Wattenrat

Ost-Friesland

- unabhängiger Naturschutz für die Küste -

Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 206 (Februar 2007)

EU-Vogelschutzgebiet Norden-Esens: Zuschnitt nach Wirtschaftsinteressen

Gebietsabgrenzung orientiert sich trotz abgrenzungsrelevanter Brutvorkommen an wirtschaftlichen Nutzungsinteressen

Das Land Niedersachsen hat die Frist zur Stellungnahme zum Zuschnitt des küstennahen EU-Vogelschutzgebietes Norden-Esens bis zum 01. März 2007 verlängert. Für verschiedene Naturschutzorganisationen erarbeitete der Arbeitskreis Umweltschutz in Norden die Stellungnahme, die Sie hier finden: Stellungnahme (pdf-Datei, ca. 45 KB) und Anlage (pdf-Datei, ca. 770 KB). Es wird deutlich, dass sich die Gebietsabgrenzung nicht nur am gebotenen Vogelschutz orientiert, sondern mit Hilfe eines Auftragsgutachtens durch ein Planungsbüro auch flächenbezogen so zurechtgeschnitten wurde, dass noch Platz ist für großindustrielle Vorhaben wie eine Gas-Separierungsanlage mit gasbetriebenem Wärmekraftwerk, CO2-Kaltfackel und beleuchteten Kühltürmen des Energiemultis Statoil aus Norwegen oder noch mehr Windkraftanlagen in einem ohnehin schon durch Windturbinen fürcherlich entstelltem Landstrich.

Auch die Lokalpresse hat diesen "Vogelschutz-Verschnitt" aufgegriffen. Bemerkenswert: Der NABU-Ortsverein Dornum sieht die Abgrenzung des Gebietes sehr kritisch, der NABU-Ortsvereinsvorsitzende im benachbarten Esens, gleichzeitig SPD-Bauausschussvorsitzender der Stadt, kann "damit leben". In Esens-Bensersiel soll für den Tourismus eine Umgehungsstraße durch das noch bestehende faktische Vogelschutzgebiet geschlagen werden, am Nationalpark Wattenmeer östlich von Bensersiel soll ein Golfplatz entstehen. Vom Landesverband des NABU, vormals Deutscher Bund für Vogelschutz, hörte man bisher nichts in der Sache.

Wir zitieren aus dem "Anzeiger für Harlingerland" in Wittmund
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 28.02.2007 S. 6:

Nabu Dornum kritisiert neuen Zuschnitt

Neue Abgrenzung des Vogelschutzgebietes "eine Mogelpackung"

DORNUM/AH - Die aktualisierte Fassung zur Abgrenzung des Vogelschutzgebietes "Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens" stößt bei der Nabu Ortsgruppe Dornum auf heftigen Widerstand. Auf dem letzten Nabu-Treffen befassten sich die Teilnehmer mit den Auswirkungen der Gebietsänderungen, wie sie das niedersächsische Umweltministerium nach Brüssel melden will, um die EU-Vogelschutzrichtlinie umzusetzen. Der Nabu kritisierte, dass es bei den Änderungsvorschlägen eindeutig nicht um Vogelschutz gehe, sondern ausschließlich um "handfeste wirtschaftliche Interessen".

Das bislang geltende "faktische Vogelschutzgebiet" zwischen Norden und Esens, so wie es von der Niedersächsischen Ornithologischen Vereinigung vorgeschlagen worden ist, sei derart verändert worden, dass umfangreiche wertvolle Flächen nun für Windparks und Industrieflächen zusätzlich genutzt werden können. Zwischen Dornum und Nesse solle beispielsweise aus dem ursprünglich geschützten Gebiet ein größeres Areal herausgenommen werden, damit die Firma Statoil ihre Gas-Separationsanlage errichten kann.

Besonders empört war der Nabu, dass diese Gebietsänderungen auf Grund eines Gutachtens erfolgt seien, das die betroffene Firma Statoil in eigener Sache selbst in Auftrag gegeben habe. Diese "erstaunliche Vorgehensweise" in der Gemeinde Dornum habe die gleiche Wirkung, als wenn ein privater Bauherr sich sein eigenes Bauvorhaben genehmigen würde.

Diese Entwicklung habe zur Folge, dass die letzten Reste der noch vorhandenen Kulturlandschaft verschwinden und dass eine geschlossene Industrielandschaft im Raum Dornum entstehe. Der neue geplante Zuschnitt des Vogelschutzgebietes würde außerdem die Errichtung von noch mehr Windturbinen ermöglichen und zur weiteren Ver-spargelung der Landschaft beitragen. Durch diese umweltfeindlichen Maßnahmen wird der Tourismus im Dornumer Raum zusätzlich beeinträchtigt.

Anzeiger für Harlingerland 23.02.2007 S. 6

Abstecken der Claims wider Naturschutz

Statoil-Projekt mit lukrativem Auftragsgutachten positiv begutachtet

DORNUM/ESENS/AH - Mit einer Anmerkung zum Nachmeldevorschlag des niedersäschsischen Umweltministeriums V63 "Ostfriesische Nordseemarsch zwischen Norden und Esens" und der öffentlichen Sitzung des Bau- und Umweltausschusses" der Stadt Esens reagiert der Wattenrat für Ost-Friesland nochmals auf dieses Thema. "Wie man sieht, geht es bei der EU-Vogelschutzrichtlinie weniger um den Vogelschutz, als um das Abstecken der Claims für die eigenen Nutzungsinteressen", erklärt Manfred Knake, Pressedienst des Wattenrates.

Auffällig bei der vorgelegten Abgrenzungs-Änderung des Vogelschutzgebietes im Raum Norden-Esens sei die großzügig herausgesägte Fläche für die geplante Statoil-Gasseparierungsanlage westlich von Dornum mit 100 Meter hoher C02 Kaltfackel, mehreren 40 Meter hohen Kühltürmen, die Tag und Nacht beleuchtet und daher weithin sichtbar sind. Trotz Vorkommens, unter anderem von Korn- und Wiesenweihen, sei "das Projekt mit lukrativem Auftragsgutachten durch das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium sowie Statoil positiv begutachtet".

Knake weiter: "Ferner die Flächen für die Qrtsumgehung Bensersiel trotz abgrenzungsrelevanter Brutvorkommen von Schilfrohrsän- gern, die aber kaum jemand kennt und auch niemand vermisst, wenn sie denn weggeplant werden, sowie Golfplatzplanungen binnendeichs östlich Bensersiel direkt am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer". Der Wattenrat kritisiert, dass die Politiker nach eigenem Bekunden "mit dem Ergebnis leben können". Die dort vorkommenden, zum Teil hochgradig bestandsbdedrohten Vogelarten können dies weniger.

Zum Bauausschuss der Stadt Esens erklärt Knake: Der Vorsitzende des Bau- und Umweltauschusses der Stadt Esens, Axel Heinze, ist SPD-Mitglied und gleichzeitig Vorsitzender des NABU-Ortsverbandes, sei bisher aber nicht als Verfechter der Vogelschutzrichtlinie in Erscheinung getreten, so Knake. "Die Grünen haben sich ja inzwischen überwiegend andere Themenfelder als die des Naturschutzes erschlossen." Angeblich werde doch das Klima mit dem C02-Ausstoß durch die geplante Statoil-Gasseparierungsanlage beeinträchtigt, einer Menge, die der Emission einer mittleren Stadt entspreche, und das in der direkten Nähe und in der Hauptwindrichtung des Küstenbadeortes Dornumersiel. Knake fragt, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Klima-Diskussion: "Wo verstecken sich die Klimaschützer?"

 
Zum Seitenanfang