Wattenrat

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 74 (15.04.2004)

Mit schwerem Gerät im Nationalpark in der Brutzeit!

Nationalparkverwaltung zu den Arbeiten im Salzwiesenbereich: "Nicht ganz optimal" - Wattenrat legt Fachaufsichtsbeschwerde ein

Ausgerechnet die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer nimmt es mit dem Nationalparkgesetz nicht sehr genau: In der strengstens Schutzzone auf Langeoog wird am Beginn der Brutzeit, der äußerst sensiblen Phase der Reviersuche und des Nestbaus, mit schwerem Gerät auf der Salzwiese gearbeitet. Sogar die weniger streng geschützte Zwischenzone darf nur vom 1. April bis 31. Juli von Fußgängern betreten werden, in der Ruhezone ist das Betreten außerhalb der Wege ganzjährig untersagt. Die Einschätzung des stellv. Nationalparkleiters Zander ist skandalös, so argumentieren nur innerlich völlig unbeteiligte Schreibstubenbeamte, ohne Bezug zur realen Natur. Der richtige Zeitpunkt wäre ab August gewesen, da sind die Störungen am geringsten, soviel Planung darf von der Nationalparkverwaltung und dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserbau und Küstenschutz erwartet werden.

Die 3,58 Millionen Euro aus Naturschutzkompensationsmitteln der Erdgasfirma Statoil werden überwiegend für einen neuen Deich zur Inselsicherung in Verbindung mit einem breiten neuen Weg für den Tourismus in den Ostteil verbaut, die Öffnung des ohnehin sehr niedrig liegenden alten Sommerdeiches ist das öffentlichkeitsorientierte ökologische Feigenblatt der Baumaßnahme. Ursprünglich sollte nach dem Planfeststellungsbeschluss ein Sommerpolder bei Dornumersiel renaturiert werden; das scheiterte am konzertierten Widerstand des Deichverbandes und verschiedener Lokalpolitiker. Die angebliche Naturschutzmaßnahme auf Langeoog dient überwiegend dem Küstenschutz und dem Fremdenverkehr.

Siehe auch Wattenrat-Webseite: "Renaturierung" des Langeooger Sommerpolders

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland:

"Anzeiger für Harlingerland (Wittmund) , online, 13.04.2004

Bagger im Schutzgebiet

Langeooger begehren gegen Baumaßnahmen im Sommerpolder auf

Langeoog/mh – Insulaner und ihre Gäste gehen auf die Barrikaden: In der Schutzzone 1, die ein Mensch nicht einmal mit Sondergenehmigung betreten darf, wird seit etwa zwei Wochen mit schweren Baufahrzeugen gearbeitet. "Ganz offensichtlich nimmt man es mit den Gesetzen zum Naturschutz nicht so genau", schimpft Horst Bollenberg, Gast aus Hamm. Auch Wattführer Gerhard Siebels ist aufgebracht. "Vom Naturschutzgesetz her ist vom 1. März bis 31. Oktober jeglicher schwere Eingriff in die Natur verboten", sagt er. Was die Menschen auf die Barrikaden bringt, ist nach Ansicht des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft und Küs-tenschutz (NLWK) und der Nationalparkverwaltung durch Pläne abgesichert.

Die umfangreichen Arbeiten im Langeooger Sommerpolder mit dem Neubau eines 5,5 Kilometer langen Deiches – hier werden insgesamt 3,58 Millionen Euro investiert – sollen nämlich der Umwelt nützen. Im Auftrag der Bezirksregierung kompensiere man die Eingriffe in den Naturhaushalt des Wattenmeeres, die durch den Bau der Erdgasleitungen "Europipe I" und "II" verursacht wurden. Der Rückbau des Sommerdeiches und die Renaturierung des Gewässersystems erhöhe den Naturschutzwert des Sommerpolders, sagt Reinhard Zander, Dezernent bei der Nationalparkverwaltung. Zander räumt allerdings auf Nachfrage ein, dass der Zeitpunkt der Arbeiten "nicht ganz optimal" ist. Es sei zu witterungsbedingten Verzögerungen gekommen. Er erwarte aber – ganz im Gegenteil zu Gerhard Siebels – keine "gravierenden Spätfolgen", etwa für die Brutvögel. Diese seien noch auf Reviersuche. die durch die Arbeiten nur "marginal beeinflusst wird", ist Zander überzeugt. Zudem schließe man die Baggerarbeiten noch in dieser Woche ab. Auf einer Fläche von etwa 218 Hektar werde dadurch der natürliche Tide-Einfluss wieder hergestellt. Zander: "Ich erwarte im übernächsten Jahr bereits den sehr positiven Effekt, besonders für die Brutvögel im Sommerpolder."

Zu diesem Vorgang legt der Wattenrat Fachaufsichtsbeschwerde ein:

An das Niedersächsische Umweltministerium
Archivstraße 2
Hannover
Fax 1 Seite 14. April 2004

Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer Langeoog, Ruhezone I/25
Baggerarbeiten in der Ruhezone in der Brutzeit

Fachaufsichtsbeschwerde

Sehr geehrte Damen und Herren,
aus der Presse wurde heute bekannt, dass im Langeooger Sommerpolder, Ruhezone des Nationalparks Niedersächisches Wattenmeer, mit schwerem Gerät des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK) Renaturierungsarbeiten seit zwei Wochen durchgeführt werden. Der Dezernent Zander der NLPV wir dahingehend zitiert, dass der Zeitpunk der Arbeiten "nicht ganz optimal" sei. Gerade die Nationalparkverwaltung hätte aber sicherzustellen, dass Bauarbeiten in der Ruhezone "optimal" außerhalb der Brutzeit vorzunehmen sind, da Störungen und Gefährdungen der Brutstätten laut §6 des Nationalparkgesetzes verboten sind.

Die Bauarbeiten hätten auch nach dem Ende der Brut- und Aufzuchtzeit im August begonnen werden können. Es ist schwer nachzuvollziehen, dass von der Bevölkerung bei Strafandrohung erwartet wird, das Nationalparkgesetz zu befolgen, die Nationalparkverwaltung sich aber darüber hinwegsetzen kann. Das macht die fachliche Arbeit der Behörde wenig glaubwürdig. Zudem ist das in Rede stehende Gebiet gemeldetes EU-Vogelschutzgebiet. Dies lässt eine besondere Sorgfalt der Bauplanungen erwarten. Bemerkenswerter Weise wurde eine vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfung der Maßnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz nie durchgeführt. Gegen die Baumaßnahme zum gegenwärtigen Zeitpunkt lege ich Fachaufsichtsbeschwerde ein.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

 
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