Nun, Deutschland ist nicht Afrika. In Niedersachsen sind gerade mal ca. 3% der Landesfläche als Naturschutzgebiete ausgewiesen, 5,8 % der Landesfläche sind Nationalparke. Die Frage, ob die Natur auch in Naturschutzgebieten für Touristen geöffnet werden soll, stellt sich gar nicht: Die Natur ist bereits weit geöffnet, auch in Schutzgebieten!

Viele Naturschutzverordnungen gestatten das Betreten auf den sogenannten "zugelassenen Wegen", wenn der Schutzzweck es erlaubt! Im Nationalpark Harz und Wattenmeer sind seit vielen Jahren ausreichend Wege ausgewiesen, in Zusammenarbeit mit den Tourismusmachern, niemand wird also "ausgesperrt". Jedes Gesetz und jede Verordnung sind aber nur so gut, wie sie überwacht werden, sonst bleiben sie bedrucktes Papier. Naturschutz ist staatliche Aufgabe in Deutschland, wird aber weniger als stiefmütterlich behandelt. An der ostfriesischen Küste, im und am Nationalpark Wattenmeer, werden jährlich ca. 15 Millionen Übernachtungen registriert, nicht gezählt werden Übernachtungen in Häusern bis 8 Betten und die Tagestouristen. Dem stehen 6 hauptamtliche "Nationalparkwarte" und 15 ständig wechselnde Zivildienstleistende als "Aufsicht" gegenüber: ohne Kompetenzen, ohne Fahrzeuge, ohne Boote, Entwicklungsland Niedersachsen!

Unsere niederländischen Nachbarn gehen da wesentlich preußischer mit dem Naturschutz um: Drei 22-Meter-Überwachungsschiffe mit dem weithin sichtbarem Schriftzug "Naturbeheer" auf den Rumpfseiten patroullieren im Watt und überwachen dort die Schutzbestimmungen, jedes zu tieffliegende Flugzeug riskiert eine Anzeige und jeder Wattwanderer und Fischer tut gut daran, sich an die Regeln zu halten; es kostet sonst Geld.

Minister Sander hat gerade vorgemacht, wie man ein Naturschutzgebiet und Teil eines "Besonderen Schutzgebietes" nach der EU-Vogelschutzrichtlinie platt macht: Im Juli eröffnete er im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" östlich von Emden mit Freibier einen Betonweg, der eigentlich für den Küsten- und Deichschutz gebaut wurde, für die touristische Nutzung, probeweise von Juli bis September. Nur wurde durch die vorangegangene öffentliche Propaganda seiner örtlichen Parteifreunde der Weg auch schon monatelang vorher genutzt, Absperrungen und Schilder wurden mutwillig zerstört. 90 Hektar des 200 Hektar großen Gebietes wurden so für viele Brut- und Rastvögel völlig entwertet, durch ständige menschliche Präsenz. Dabei kann dieses Gebiet am Rande auf dem Deich frei begangen werden.

Im Naturschutzgebiete Leyhörn im Landkreis Aurich fängt nun nach Jahren der Fremdenverkehr wieder damit an, neue Wege im Schutzgebiet zu fordern, mit Unterstützung des Ministers Sander. Der laut Planfeststellungsbeschluss gesperrte Ostdeich im Naturschutzgebiet Leyhörn soll der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; die bereits entgegen allen rechtlichen Vorgaben errichtete Badestelle im Nationalpark soll mit Duschen und Toiletten ausgebaut und ein Ausflugschiff entgegen den Auflagen im Naturschutzgebiet anlegen dürfen. Dabei ist auch hier der Westdeich auf mehreren Kilometern Länge frei begehbar und erlaubt einen ungehinderten Blick in die Schutzgebiete.

Deshalb: Naturerlebnisse in Niedersachsen sind sehr wohl möglich, auch ohne weitere populistische "Öffnungsklauseln", die der Natur nur schaden können. Die Frage ist nur, ob dies in einer Spaßgesellschaft noch zu vermitteln ist.

 
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