Wattenrat

Ost-Friesland

- unabhängiger Naturschutz für die Küste -

Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 267 (Januar 2008)

Wattenpresse

In eigener Sache, die Sache mit den Medien

Seit einigen Jahren betreibt der Wattenrat den Informationsdienst "Wattenpresse" mit Informationen und Kommentaren aus der Region zum Spannungsfeld der Nutzungsinteressen im und am ostfriesischen Wattenmeer. Empfänger waren u.a. auch die Redaktionen der Regionalzeitungen in Ostfriesland.

Die "Wattenpresse" hat sich stets bemüht, ein Gegengewicht zur veröffentlichten Meinung im Küstenraum zu Naturschutz-, Küstenschutz- oder Energiefragen zu bilden. Dafür danke ich den zahlreichen Zuarbeitern und deren Recherchetätigkeit.

In den letzten Jahren ist aber deutlich geworden, dass die Berichterstattung, soweit sie den Arbeitsbereich des Wattenrates betrifft, in der hiesigen Tagespresse häufig sehr einseitig die Positionen der Tourismusindustrie, der Hafenwirtschaft, des Küstenschutzes, der Verwaltungen, der Jagd oder der Energiewirtschaft, insbesondere der Windkraft, wiedergegeben hat, zum Teil so falsch, dass es weh tat. Höhepunkt im Enercon-Country Ostfriesland: Alois Wobben, Windkraftanlagenhersteller: "CO2 ist krebserregend". Das blieb unkommentiert so stehen. Leistungszahlen der Windenergie dagegen werden in der Regel im Sinne der IHK, der Hersteller- oder Betreiberpropaganda falsch oder geschönt wiedergegeben, obwohl diese rechnerisch nachprüfbar sind und dann eben nicht mehr so berauschend sind. Die Meyer-Werft im binnenländischen Papenburg, die für ihre riesigen Schiffe auf zu einem zu engen Fluss eine ehemals intakte Flusslandschaft mit Steuergeldern zerstörte, wird ebenfalls mit bunten Berichten und schönen Schiffsbildern hofiert; die zerstörte Ems ist Nebensache.

Zudem wird der fachliche Naturschutz infantilisiert, d.h. auf das Niveau der unverfänglichen Kinderunterhaltung herabgedrückt. Kindliche "Natur-Ranger" oder "Natur-Erlebnisabzeichen" für Kinder sind gern gedruckte, weil harmlose Berichte. Das wäre dann akzeptabel, wenn auch die "harten" Naturschutzthemen ausreichend und vor allem sachlich richtig transportiert würden. Naturschutzverbände dominieren in der Presseöffentlichkeit mit Nistkästen, Fledermausbeobachtungen oder Mitgliederwerbeaktionen mit Drückerkolonnen an der Haustür, aber kaum mehr in der Artikulierung naturschutzfachlicher Ziele oder Einforderung von Schutzstandards. Verglichen mit dem öffentlichen Stellenwert des Naturschutzes vor 20 Jahren ist das Thema heute tot. Horst Stern schrieb bereits 1996: "Selten hat sich eine moderne Gesellschaft schneller und radikaler von einem mehrheitlich akzeptierten Postulat verabschiedet als die Deutschen vom Schutz der Natur. Für die Politik ist er nicht einmal mehr Gegenstand von Sonntagsreden."

Die Liste der eindeutigen Fehl-, Falsch- oder unterdrückten Meldungen ist lang und erschreckend, weil von professionellen Journalisten verursacht. Derzeit ist es die Berichterstattung über die Meldung des Nationalparks Wattenmeer als UNESCO-Weltnaturerbe, die ohne Eigenrecherche der Redaktionen die naturschutzfachlichen Positionen nicht berücksichtigt; will sagen, es werden fast ausschließlich die "offiziellen" Verlautbarungen ohne Nachprüfung auf deren Wahrheitsgehalt verbreitet oder plumpe redaktionelle PR für bestimmte Wirtschaftszweige betrieben.

Der Wechsel zu einer fast völlig undistanzierten Wirtschafts-Berichterstattung hängt sicherlich mit der sehr hohen Abhängigkeit der Regionalzeitungen von den regionalen Anzeigenkunden ab, und das sind in der Region eben auch der Windenergieanlagenhersteller Enercon in Aurich oder die Tourismuswirtschaft. Dazu kommt die rigide neo-liberale Verlegertätigkeit mit der Übertragung von nicht-redaktionellen Arbeiten auf die Redaktionsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, was zweifellos zu Lasten der Recherchetätigkeit und Qualität der Berichterstattung geht. Nicht nur das Ausdünnen der Redaktionen oder die vom Deutschen Journalisten Verband veröffentlichte Praxis, Redakteure unter Umgehung des Tarifes als "Leiharbeiter" einzustellen (siehe: "Tarifumgehung der Verlage"), auch der Versuch der Pressekonzentration auf der Ostfriesischen Halbinsel trägt nicht zu einer vielfältigen und unabhängig recherchierten Berichterstattung bei. Das Bundeskartellamt hat in diesem Zusammenhang die im Nordwesten dominierende Nordwest-Zeitung abgemahnt und die kartellrechtliche Entflechtungen wegen einer unrechtmäßigen Beteiligung an der Ostfriesen Zeitung in Leer eingeleitet. Wegen mangelnder Kooperation mit dem Bundeskartellamt wurde gar eine richtliche Durchsuchung des Oldenburger Verlages angeordnet, siehe Frankfurter Rundschau vom 05. Januar 2007: "Horst Röper, Kartellamt, Beteilige und Herrsche" (pdf-Datei, ca. 20 KB).

Pressefreiheit und die Freiheit der Verleger oder Redaktionen, Artikel zur Veröffentlichung auszuwählen oder selbst zu recherchieren, sind also zwei völlig verschiedene Dinge. Oder anders gesagt: Wir dringen kaum noch durch, Pressemitteilungen oder Kurzinfos werden seit Monaten ignoriert, völlig verkürzt oder nur entstellt wiedergegeben.

Aus diesem Grunde wird die "Wattenpresse", nicht nur aus psychohygienischen Gründen, in Zukunft ausschließlich einem engeren Interessentenkreis des Wattenrates zur Verfügung gestellt und weiterhin das Internet als gut angenommen Plattform genutzt. Wer in den Verteiler der "Wattenpresse" neu aufgenommen werden möchte, kann sich gerne unter Wattenpresse@Wattenrat.de in den Verteiler aufnehmen lassen.

von Manfred Knake

 
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