Wattenrat

Ost-Friesland

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Dokumentation über das Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" bei Emden

Wenn geltendes Recht und Drähte gebogen werden - Chronologie und Auswirkungen in Petkum

Wenn sie die Dokumentation ansehen möchten, klicken Sie hier (pdf-Datei, ca. 2,23 MB).

Die oben verlinkte Fotodokumentation ist eigentlich ein Aufschrei: So sieht der real existierende Naturschutz in einem der reichsten Länder der Welt aus: Trotz eines Naturschutzgesetzes, trotz der europäischen Vogelschutzrichtlinie, trotz jahrelanger öffentlicher Aufklärung genießen die Vögel im Naturschutzgebiet "Petkumer Deichvorland" bei Emden, Teilgebiet eines "besonderen Schutzgebietes" nach der Vogelschutzrichtlinie, keinen Schutz! Bis vor drei Jahren konnte man ebenfalls am Naturschutzgebiet spazieren gehen, außerhalb auf dem angrenzenden Deich. Auch von hier gingen zweifellos Störungen aus, wenn die Vögel bei Hochwasser auf die deichnahen Flächen ausweichen mussten. Aber der Besucherverkehr war wesentlich geringer, weil es auf dem Deich eben auch schmutzige Füße gibt und das Fahrradfahren nicht sehr bequem ist.

Das ist nun alles anders. In abgestimmter Aktion der Stadt Emden, der Deichacht Moormerland und einigen Lokalpolitikern, an der Spitze der "liberale" FDP-Ratsvorsitzende Erich Bolinius, darf nun der Betonweg im Naturschutzgebiet begangen werden. Der Weg entlang des gesamten Schutzgebietes wurde ohne Beteiligung der damaligen Oberen Naturschutzbehörde bei der inzwischen aufgelösten Bezirksregierung Weser-Ems und der anerkannten Naturschutzverbände gebaut, vorgeblich aus Küstenschutzgründen. Von diesem Weg soll das Treibsel aus der Ems, der Teek, abgefahren werden, der hier aber nur in geringem Umfang anfällt. Die Naturschutzverordnung von 1994 sieht durchaus das Betreten der vorhandenen Wege vor. Es gab damals aber nur ein sehr kurzes, blind endendes Wegestück an einer Stelle. Der nun zunächst befristet freigegebene Weg vom 15. Juli bis 30. September wurde aber erst 2002 nachträglich in das Gebiet hineingebaut.

Eine vorgeschriebene Verträglichkeitsstudie des Planungsbüros Schmal und Ratzbor in Lehrte kam 2003 zu dem Ergebnis, dass Brut- und Rastvögel Vögel "erheblich" durch die Nutzung des Weges gestört würden, da aber das gesamte größe EU-Vogelschutzgebiet von Emden nach Leer dadurch nicht beeinträchtigt werde, stimmten sie der begrenzten Öffnung zu, naturschutzfachlich eine unhaltbare Aussage. Ein zweites Gutachten des Emder Büros Kalberlah kam zu ähnlichen Ergebnissen. Die probeweise Öffnung des Weges lief am 30. Sept. 2006 ab, aber die Anwohner wollten mehr: Ganzjährig, ohne Rücksicht auf die geschützten Vogelarten, wollten sie "ihren" Weg nutzen können. Sie veranstalteten als Druckmittel einen Fackelzug im Naturschutzgebiet, und der Emder Oberbürgermeister Brinkmann knickte ein. Er ließ die Absperrtore weiter geöffnet.

Nach massivem öffentlichen Druck und weiter bestehenden rechtlichen Unklarheiten ließ der OB den Weg am 18. Dezember 2006 wieder absperren. Nun will er einen "Runden Tisch" mit dem Ziel, einen "Kompromiss" zu finden.

Wer nun meint, die Vorgänge im NSG "Petkumer Deichvorland" seien eine lokal begrenzte Angelegenheit, der irrt. Hier wird vorgemacht, wie es dem Schutz bedrohter Tierarten ergeht, wenn Naturschutz ohne Aufsichtsbehörden unter die Räder der eng verflochtenen kommunalen Interessen gerät, unterstützt von einem Umweltminister, dessen erklärtes Ziel es ist, Naturschutzgebiete für die Öffentlichkeit zu öffnen. Naturschutz a la´ Petkum unter Missachtung des Naturschutzgesetzes und der Natura-2000-Richtlinien der EU kann bald überall im Lande sein!

Eilert Voß hat in überzeugender Kleinarbeit dargestellt, wie Gewalt gegen Sachen und gegen Tiere in ihrem Schutzgebiet aussehen kann, ausgeübt von vorgeblich "mündigen Bürgern", nicht verhindert durch gewählte "Volksvertreter" und die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Emden, die ihren Namen nicht verdient.

Manfred Knake
im Wattenrat Ost-Friesland

 
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