Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 316 (Mai 2009)

Kaputte Kunst im Nationalpark

Dornumersiel: Vogelfalle im Schutzgebiet, Installation "Versagte Heimkehr"

Hat schon mal jemand versucht, in einem Kunstmuseum ein Feuchtgebiet mit lebenden Pflanzen und freifliegenden Vögeln einzurichten? Wohl kaum.

Umgekehrt geht´s aber: In Dornumersiel im Landkreis Aurich steht ein riesiges Kunstwerk im Watt, mitten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, in der Erholungszone, direkt an der Grenze zur Zwischenzone und der am strengsten, zumindest auf dem Papier, geschützten Ruhezone. Ende April wurde die Installation "Versagte Heimkehr" von der Künstlerin Monika Kühling mit großem lokalen Pressebrimborium vorgestellt. Ein Nationalpark wird eigentlich zum Schutz von Tieren und Pflanzen eingerichtet, als Unterlage für etwas groß geratene Kunstwerke ist er weniger geeignet.

Kunst im Watt, Foto: Wattenrat

Dieses besondere Kunstwerk der Künstlerin Monika Kühling ist immerhin 750kg schwer, 10m hoch und 12m breit und steht mitten im Flugkorridor von Wat- und Schwimmvögeln, die bei Dunkelheit dieser Barriere nicht ausweichen können. Kollisionen sind die Folge.

Ihre Konstruktion soll an das traurige Schicksal des Seefahrtschülers Tjark Evers erinnern, der zu Weihnachten 1866 seine Eltern auf der Insel Baltrum besuchen wollte, wegen nebligen Wetters irrtümlich aber nicht auf Baltrum, sondern auf einer vorgelagerten Sandbank von einer Bootsbesatzung abgesetzt wurde und so bei auflaufendem Wasser ertrank. In eine Zigarrenkiste, die er mit einem Tuch verschloss, legte er einen letzten Gruß an die Eltern. Seine schwimmende Botschaft wurde Wochen später auf der Insel Wangerooge angespült, Tjark Evers aber blieb verschollen. Ob er denn tatsächlich von Dornumersiel, dem Standort des Kunstwerkes, nach Baltrum aufbrach, ist allerdings höchst umstritten. Ältere Quellen geben Nessmersiel als Ausgangspunkt seiner letzten Reise wieder.

Genehmigt hat dieses Erinnerungskunstwerk die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven, die für so manche Merkwürdigkeiten in diesem Großschutzgebiet die Verantwortung trägt. Eigentlich hätten die anerkannten Naturschutzverbände vor der Genehmigung gehört werden müssen, aber das unterblieb, ist ja auch einfacher und läuft wohl unter "Bürokratieabbau" und "schlanker Verwaltung".

Damit die Kunst denn auch nicht mit den behördlich verordneten Terminen des internationalen Vogelzugs in Konflikt gerät, muss die Metallkonstruktion bis Ende August wieder abgebaut werden. Was die Fachleute der Nationalparkverwaltung vielleicht nicht bedacht haben: Den Vogelzug gibt es schon jetzt, er setzt so richtig bereits im Juli ein, wenn das Brutgeschäft vorüber ist und die ersten Watvögel aus ihren nordischen Brutgebieten im Wattenmeer ein- und dann vielleicht sogar auf das Kunstwerk treffen.

Die Künstlerin indes verwies auf Ringelgänse, die sich nicht von dem Kunstwerk stören ließen; da hat sie recht, die gewöhnen sich daran und sehen die Kunst am Tage gut, wenn auch mit anderen Augen. Ringelgänse sind im Mai zudem bereits auf dem Rückzug in ihre sibirischen Brutgebiete, deshalb werden sie jetzt weniger im Watt gesehen.

Problematisch wird die Kunst im Watt nachts und bei unsichtigem Wetter im Nebel. Dann ist die Kollisionsgefahr für tieffliegende Watvögel wie Brachvögel oder Rotschenkel sehr groß, aber das muss eine Künstlerin auch nicht wissen. Die Anflugofer wird man auch kaum finden, weil die Flut sie wegtragen wird und Möwen den Rest vertilgen. In der Nationalparkverwaltung sollte das allerdings bekannt sein. Immerhin, der Wattenrat konnte einen kleinen Erfolg verbuchen: Ursprünglich sollte die Metallkonstruktion bis Oktober, bis in den Höhepunkt des Vogelzuges, im Schutzgebiet stehen bleiben. Nun muss das Ding bereits im August abgebaut werden. Aber daran wird schon jetzt gearbeitet: Äolus, der Gott des Windes, muss ein Freund der Vögel sein. Die Starkwinde im Mai haben bereits begonnen, das Kunstwerk zu demontieren, ein Metallflügel hängt bereits bedenklich. Es ist abzusehen, dass bis August der Wind den größten Teil der Abbauarbeiten erledigt haben wird.

Wir zitieren aus der Presse:

Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 20.05.2009, S. 6:

Künstlerin weist Kritik des Wattenrats energisch zurück

Kühling: Ringelgänse lassen sich durch Kunst nicht stören

DORNUMERSIEL/HA - Seit dem 29. April steht das rund 15 Meter breite und zehn Meter hohe Kunstwerk "Versagte Heimkehr" der Installationskünstlerin Monika Kühling in Dornumersiel in der Erholungszone des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. Obwohl von der Natinalparkverwaltung in Wilhelmshaven im Vorfeld für die Zeit bis Oktober an dieser Stelle genehmigt, darf es jetzt nur noch bis Ende August stehen bleiben. Die Nationalparkverwaltung hat die Frist nach einer Anfrage von Manfred Knake im Namen des Wattenrats verkürzt.

Wie berichtet, hatte Knake die Installation am Rande des Wattenmeeres kritisiert, weil sie die Vogelwelt und den Vogelzug gefährde. Nach einer entsprechenden Anfrage an die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven hat diese reagiert und den Kultur- und Kunstfreunden Dornum und Umgebung, Vorsitzender ist Bürgermeister Michael Hook, mitgeteilt, dass die Installation einen Monat früher als ursprünglich genehmigt wieder abgebaut werden muss.

"Ich kann das nicht nachvollziehen", sagte die Künstlerin Monika Kühling gestern in Dornumersiel im Gespräch mit dem HARLINGER. Monika Kühling habe bereits viele ähnliche Kunstwerke geschaffen und mit keinem negative Erfahrungen gemacht. "Auch hier in Dornumersiel, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Campingplatz, sind weder Tiere umgekommen, noch haben sie sich gestört gefühlt", sagte die Künstlerin. [...]

 
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