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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 263 (Dezember 2007)

Land Niedersachsen will Jagd auf weitere Gänsearten ausweiten

Petition gegen Gänseabschuss

So beginnt die am 04. Dezember gestartete Petition "Nein zur Gänsejagd!", die schon in den ersten drei Tagen mehr als 1500 Unterzeichner hatte:

Die niedersächsische Landesregierung plant die Einführung von Jagdzeiten für die bislang geschützten Bless-, Saat-, Ringel- und Nilgänse sowie eine Ausweitung bestehender Jagdzeiten für Grau- und Kanadagans sowie den Höckerschwan.

Wir protestieren gegen diese Pläne, denn es besteht keine Notwendigkeit für die Gänsejagd.

Aus diesem Grund fordern wir die Landesregierungen in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen auf, die bestehenden Möglichkeiten des Jagd-, Tier- und Naturschutzrechtes zu nutzen, und die Jagd auf Zugvögel auch in Deutschland einzustellen.

Ringelgänse

Ringelgänse im Münsterpolder, Dornumersiel/LK Aurich

Wir zitieren aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 18. November 2007:

Land will die Jagd auf Wildgänse erlauben

Bauern klagen über die Wintergäste, die ihre Äcker kahlfressen. Naturschützer sind empört.

Riesige Schwärme wilder Gänse - Naturliebhaber reisen weit, um die Wintergäste an der Küste oder entlang der Elbe zu beobachten. Viele Bauern hingegen bringen die Zugvögel in Rage. Denn die Gänse fressen Äcker kahl und trampeln mit ihren breiten Füßen die Saaten platt. Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen kennt die Sorgen der Landwirte und will Abhilfe schaffen. Der CDU-Politiker bereitet eine Verordnung vor, die die Jagd auf Ringel,- Saat-, Bless- und Nilgänse in Niedersachsen erlaubt. Naturschützer und Ornithologen sind aufgebracht. Sie halten den Vorstoß für ein nutzloses Wahlgeschenk an die Landwirte.

Viele Bauern im Rheiderland in Ostfriesland und an der Elbe haben den Schutz der Gänse in den vergangenen Jahren unterstützt. Sie dulden die Vögel auf ihren Äckern und Wiesen und bekommen dafür eine Entschädigung. "Doch langsam entwickeln sich die Tiere zum Problem", sagt Karl Hedden, Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Hauptvereins Ostfriesland, wo Millionen arktische Gänse im Winter rasten. "Es gibt deutlich mehr Gänse, sie kommen früher und sie gehen später oder bleiben den ganzen Winter hier", berichtet er. "Wenn ein Schwarm einfällt, kann es sein, dass hinterher alles kahlgefressen ist."

Die Entschädigungszahlungen des Landes reichen aus der Sicht der Landwirte nicht mehr aus, um die Schäden auszugleichen. Sie fordern daher eine Erhöhung dieser Zahlungen. Die vom Landwirtschaftsminister in Aussicht gestellte Jagd beurteilt Hedden hingegen skeptisch. "Ob das weiterhilft, ist fraglich", sagt der Bauernvertreter. "Gänse sind schlau, sie werden ausweichen. Wo ist dann der Effekt?"

Im Landwirtschaftsministerium hält man eine Eindämmung der Gänse für sinnvoll. Bislang dürfen nur Graugänse in der Jagdzeit geschossen werden. "Es geht nicht um einen massenhaften Abschuss der Tiere. Wir müssen den Landwirten aber die Möglichkeit geben, die Tiere gezielt zu verscheuchen", sagt Ministeriumssprecher Gert Hahne. Nach Ministeriumsangaben haben die noch vor zwanzig Jahren bedrohten Populationen von Bless-, Ringel- und Saatgänsen sich gut erholt. "Die Zahlen gehen in die Millionen, sie sind stabil bis steigend", sagt Hahne. Bei der Nilgans handele es sich überdies um eine eingewanderte Art, die einheimische Gänse verdränge. Auch die Landesjägerschaft macht sich für die Bejagung stark. Es gehe um eine "Nutzung der Ressourcen", sagt Sprecher Dirk Schulte-Frohlinde. Auch in den Nachbarländern Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sei die Jagd erlaubt.

Naturschützer und Ornithologen bestreiten indes, dass die Wildgansbestände generell wachsen. Vor allem die Ringelganspopulationen sind nach ihren Angaben um ein Drittel zurückgegangen. Die weltweit bedrohte Zwerggans raste in Trupps mit anderen Arten und könne bei einer Freigabe der Jagd leicht verwechselt werden. "Fachlich ist die Jagd auf Wildgänse nicht zu begründen", sagt der Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland, Hans-Jörg Helm. Die Schäden in der Landwirtschaft könnten ausgeglichen werden und seien daher verkraftbar. Eine Bejagung würde die Tiere stark gefährden, warnt Helm. Niedersachsen sollte seine vorbildliche Rolle beim Schutz der Gänse nicht leichtfertig aufgeben.

Margit Kautenburger

Nachgefragt

. . . bei Frank Allmer, Vogelexperte beim Naturschutzbund

Schüsse machen Gänse hungriger

Die Wildgänse haben sich offenbar stark vermehrt. Warum sollten sie nicht gejagt werden?

Ich zähle seit 50 Jahren Gänse an der Elbe in der Region Lüneburg. Die Bestände haben sich seit den achtziger Jahren nicht erhöht, aber es rasten mehr Tiere bei uns. Sie haben ihre Zugwege verlagert, weil sie in Osteuropa stark bejagt werden. Wildgänse sind weltweit bedroht, Mitteleuropa ist das wichtigste Überwinterungsgebiet für sie. Wir haben die Verantwortung, sie zu schützen. Schließlich sind sie auch eine Touristenattraktion. Wir regen uns auf, wenn in Italien Singvögel abgeschossen werden. Nun soll bei uns dasselbe mit den Gänsen geschehen.

Aber die Landwirte klagen über verheerende Fraßschäden, vor allem weil immer mehr Gänse hier überwintern.

Es wäre ehrlicher, den Landwirten eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Stattdessen wird den Bauern weisgemacht, mit der Jagd könne das Problem gelöst werden. Da soll vor der Landtagswahl wohl gute Stimmung gemacht werden. Außerdem ist der Abschuss gar nicht effizient.

Was passiert, wenn man auf Gänse schießt?

Die Schüsse schrecken die Gänse auf, dann brauchen sie viel zusätzliche Energie, um zu flüchten. Danach ist der Hunger der Tiere noch größer und sie fressen die Nachbarfelder leer. Am besten wäre es, die Tiere in Frieden zu lassen, dann richten sie am wenigsten Schäden an. Knallkanonen nützen hingegen wenig. Gänse sind schlau und haben sich daran bald gewöhnt.

Interview: Margit Kautenburger

 
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