Wattenrat

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 75 (03.04.2004)

NACHRUF - Bernhard Dirks

Bernhard Dirks * 11.12.1927 † 29.01.2004

Bernd "Bamsti" ist tot. Am 02. Februar 2004 wurde Bernhard "Bamsti" Dirks auf dem Friedhof in Westerbur bei Dornum/LK Aurich beigesetzt. Die Trauerandacht hielt der ehemalige Superintendent Mundt aus Esens. Bis auf den letzten Platz war die Kirche gefüllt. Am Grabe sprachen Vertreter der Boßler und der Jägerschaft. Bernd "Bamsti" war ein handfestes ostfriesisches Original.

Bamsti hollt eben kört för'n Schnack

Ich lernte ihn irgendwann im Jahr 1977 kennen, mitten im Watt vor Westerbur. Er hockte im Poolfass, einem mit Schalholz ausgekleideten feuchten Mannloch im Schlick. Um ihn herum quakten angepflockte Enten, die Artgenossen anlocken sollten. Mit einer alten Außenhahn-Flinte auf dem Poolfassrand maulte er mich auf platt an, ich solle da weggehen, er wolle Enten schießen, ich störe nur. Verdutzt sah ich ihn an. Wo denn sein Hund sei, fragte ich ihn, der Hund, der zu jeder Jagdausübung mitzuführen sei. Das ginge mich gar nicht an, das sei sowieso Tierquälerei, mit dem Hund im Watt, und dann würden ja die Enten auch nicht kommen; und wenn ich es genau wissen wolle: Der Hund sei im Auto, im Kofferraum. "Glaub ich nicht, sagte ich, "da war gar kein Auto, nur ein Fahrrad". Ja, und dann ging es erst richtig los. Was ich denn für einer sei, so mit einem Fernglas um den Hals. "Vögel gucken", sagte ich. "Was für welche", fragte er zurück. "Alles, was hier so fliegt", war meine Antwort. Er kannte seine Enten, Stockenten und die mit dem gelben Kopf, von denen gäbe es zwei Sorten, mit braunem Kopf und mit gelbem Kopf. "Ja", sagte ich, Pfeifenten, Weibchen und Männchen. Und die "Kommunistengänse" kannte er, die Ringelgänse aus dem fernen Sibirien, die ab September im Watt waren, die er aber eigentlich nicht schießen dürfe. "Aber die schmecken auch nicht, viel zu tranig." Und so war ich der "Vogelschützer" und er Bernhard, der Wattenjäger. Von da an trafen wir häufig aufeinander; er hockte meisten in seiner Tonne und ich stand auf dem Deich. Ein Blick durchs Glas, ein Handheben als Gruß.

1979 wurde es dann etwas eng für uns im Watt. Mit Hans-Dieter Schneider und einigen Jugendlichen aus Esens fingen und beringten wir nachts Vögel im Watt, im Auftrag der Vogelwarte Helgoland, mit Stellnetzen, die wir nachts im Watt spannten und in denen sich auch bei wenig Wind und wenig Licht viele Watvögel verhedderten. Ganz wissenschaftlich, mit Bestimmung der einzelnen Arten und der genauen Vermessung ging es da zu. Mühsam wurden sie aus den Netzen geklaubt, in Transportbeutel verpackt und zur Beringungsbude auf dem Kläranlagengelände im Polder gebracht.

Und dann polterte Bernd Bamsti herein. Er könne ja nun nicht mehr schießen, wenn wir da rumliefen. Da hätte er nachts auch nichts zu suchen, sagten wir, es gäbe schließlich festgelegte Jagdzeiten. Nein, er könne auch nachts gut sehen. Wenn wir da aufhörten, wollte er für uns wohl auch ein paar Enten schießen. Nichts da, die sähen wir lieber lebend, er habe da nachts nichts zu sagen, Punkt. Der Krach war da.

Zu allem Überfluss wurde das Watt vor dem Westerburer Polder auch noch Wildschutzgebiet, da hatten wir natürlich mit dran gedreht, damit war dort die Wattenjagd vorbei. Wir hatten uns Bernd Bamsti zu Feind gemacht, sein Hobby konnte er an der Stelle nicht mehr ausüben, aber die Gänse, Enten und Watvogel hatten ihre Ruhe wieder.

Dann kam 1986 der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Nun sollte es ganz vorbei sein mit der Wattenjagd im niedersächsischen Wattenmeer, zunächst in den strengsten Schutzzonen, den Ruhezonen. Bernhard Dirks gab natürlich "den Umweltschützern" die Schuld, und vor allem mir. Der "Albrecht [damals Ministerpräsident] und der Knake" hätten ihm die Jagd weggenommen; ganz empört rief er mich an, "doodscheeten" wollte er mich. Bei solchen massiven Drohungen ist selbstverständlich Vermittlung angesagt. Gut, sagte ich, ich frage den Nationalparkleiter, was man für dich machen kann.

Der damalige Nationalparkleiter Dr. Helbing, der in Wilhelmshaven residierte, war dann auch zu einem Ortstermin an einem Vormittag mit Bernhard Dirks am Westerburer Watt bereit. Bernd Bamsti frohlockte, ich müsse aber unbedingt dabei sein. Nein, das ginge nicht, als Schulmeister könne ich wegen ihm nicht die Schule schwänzen, unmöglich.

Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf. Bernhard kam zum Ortstermin, mit seinem Auto, und besonders höflich soll er auch nicht gewesen sein. Der Nationalparkleiter hörte sich sein Begehren an, sah ihn an und sagte ihm, dass er mit dem Auto ja noch ganz mobil sei. Er könne ja einen Wattenjagdschein im benachbarten Landkreis Wittmund lösen, da gäbe es eine Wattenfläche östlich von Bensersiel, in der Zwischenzone. Nein, Bernd Bamsti wollte nicht, hier wollte er jagen. Ein Wort gab das andere, und der Termin war geplatz, keine Wattenjagd mehr vor dem Westerburer Polder. Wer hatte Schuld? Ich natürlich, ich war ja nicht zum Ortstermin gekommen.

So richtete er sich am benachbarten Pumptief, einem kleinen Wasserlauf, "häuslich" ein. Ein alter Wohnwagen, mit einem Tarnzelt gut im angrenzenden Landschaftsschutzgebiet versteckt, war nun sein Fluchtpunkt statt des Poolfasses im Wattenmeer. Dort stellte er mit Reusen Aalen nach.

1994 starb Bernhard Dirks Ehefrau, völlig unerwartet an den Komplikationen einer eigentlich einfachen Operation. Bernhard Dirks nahm das sehr mit, der Griff zur Flasche machte es für ihn nicht leichter.

Aber Bernhard redete wieder mit mir. Gelegentlich traf ich ihn in an seinem Wohnwagen an, wo wir über das Wetter, die Enten und einige Revierjäger redeten , die Bernhard gar nicht leiden mochte. Sein Haus in Westerbur hatte er verkauft und wohnte nun auf dem selben Grundstück in einer kleinen Behelfsbehausung. Fast täglich war er mit seinem alten Geländewagen am Deich unterwegs, wo wir uns immer wieder trafen und Neuigkeiten austauschten.

Das ist jetzt vorbei. Aber bei jedem Gang an den Deich wird mit "Bamsti" mit dabei sein.

Manfred Knake

 
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