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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 308 (Januar 2009)

Vogelkundler Klaus Rettig in der Kritik

Ems: Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" - NABU will Klaus Rettig loswerden

Klaus Rettig ist ein Vogelkundler aus Emden. Er hat häufig sehr undifferenziert öffentlich behauptet, Menschen auf dem von der Stadt Emden freigegebenen Betonweg im Naturschutzgebiet würden "die Vögel" nicht stören. Das widerspricht allerdings allen Erfahrungen und rief heftige Widersprüche hervor.

Klaus Rettig unterlief damit alle Versuche, das Naturschutzgebiet an der Ems vom starken Besucherverkehr zu beruhigen. Drei Gutachten von unterschiedlichen Gutachterbüros, von der Stadt in Auftrag gegeben, kamen zu ganz anderen Ergebnissen als Herr Rettig, ein weiteres Gutachten ebenfalls. Der NABU klagte erfolgreich bis zum OVG Lüneburg gegen die Stadt Emden wegen der Nichtbeteiligung bei der Änderung der Naturschutzverordnung, der Weg im Schutzgebiet musste daraufhin wieder geschlossen werden. Nun legte der Naturschutzbund Deutschland Herrn Rettig den Austritt nahe, der will aber nicht.

Klaus Rettig auf dem Betonweg im Schutzgebiet, Quelle: Klaus Rettig: Brutvogelatlas der Stadt Emden, Herausgeber Stadt Emden 2007, S.8 ; finanziell unterstützt von Irma-Waalkes-Stiftung, IfE Ingenieurgesellschaft für Energieprojekte mbH & Co.KG, Stadt Emden, Ökowerk Emden

Flüchtende Graugänse auf dem Betonweg im Naturschutzgbebiet, von Spaziergängern auf der Deichkrone außerhalb (!) der Grenzen des Naturschutzgebiets vertrieben. Fotos: Eilert Voß

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, Teil Emden, 17. Januar 2009:

Naturschutzbund will Klaus Rettig loswerden

UMWELT Streit über öffentliche Äußerungen zum Petkumer Deichvorland

Mitglieder der Organisation haben dem Emder Vogelkenner den Austritt nahegelegt. Er denkt aber gar nicht daran.

VON HEINER SCHRÖDER EMDEN
Die Mitglieder des Emder Naturschutzbunds (Nabu) streiten nicht nur mit der Stadt über den Umgang mit dem Petkumer Deichvorland. Sie streiten auch untereinander darüber. Und zwar so heftig, dass einige jetzt dem bekannten Emder Vogelkenner Klaus Rettig den Austritt aus dem Nabu nahegelegt haben. Er denkt aber gar nicht daran: "Ich muss meine eigene Meinung öffentlich äußern dürfen", sagte er gestern der OZ. Streitpunkt ist die Frage, ob die rastenden Vögel im Naturschutzgebiet Petkumer Deichvorland durch Fußgänger und Spaziergänger auf dem Teekabfuhrweg gestört werden oder nicht. Eindeutig ja, meint der Nabu- Kreisverband Emden. Der Kreisvositzende Uwe Schramm verweist nicht nur auf mittlerweile vier Gutachten, die diese Meinung belegten.

Der Nabu-Landesverband hat auch vor dem Oberverwaltungsgericht erreicht, dass der Teekweg für die Öffentlichkeit gesperrt wird. Rettig hat mehrfach Zweifel daran geäußert, dass die Vogelwelt im Petkumer Deichvorland durch Spaziergänger und Radfahrer wesentlich gestört wird. Das wiederum störte Schramm und andere Mitglieder des Kreisverbands. Der stellvertretende Vorsitzende Richard Lüppen legte Rettig jetzt in einem Gespräch nahe, aus dem Naturschutzbund auszutreten. "Wir ärgern uns maßlos über die Äußerungen Rettigs", sagte Schramm gestern der OZ. Natürlich habe jedes Mitglied des Nabu das Recht auf eine andere Meinung. Aber in einer für den Naturschutzbund so zentralen Frage müs se man das nicht öffentlich tun. Der Nabu kenne auch die Möglichkeit des Ausschlussverfahrens, aber davon wolle man vorerst nicht Gebrauch machen, meinte Schramm. Rettig, nach eigenen Worten ältestes Mitglied des Kreisverbands, will bei seiner Linie bleiben. "Egal, was ich bislang zum Thema Teekabfuhrweg geäußert habe, einer Seite passte es nicht. Ich saß schon immer zwischen den Stühlen." Die Gutachten kennt er auch, "aber mit Eilert Voß bin ich einer der besten Kenner des Petkumer Deichvorlands".

Der Widdelswehrster Voß gehört zu den scharfen Kritikern einer Freigabe des Teekabfuhrwegs für die Öffentlichkeit. Wie Rettig beob achtet er regelmäßig die Vögel im Petkumer Deichvorland und zählt sie. Aber Voß und Rettig kommen zu völlig unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Die Versuche, Rettig zum Austritt aus dem Nabu zu bewegen, stellen aber einen neuen Höhepunkt der Meinungsverschiedenheit in dem Umweltverband dar. Mit der aktuellen Situation im Petkumer Deichvorland kann der Nabu leben. Die Stadt Emden will wegen der anstehenden Deicherhöhung fünf Jahre lang den Teekabfuhrweg sperren und ihn nur zwischen dem 15. Juni und dem 30. September öffnen. "Dagegen habe wir nichts, und dazu stehen wir auch", sagte Schramm.

Ostfriesen Zeitung, Seite 23 Teil Emden, 22. Januar 2009, Leserbrief:

Freiwilliger Austritt kommt nicht in Frage

KLAUS RETTIG schreibt zum Bericht der OZ vom 17. Januar 2009 "Naturschutzbund will Klaus Rettig loswerden"

Ich hatte eigentlich nicht vor, mich mit dem lächerlichen und unsinnigen Ansinnen von Richard Luppen, Reiner Schopf, Eilert Voss und Uwe Schramm vom Nabu Emden ernsthaft zu beschäftigen, mich wegen einer anderen Ansicht aus dem Nabu Emden "auszuschließen". Von mir aus werde ich als ältestes Em-der Nabu-Mitglied nicht austreten. Den Gefallen werde ich den Herren nicht tun.

Dass ich mich nicht wegen der persönlichen Angriffe, sondern wegen einer vogelkundlichen Frage dazu äußere, liegt daran, dass ich das neue Werk "Vögel beobachten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer", herausgegeben von der "Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer" in Wilhelmshaven, in die Finger bekam. Unter Mitarbeit von Oberstudienrat Dr. Klaus Gerdes vom Nabu Leer wurde in dem Buch die vogelkundliche Beschreibung des Abschnittes über den Dollart bearbeitet. In Sichtweite des Naturschutzgebietes Petkumer Deichvorland wurde unter anderem die Bohrinsel an der Ostseite des Dollarts beschrieben.

Es heißt: "Die ehemalige Bohrplattform ist über einen mit dem Fahrrad oder Auto befahrbaren Weg durch die Salzwiesen erreichbar. Da sie direkt an das Watt des Dollarts heranreicht, lassen sich die dort typischen Wattvögel hervorragend beobachten. Es fallen die großen Trupps von Weißwangengänsen auf, die vor allem im Frühjahr auf beiden Seiten des Weges in den Salzwiesen nach Nahrung suchen." Meine Frage: Wo besteht der Unterschied für die Vogelwelt zwischen den Verhältnissen im Nationalpark Dollart (Bohrplattform), wo die Vögel offenbar nicht gestört werden, und dem Petkumer Deichvorland, wo die Vögel bei Benutzung des am Rande des Schutzgebietes befindlichen Teekabfuhrweg nach Ansicht des Nabu Emden angeblich großen Störungen unterliegen?

Ostfriesen Zeitung, S. 26, Teil Emden, 24. Januar 2009, Leserbrief:

Meinungsänderung ist persönliche Tragik

Zum Thema Teekabfuhrweg (siehe auch nebenstehenden Bericht) äußert sich EILERT VOß aus Widdelswehr

In der OZ vom 22. Januar behauptet Klaus Rettig in einem Leserbrief sinngemäß, ich und Reiner Schopf würden die Forderung nach seinem eventuellen Austrittsverfahren aus dem Naturschutzbund (Nabu) betreiben. Das ist absurd, denn Reiner Schopf und ich sind jahrelange Mitglieder des Wattenrates und als Nichtmitglieder des Nabu dazu nicht befugt. Natürlich würde der Wattenrat einem Mitglied bei einem so gravierenden Kurswechsel den Austritt nahe legen. Da sind wir uns mit dem Nabu einig.

Dass Klaus Rettig seine Meinung gegen alle Vernunft geändert hat, ist seine ganz persönliche Tragik. Der illegale Neubau von Wegen in Naturschutzgebieten darf auch im Nachhinein nicht legalisiert und bagatellisiert werden, zumal nicht in dem kleinen und schmalen Naturschutzgebiet in Petkum.

Rettig zählt niemals in der Morgendämmerung die Vögel im Deichvorland. Immer sind vor ihm andere Personen da gewesen, die Vögel von den deichnahen Gebieten vertrieben und auf Distanz brachten. Mir sagte er einmal wörtlich: "...so genau wie du zählst, das schaffe ich gar nicht, ich zähle meistens nur, wenn ich meine Hefte verteile...!"

In Rettigs Zahlenkolonnen findet der Leser keine räumliche Artenverteilung. Seine pauschalierenden Zahlen sind für Gutachter nur bedingt zu gebrauchen. Das ist in Fachkreisen bekannt. Man stützt sich für Gutachten zum Naturschutzgebiet Petkum auf verlässliches Datenmaterial der Staatlichen Vogelschutzwarte und deren Mitarbeiter vor Ort. Nach Meinung eines bekannten Gutachters ist sein Leserbrief "peinlich. Bei allen Verdiensten, die sich Klaus Rettig erworben hat, ist das sehr verwunderlich. Er ist ja dabei, sich fachlich zu demontieren..." Zitat Ende.

Ostfriesen Zeitung, Teil Emden, 27. Januar 2009, Leserbrief:

Rechtliche Situation anders als im Vorland

Zum OZ-Bericht über den Streit von Klaus Rettig mit dem Naturschutzbund Emden schreibt KLAUS GERDES, Mitglied im Naturschutzbund Leer

Im Leserbrief geht Klaus Rettig von falschen Annahmen aus. Aus dem Buch von J. Dierschke, R. Lottmann und P. Potel: "Vögel beobachten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer" wird losgelöst aus dem Zusammenhang (Die Vögel seien "hervorragend zu beobachten") eine Aussage genannt, die sich nur auf die Lage des Beobachterstandortes bezieht. Die wichtige Einschränkung auf Seite 29 verschweigt Rettig: "Manche Vögel sind so scheu, dass sie bei Annäherung auffliegen oder sogar das Gebiet verlassen. Bei der Vogelbeobachtung sollte daher immer der Schutzgedanke im Vordergrund stehen: Jede Störung führt zu einem erhöhten Energieverbrauch."

Tatsache ist im Falle der Zufahrt zur Bohrinsel, dass die Weißwangengänse den Heller des Schaflandes nur beäsen können, wenn noch keine Störungen, zum Beispiel früh- morgens, vorgekommen sind. Im Laufe des Tages ziehen sie sich immer weiter zurück. Folglich ist Rettigs Behauptung, Störungen durch Touristen entlang der Zuwegung zur Bohrinsel kämen nicht vor, falsch. Unhaltbar wird damit seine Schlussfolgerung, wenn hier keine Störungen vorkämen, dürften vom Verkehr auf dem Teekweg im Petkumer Deichvorland ebenfalls keine Störungen ausgehen. Die Zuwegung, deren Nutzung zum Gewohnheitsrecht geworden ist, wurde vor mehr als 40 Jahren gebaut. Daher ist der Bereich mit dem Watt um die Bohrinsel aus der Ruhezone des Nationalparks herausgenommen worden. Die rechtliche Situation ist also völlig anders als in Petkum.

Warum Rettig die Störungen beharrlich leugnet, bleibt unverständlich. In seinen Berichten fehlen Angaben über Fluchtdistanzen. Es geht nicht an, Fluchtdistanzen und die räumliche Verteilung der Vögel im Petkumer Vorland nicht zu beachten. Zu unterschiedlichen Tageszeiten ändern sie sich. Jedenfalls haben die Gutachter störbedingte Verteilungen festgestellt. Dem Naturschutz erweist Rettig mit seinen Veröffentlichungen einen Bärendienst.

Ostfriesen Zeitung, Teil Emden, 28. Januar 2009, Leserbrief:

Fakte und Gesetze werden ignoriert

Zum Leserbrief von Klaus Rettig zum Ärger mit dem Naturschutz- bund schreibt REINER SCHOPF aus Jakobsdorf, früherer Vogelwart von Memmert

Herr Rettig und die welche ihn als Experten für ihre Zwecke benutzen verwechseln bewusst Ursache und Wirkung. Es geht nicht darum, dass er eine andere Meinung hat, sondern schlicht darum, dass Fakten und geltende Gesetze ignoriert werden, um die rechtswidrige Nutzung des Gebiets durchzusetzen. Zwar wird sowohl Herrn Rettig als auch Herrn Bolinius wieder nichts Besseres einfallen, als "Rechthaberei" und Beschimpfungen ins Feld zu führen, aber Fakt ist, dass das Naturschutzgebiet durch Störungen Schaden nimmt. Ich bin weder Mitglieder im Nabu, noch habe ich Einfluss auf Nabu-Entscheidungen. Allerdings bin ich der Ansicht, dass es unredlich ist, zwei Herren dienen zu wollen, die so unterschiedliche Ziele verfolgen wie der Nabu und die Betonwegfraktion.

Warum Herr Rettig den Handlager für Naturschutzgegner spielt, ist seine Sache. Aber dass das nicht stillschweigend hingenommen werden kann, ist klar. Der Vergleich zwischen dem legalen Weg zur Bohrplattform und dem illegalen Teekweg zeigt nur, dass nun alles, was irgendwie "passt", dazu herha­ten soll, die Harmlosigkeit der Störungen - die Rettig selbst vor einiger Zeit beklagte - zu "beweisen".

Es ist ein Irrtum, die Auseinandersetzung um das Petkumer Deichvorland als Randerscheinung zu sehen. Denn es geht auch um Moral und Ethik. Abstriche zu machen, führt zu dem, was an Brutalität und Gefühlsarmut beim Umgang mit Natur Alltag ist. Ich bin gespannt, wann auch die Safaris in den afrikanischen Nationalparks als "Beweis" für die Harmlosigkeit von menschlichen Aktivitäten in Schutzgebieten herhalten müssen.

 
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