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Salzwiesen im Dollart
Umgestaltung des "Weltnaturerbes" Wattenmeer mit Kettenfahrzeug
Im "Weltnaturerbe" Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer wurde im November 2009 in der strengsten Schutzzone des Dollarts auf den Salzwiesen tiefe Gräben gezogen.
Ein Kettenfahrzeug des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) zog im südöstlichen Teil des Dollart nahe der niederländischen Grenze tiefe Gräben (sog. "Grüppen") in einem Abstand von 10 Metern, um die Salzwiesen in Richtung Watt zu entwässern. Damit soll, so die offizielle Begründung, der Deichfuß trockengehalten werden; die Entwässerung gilt als "Küstenschutzmaßnahme". Die Maßnahme findet in Abstimmung mit der Deichacht Rheiderland statt, die auch die Überspülung von Salzwiesen des Dollarts mit Ems-Baggerschlick befürwortet.
Diese Praxis wird auf vielen geschützten Salzwiesen des Wattenmeeres angewendet und ist seit Jahrzehnten Streitpunkt zwischen den Küstenschutzbehörden und dem Naturschutz. Der Wattenrat bemängelt, dass die Gräben viel zu tief gezogen werden und der Abstand von 10 Metern von Graben zu Graben viel zu dicht ist. Damit werden die Salzwiesen zu trocken, die natürliche Salzpflanzenvegtation wird durch zunehmende Verqueckung zurückgedrängt und die geschützten Flächen werden für Gänse oder Watvögel durch die Trockenheit und den großflächigen Schlickauswurf weniger attraktiv, für das Weidevieh hingegen langfristig verbessert. Die tiefen Gräben sind zudem Todesfallen für Jungvögel des nächsten Frühjahres.
Der Wattenrat hält eine Begrüppung im Abstand von 30 Metern mit geringerer Grabentiefe für völlig ausreichend. Es ist zudem nicht hinnehmbar, dass eine Behörde, die den Namen "Naturschutschutz" im Namen trägt, den Status "Nationalpark" und "Weltnaturerbe" völlig ignoriert und ihre Arbeitsabläufe seit Jahrzehnten unverändert uneinsichtig nur im Hinblick auf die Entwässerung der Salzwiesen-Feuchtgebiete und für den Weidebetrieb weiterbetreibe. Hier wird wieder einmal deutlich, dass das Welterbe-Prädikat nur propagandistisch für die Tourismusentwicklung missbraucht wird und sich an der großflächigen Salzwiesenzerstörung nicht geändert hat.
Bereits 2008 konnte der Wattenrat durch eine Intervention bei der Nationalparkverwaltung erreichen, dass Salzwiesenflächen der Ruhezone im Nationalpark bei Dornumersiel im Landkreis Aurich schonender begrüppt wurden (siehe auf unseren Seiten vom August 2008: "NLWKN: Naturschutzfachbehörde macht Salzwiese im Nationalpark platt"). Dort wurde eine unbeweidete Hochstauden-Salzwiese durch das Kettenfahrzeug plattgemacht. Der Wattenrat vemisst die eigenständige Handlungsfähigkeit der Nationalparkverwaltung zum Schutz der Salzwiesen, die sich kaum gegen die kombinierte Küsten- und Naturschutzbehörde NLWKN durchsetzen kann.