Wattenrat

Ost-Friesland

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Ölvögel: Wem hilft die Vogelwäsche?

Nach "Duncan Island"-Havarie laufen die "Rettungs"maßnahmen an - Landesjägerschaft Niedersachsen betreibt Pflegestation

Durch die Havarie des Bananenfrachters "Duncan Island" gelangten Anfang November 90 Tonnen Schweröl in die Nordsee. 850 verölte Seevögel wurden an der niedersächsischen Küste gezählt, von denen 60 in der Seevogel-Pflegestation in Norddeich/LK Aurich behandelt werden. Nach jeder Öleinleitung beginnt die Diskussion um den Sinn der Reinigung der Tiere neu. Und nach jeder Ölverschmutzung oder Ölpest und den ergreifenden Bildern von verölten Seevögeln, die sich vermeintlich an Land retten, laufen die Waschaktionen an, in sogenannten "Rehabilitationszentren". Nur allzuleicht wird dann in Presseveröffentlichungen der Eindruck erweckt, die Opfer könnten nach dem Waschen "gerettet" werden.

Anlieferung verölter Trauerenten und eines Tordalks in die Seevogelstation Norddeich Quelle: Havariekommando

Zweifellos sind in wenigen Stationen die Waschmethoden in den letzten beiden Jahrzehnten verfeinert worden, z.T. mit der finanziellen Hilfe von Mineralölkonzernen wie Shell oder Elf Aquitaine. Total verölte Vögel können nicht mehr gereinigt werden, sie werden getötet. Leicht verölte Vögel werden dann der Reinigungsprozedur unterworfen, die erheblichen Stress für die Tiere bedeutet, um nicht das Wort Tierquälerei benutzen zu müssen.

Gereinigt werden kann aber nur das Gefieder, wobei oft der Gefiederschluss zerstört wird, d.h. die komplizierte Geschlossenheit des Deckgefieders mit Strahlen und Häkchen wird mechanisch getrennt und völlig durcheinandergebracht. Es kann Wochen dauern, bis der Gefiederschluss mit der natürlichen Einfettung durch den Vogel wieder hergestellt ist. So lange muss das Tier fachgerecht ernährt werden. Bei der Auswilderung muss das Gefieder völlig geschlossen und auf natürlichem Wege eingefettet sein.

Auch äußerlich kaum verölte Vögel sterben dennoch an dem mit dem Schnabel aufgenommen Öl, das in den Magen-Darm-Trakt gelangt und schließlich zu Organschäden und Vergiftungen führt. Nach vorliegendem Datenmaterial werden nur 48 Prozent der eingelieferten Vögel wieder in die Freiheit entlassen, davon überleben schließlich nur ca. 1 Prozent.

Mit "Rehabilitation" hat das nichts zu tun. So sehr die Bemühungen der Tierfreunde zu respektieren sind, diesen bedauernswerten Kreaturen zu helfen, so deutlich muss aber auch gesagt werden, dass diese Aktionen mehr der Bewältigung der persönlichen Emotionen der Tierfreunde oder dem Image der Betreiber einer Seevogelstation als den verölten Tieren helfen. Diese Diskussion ist in Deutschland nicht neu, wird aber bei jedem Ölunfall neu entfacht.

Bemerkenswert allerdings ist die Verquickung der ostfriesischen Seevogel-Pflegestation mit der niedersächsischen Jägerschaft. Die Seevogelstation ist der Seehundsaufzuchtsation in der Trägerschaft der Landesjägerschaft angegeliedert.

Die Jägerschaft in Niedersachsen schießt jährlich tausende Vögel, von Gänsen über Enten bis zu Rebhühnern und Fasanen, sogar in ausgewiesenen Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebieten. Dabei werden Rastvögel empfindlich gestört, getötet oder angeschossen. Die Seevogelstation allerdings bietet der Jägerschaft die Möglichkeit der imagefördernden öffentliche Selbstsdarstellung als rettende "Vogelpfleger" und Vogelschützer und lenkt von der Schießerei auf heimische- und Zugvögel ab.

Wir zitieren aus der Fachzeitschrift Natur und Landschaft, 75. Jg. (2000) Heft 9/10: 364 - 369:

ÜBERLEBENSCHANCEN VERÖLTER SEEVÖGEL - SIND RETTUNGSMAßNAHMEN ERFOLGREICH?

Eine Literaturrecherche

THE SURVIVAL OF OILED SEABIRDS - AN EVALUATION OF REHABILITATION EFFORTS A look at the facts David M. Fleet & Bettina Reineking

Zusammenfassung

Weltweit werden Versuche unternommen, verölte Vögel zu retten, in einigen Fällen mit begleitenden wissenschaftlichen Untersuchungen und einer steigenden professionellen Herangehensweise. Kann jedoch eine Reinigung und Behandlung den verölten Vögeln wirklich helfen? Leisten Reinigung und Behandlung von Ölopfern einen Beitrag zum Artenschutz? Können die Methoden der Rehabilitation verbessert werden? Dieser Beitrag faßt die neueren Veröffentlichungen zum Überleben verölter Vögeln vor, während und nach der Reinigung, Behandlung und Freilassung zusammen und liefert damit eine Grundlage für die Diskussion zu diesen Thema.

Im Allgemeinen werden nur etwa 48% der ehemals verölten Vögel, die in die Obhut von Menschen gelangen, wieder freigelassen. Die Freilassungsrate hat sich in den letzten 20 Jahren nur wenig geändert. Obwohl die Behandlungsmethoden in den 90er Jahren verbessert wurden, haben sie nur zu einem begrenzten Anstieg der Freilassungsrate geführt. Am wichtigsten ist die Beantwortung der Frage, ob die freigelassen Vögel nach ihrer Freilassung überleben oder nicht. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß - mit Ausnahme von Pinguinen - verölte Vögel, die gereinigt und freigelassen wurden, in den meisten Fällen nur einige Tage oder Monate in ihrer natürlichen Umgebung überlebt haben. Nur etwa 1% der nach der Behandlung freigelassenen Vögel überlebte länger als 12 Monate. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, daß verölte Vögel nach der Behandlung an einer Vielzahl von physiologischen Störungen von Leber, Niere und Verdauungstrakt leiden. Die erfolgreiche Reinigung und Freilassung verölter Vögel kann im Regelfall nicht mit ihrer Rehabilitation gleichgesetzt werden. Rehabilitation ist als die erfolgreiche Wiedereingliederung eines Vogels in eine wildlebende Brutpopulation zu verstehen. Die Behandlung von verölten Vögeln in Nordwest Europa kann in der Regel nicht als Beitrag zum Artenschutz verstanden werden. Wenn - wie zur Zeit - die Vögel keine reelle Chance auf ein normales Leben in ihrer natürlichen Umgebung haben, müssen wir uns der Tatsache stellen, daß die Behandlung nur zusätzliche Qualen für die Tiere bedeuten und die Leiden der Tiere verlängert.

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, (und andere), 15. Nov. 2007:

Nach Unglück 850 verölte Vögel

Rund 20 Helfer kümmern sich in den Reha-Stationen um die Tiere "Wir haben viel gelernt aus dieser Situation" sagte Hans-Werner Monsees.

NORDEN/KAT/DPA - Nach der Havarie des Bananenfrachters "Duncan Island" am 6. November sind an den Stränden der ostfriesischen Nordseeküste bisher 850 verölte Vögel aufgefunden worden. Dies teilte der Leiter des Havariekommandos, Hans-Werner Monsees, während eines Pressegespräches in Norden mit. Öl sei bislang jedoch nicht mehr angeschwemmt worden.[...]

"Wir haben eine Schätzungsliste erstellt, die die Zahl der verölten Tiere dokumentiert", sagte Mosees. "Von den 850 verölten Vögeln sind 150 tot. Etwa 60 von ihnen wurden durch einen Tierarzt von ihrem Leiden erlöst", erklärte er.

Etwa 65 verölte Küsten- und Seevögel, die als überlebensfähig eingestuft wurden, hat man auf die Seehundstation in Norddeich und die Rehabilitationsstation des "Waloseums" in Norden aufgeteilt. In Nor- den befinden sich zur Zeit etwa 40 Tiere. Darunter sind Tordalken, Trottellümmen, Krabbentaucher und Trauerenten. Auf der Rehabilitationsstation werden sie mit einem hoch-fettlöslichen Reiniger gewaschen und in einen Innenpool gesetzt. Dies dient der Selbsteinfettung des Fells, das seine Schutzschicht durch das öl verloren hat. Anschließend werden die Vögel, unter ande­rem Eidererpel und Trottel-Lummen, zur Vorbereitung auf die Rückkehr in die freie Wildbahn in Außenpools gesetzt.

Die Geschwister Tanja und Sascha Regmann sind europaweit als "Vogelwascher" im Einsatz und unterstützen zur Zeit das Pflegeteam in Norden. "Wir sind froh, solche Fachleute vor Ort zu haben", betonte Hans-Werner Monsees. So konnten die Geschwister viele hilfreiche Erfahrungen an das Pflegeteam weitergeben. Bereits ein Tropfen Öl im Wasser nimmt dem Gefieder seine wasserabweisende Dichtigkeit. Das Wasser kann so ins Federkleid eindringen und den Vogel unterkühlen - ein Todesurteil.

Peter Lienau ist Geschäfts­führer der Seehundaufzuchtstation und des Waloseums. Er und seine Mitarbeiter in der Rehabilitationsstation stehen in engem Kontakt zum Havariekommando. "Wir können etwa 150 Vögel pro Woche aufnehmen, die wir in sieben bis zehn Tagen wieder 'wildbahn-fähig' machen", sagte er. Dies hinge allerdings immer auch von der Vogelart undgröße ab. [...]

"Wir haben viel gelernt aus dieser Situation", sagte Monsees. Und auch, wenn das Unglück den Tod vieler Vögel mit sich zog: "Wir sprechen hier auf keinen Fall von einer Ölpest oder Ölkatastrophe, sondern von einem komplexen Schadstoffunfall". [...]

Foto: Bei Tanja Regmann sind die Vögel in guten Händen: Mit Hilfe eines stark fettlöslichen Reinigungsmittels befreit sie das Federkleid von den Ölablagerungen.

 
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