Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 327 (Dezember 2009)
"Wattenmeerschutz" durch noch mehr Tourismus!
Nationalparkverwaltung ohne Naturschutzinhalte
Die Totalvermarkung mit der neo-liberalen Politik ist nun auch in den Naturschutzbehörden angekommen. Dies macht die Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung(!) zur Studie der Bundesamtes für Naturschutzes (BfN) deutlich. Zu Zeiten eines Prof. Erz als damaligem Leiter des BfN (1998 plötzlich verstorben) wäre die Studie "Regionalökonomische Effekte des Tourismus in deutschen Nationalparken" in seinem Hause so nicht geschrieben worden, das hätte er vermutlich touristischen Wirtschaftsverbänden überlassen!
Für die betroffenen Arten des Großschutzgebietes Wattenmeer sind die "hohen regionalökonomischen Effekte des Tourismus" zweifelsfrei abträglich; 37 Millionen Übernachtungen/p.a. zwischen Cuxhaven und Emden heißt ungezügelter Massentourismus ohne Rangeraufsicht: in einem "Welterbe", FFH- und Vogelschutzgebiet und Feuchtgebiet internationaler Bedeutung.
Die nachstehenden Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung enthüllt den geringen Bekanntheitsgrad des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, das steht im krassen Widerspruch zur Medienpropaganda um das "UNESCO-Welnaturerbe" für noch mehr Touristen: Weniger als 50 Prozent der Befragten wussten, dass sie in einem Nationalpark sind, 23 Jahre nach der Einrichtung des Nationalparks! Im ältesten deutschen Nationalpark Bayerischer Wald sind es über 80 Prozent, die von dem dortigen Schutzstatus wissen. Weniger als die Hälfte der befragten Touristen wussten also gar nicht, dass es hier Regeln gibt, die aber nur eine handvoll Ranger ohne jegliche Kompetenzen auf 2.800 qkm Fläche überwachen sollen. Und die Nationalparkverwaltung unternimmt nichts, daran etwas grundsätzlich zu ändern.
Papier ist geduldig, Hauptsache das Etikett stimmt! Von Naturschutz redet keine Behörde mehr im Nationalpark, nicht einmal die Nationalparkverwaltung in WHV. Zitat:
Die vorliegende Ist-Analyse enthält wertvolle Hinweise für eine nachhaltige Tourismusentwicklung im Umfeld der Nationalparke, die gleichermaßen den Schutzzielen, den Ansprüchen der Gäste und der Wettbewerbsfähigkeit der Schutzgebietsregion gerecht wird.
Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer vom 11.Dez. 2009:
Nationalpark ist beachtlicher Wirtschaftsfaktor
Neue Studie des BfN belegt hohe regionalökonomische Effekte des Tourismus in deutschen Schutzgebieten, auch im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
Als vor 24 Jahren der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer eingerichtet wurde, fürchteten Einheimische, wegen der neuen Schutzbestimmungen könnten die Gäste wegbleiben. Dass diese Furcht unbegründet war, hat sich schon lange herumgesprochen: Seit den 1980er Jahren sind die Gästezahlen vor allem auf den Inseln deutlich gestiegen. Doch lässt sich dieser Zuwachs auch ökonomisch in Zahlen fassen? Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichte jetzt eine Studie, die zeigt, wie sich die wirtschaftlichen Effekte von Nationalparks berechnen lassen - und welchen beachtlichen Einkommensbeitrag sie für die Region leisten: Im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer bewirken die Nationalpark-Touristen einen Bruttoumsatz von mehr als 115 Mio Euro jährlich und sichern damit mehr als 3.360 Arbeitsplätze!
Berechnet wurden hierbei nur die Ausgaben der "echten" Nationalpark-Touristen. In Interviews wurde ermittelt, für wie viele Besucher der Nationalpark, also der Schutzstatus des Gebietes, tatsächlich der Hauptanziehungspunkt für den Urlaub an der niedersächsischen Küste ist: Das sind knapp 11% der mehr als 20 Millionen Tages- und Übernachtungsgäste. Eine weitaus größere Zahl kommt wegen der intakten Natur, diese Urlauber sind in den genannten Werten gar nicht enthalten. "Die Studie bestätigt, dass der Schutz der wunderschöne Natur unseres Wattenmeeres nicht nur Pflanzen und Tieren, sondern auch Menschen zugute kommt, Einheimischen wie Gästen", stellt Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander fest. "Hier gehen Ökologie und Ökonomie Hand in Hand."
Durchgeführt wurde die Studie, die im Rahmen des Umweltforschungsplanes vom Bundesamt für Naturschutz gefördert wurde, in Zusammenarbeit mit den Nationalparkverwaltungen vom Institut für Geographie der Universität Würzburg unter Leitung von Prof. Dr. Hubert Job, dessen Mitarbeiter dafür allein im niedersächsischen Wattenmeer fast 25.000 Gäste befragten. Über ein Jahr verteilt wurden an 12 Terminen (während und außerhalb der Ferien, wochentags wie am Wochenende) an insgesamt 20 Standorten im Nationalpark 23.026 Blitzinterviews und 2.830 Langinterviews mit Urlaubern geführt. Gefragt wurde unter anderem nach der Motivation für den Aufenthalt, Dauer des Aufenthaltes und Geldausgaben für Unterkunft, Veranstaltungen etc. Die "echten" Nationalpark-Übernachtungsgäste geben übrigens pro Tag im Schnitt 1,60 Euro mehr aus als andere Gäste, tragen also überproportional zum touristischen Einkommen bei. Insgesamt wurden bundesweit 5 Nationalparks untersucht und die Ergebnisse auf alle (14) deutschen Nationalparks hochgerechnet. Pro Jahr besuchen ca. 50,9 Millionen Menschen die deutschen Nationalparke und bewirken damit einen Bruttoumsatz von rund 2,1 Milliarden Euro. Dies entspricht etwas mehr als 69.000 Arbeitsplätzen, die vom Tourismus in Nationalparken abhängig sind. Die Ergebnisse der Studie belegen, dass der mit Nationalparken verbundene Tourismus einen beachtlichen wirtschaftlichen Beitrag für die Region leisten kann. Damit tragen Nationalparke auch zum Erhalt und zur Entwicklung langfristiger Arbeitsmarktpotenziale bei.
Die Studie gibt detaillierten Aufschluss über Besucherstrukturen und Motivation von Gästen in den Nationalparken Deutschlands. Die vorliegende Ist-Analyse enthält wertvolle Hinweise für eine nachhaltige Tourismusentwicklung im Umfeld der Nationalparke, die gleichermaßen den Schutzzielen, den Ansprüchen der Gäste und der Wettbewerbsfähigkeit der Schutzgebietsregion gerecht wird.
"Was wir schon immer vermutet haben, steht nun fest: Der Nationalpark hat nicht nur eine hohe Bedeutung für die Natur, sondern auch für die Menschen in der Region, die daraus Arbeit und Einkommen beziehen. Diese vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer ausgehenden positiven wirtschaftlichen Effekte durch den Tourismus sind sehr wichtig für die Akzeptanz des Schutzgebietes und somit des Wattenmeerschutzes insgesamt", stellt Nationalpark-Leiter Peter Südbeck fest. Der Anteil der "echten" Nationalpark-Touristen könnte allerdings noch steigen: Weniger als 50% der Befragten wussten, dass sie in einem Nationalpark sind - im ältesten deutschen Nationalpark Bayerischer Wald sind es über 80%. Nach Ansicht von Prof. Job "ist aber für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer als tradierte Tourismusdestination zum jetzigen Zeitpunkt sicherlich kein höheres Ergebnis zu erwarten gewesen." Prof. Job erwartet aber, dass "gerade vor dem Hintergrund des stets zunehmenden Wettbewerbs der Destinationen und Urlaubsorte verstärkt die Wirkung eines Nationalparks als weitere Attraktion der Region erkannt und entsprechend in Wert gesetzt wird."
Die im Juni erfolgte Anerkennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe wird ganz sicher dazu beitragen, die Kenntnis und das Bewusstsein für die ökologische Bedeutung und Schutzwürdigkeit bei den Gästen zu steigern. Die Studie "Regionalökonomische Effekte des Tourismus in deutschen Nationalparken" ist im Landwirtschaftsverlag in der Reihe Naturschutz und Biologische Vielfalt (Heft 76) erschienen und kostet 18 Euro (ISBN 978-3-7843-3976-4). Zu beziehen über den BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag.
Und die Nationalparkparkverwaltung ist noch für eine ganz andere Pressemitteilungen gut, die zwar gut nach Aktion und Tatkraft klingt, aber nichts Neues bringt; also, mit Verlaub, leeres Geschwätz: Mehr als 23 Jahre nach Einrichtung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer kommt es zu einem "Kooperationsvertrag" mit der Insel Spiekeroog. Aber Autos fahren seit jeher nicht auf der Insel, auch schon vor Einrichtung des Nationalparks war die Insel autofrei. Die Störung von Vögeln ist schon seit Jahrzehnten nicht nur in Nationalparks gesetzlich verboten, dazu bedarf es keines "Vertrages"! In der Tat bemerkenswert ist aber der Abbau von Stacheldrahtzäunen auf der Insel, das sollte Schule im gesamten Großschutzgebiet Wattenmeer machen. Nur: Auf Spiekeroog wurden lediglich 1,5 km von sehr vielen km Stachdrahtzaun entfernt; auf anderen Inseln will man dem Beispiel angeblich folgen.
Greifvögel wie Rohr- und Kornweihen und Sumpfohreulen sind durch Stacheldraht besonders gefährdet, weil sie bei der Ausschau nach Beute typischerweise niedrig über das Gelände fliegen. Aber auch Möwen, Wat- und Singvögel stehen auf der Fundliste, die seit Beginn der Kartierung (1992) mehr als 150 Opfer aufweist. "Die Beseitigung der Todesfallen dient nicht allein dem Schutz einzelner Tiere, wir werden damit auch unserer Verantwortung für den Artenschutz gerecht" erläutert Peter Südbeck, der neue Chef der Nationalparkverwaltung und frühere Leiter der staatlichen Vogelschutzwarte. So brütet die Kornweihe deutschlandweit mit wenigen Paaren fast nur noch auf den Ostfriesischen Inseln; mit dem individuellen Verlust eines Tieres ist gleichzeitig auch der Fortbestand seiner Art gefährdet.
Obenstehende Erkenntnisse von Peter Südbeck sind jetzt 5 Jahre alt und ein Beispiel wie blumige Selbstbeweihräucherung in wenig konkrete Auswirkungen vor Ort mündet. 2005 hatte man auf Borkum 1,7 km Stacheldraht entfernt und feiert heute die 1500 Meter von Spiekeroog. Das sollte ernsthafter angegangen werden, immer wieder kommen Vögel in Stacheldrähten um, wie diese Sumpfohreule im Nationalpark bei Neßmersiel, die aufgrund ihrer erlittenen Verletzungen eingeschläfert werden mußte. Auch in der Ruhezone an der Leybucht starb im Spätherbst eine der seltenen Sumpfohreulen elend im Stacheldraht. Es gibt nur noch ca. 60 Brutpaare davon in Niedersachsen.
Im Stacheldraht verfangene Sumpfohreule, Foto: Nordseehaus Dornumersiel
Pressemitteilung der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer vom 02. Oktober 2009:
Spiekeroog besiegelt Partnerschaft mit dem Nationalpark
Bürgermeister Bernd Fiegenheim und Nationalpark-Leiter Peter Südbeck unterzeichnen Kooperationsvertrag
Mit ihren vielfältigen Dünenlandschaften, den Salzwiesen des Wester- und Ostergroens und der ausgedehnten, sich natürlich entwickelnden Ostplate ist die Insel Spiekeroog ein Glanzpunkt im Nationalparkgebiet für den Ablauf natürlicher Prozesse und den Erhalt herausragender biologischer Vielfalt. Seit langem ist sich die Inselgemeinde ihrer Verantwortung für dieses Kleinod bewusst. Der Erhalt des traditionellen Ortsbildes, der bewusste Verzicht auf einen Flugplatz und auf motorgetriebenen Fahrzeugverkehr sind eindrucksvolle Ziele eines weitsichtigen touristischen Konzeptes der Inselgemeinde. Das besondere Selbstverständnis Spiekeroogs verbindet sich vortrefflich mit den Schutzzielen des Nationalparks und schafft ideale Voraussetzungen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit in beiderseitigem Interesse zum Erhalt des Natur- und Kulturerbes der Insel. Diese Partnerschaft wurde jetzt auch formal besiegelt: Bürgermeister Bernd Fiegenheim und Nationalpark-Leiter Peter Südbeck unterzeichneten einen Kooperationsvertrag zwischen Inselgemeinde und Nationalparkverwaltung. Damit ist Spiekeroog die erste Gemeinde im Nationalpark, die eine solche partnerschaftliche Zusammenarbeit vertraglich bekräftigt.
"Spiekeroog verkörpert in besonderem Maße eine junge, dynamische Insel", hob Südbeck hervor. "Die natürliche Dynamik der Ostplate ist einzigartig. Beim Schutz dieses Naturraumes eng zusammenzuarbeiten, ist vorbildlich für den gesamten Nationalpark".
Mit dem Vertrag verbunden sind gemeinsame Zielvereinbarungen und Arbeitsprogramme, die in 2jährigem Turnus festgelegt werden. Dazu zählt u. a., in Zusammenarbeit mit dem Umweltzentrum Wittbülten die Möglichkeiten des Naturerlebens behutsam und den Schutz von Natur und Landschaft kontinuierlich zu verbessern, sich gegenseitig bei organisatorischen und logistischen Fragen zu unterstützen und eine gemeinsame Außendarstellung zu pflegen.
Erste gemeinsame Schritte sind der Rückbau des "Alten Anlegers", dessen Betreten immer wieder zu Störungen von Brutvögeln führt; der Rückbau von Stacheldrahtzäunen im Heller, zum Schutz von Kornweihe und Sumpfohreule, die sich im Draht verfangen können; Abstimmung des Umfangs der Pferdebeweidung unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltungsziele des Nationalparks als EU-Vogelschutzgebiet; der Schutz aktueller Kegelrobben-Wurfplätze und die Öffentlichkeitsinformation "Hunde an die Leine". Informationen über den Nationalpark und zertifizierte Nationalpark-Führungen sollen verstärkt in Infobroschüren der Kurverwaltung verbreitet und die Fähren mit Infotafeln ausgestattet werden.
Zu den gemeinsamen Vorhaben gehört auch die Öffentlichkeitskampagne "Biologische Vielfalt in Niedersachsen". Im Rahmen der Symbolartenaktion des Landes Niedersachsen hat sich die Gemeinde Spiekeroog für die Stranddistel entschieden. Nationalparkverwaltung und Gemeinde arbeiten bei der weiteren Ausgestaltung der Aktivitäten Spiekeroogs eng zusammen. So wurde vor der Vertragsunterzeichnung gemeinsam mit Swaantje Fock, Geschäftsführerin des Umweltzentrums Wittbülten, eine Infotafel über die Stranddistel enthüllt.
"Wir möchten unsere bisher schon gute Zusammenarbeit durch die Unterzeichnung des Vertrages auch nach Außen dokumentieren" so Bürgermeister Fiegenheim, "wir haben gemeinsame Ziele, die Erhaltung der einmaligen Spiekerooger Naturlandschaft dient der Bewahrung unseres Lebensraumes".