Wattenrat

Ost-Friesland

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EU-Vogelschutzgebiete, Ausweisung an der Küste

Offener Brief an Hermann Dinkla, (CDU MdL)

Herrn
Hermann Dinkla, (CDU,MdL) - 06. Sept. 2006
Niedersächsischer Landtag
Hannover
Offener Brief

Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten an der niedersächsischen Küste Ihre presseöffentlichen Darstellung vom heutigen Tage

Sehr geehrter Herr Dinkla,
mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen zur Ausweisung von EU-Vogelschutzgebieten im Hinblick auf Ihre Wähler-Klientel gelesen.

Ich stelle fest, dass Sie einen wesentlichen Punkt nicht erwähnt haben: Das Land Niedersachsen hat der EU-Kommission bisher bewusst völlig unzureichende avifaunistische Daten zur Bewertung der Schutzwürdigkeit der in Rede stehenden küstennahen Flächen übermittelt, so dass die Kommission zunächst den Eindruck haben musste, der Küstenstreifen erfülle nicht die Kriterien als EU-Vogelschutzgebiet und müsse nicht als solches gemeldet werden. Erst die Vorlage eines Fachgutachtens durch den Wattenrat Ost-Friesland bei der Kommission machte deutlich, dass Niedersachsen nicht ausreichende Vogel-Daten nach Brüssel übermittelte; man könnte dies durchaus Manipulation oder gar Betrug nennen. Darüber wurde bereits in einigen Lokalzeitungen sehr ausführlich berichtet.

Das Mahnschreiben der Kommission ("Mit Gründen versehene Stellungnahme") an die Bundesregierung vom 10. April 2006 machte deutlich, dass die Kommission auf einer ausreichenden Datenübermittlung und u.a. der Ausweisung des Küstenstreifens Norden-Esens als Vogelschutzgebiet besteht.

Allen Beteiligten ist die Schutzwürdigkeit des Gebietes als "faktisches Vogelschutzgebiet" seit Jahren bekannt. Der Wattenrat, den Sie offensichtlich als "Mini-Naturschutzgruppe" abzuqualifizieren versuchen, hat seit Jahren öffentlich und auch vor Kommunalvertretern auf diese Tatsache hingewiesen. Dennoch hat z.B. die Samtgemeinde Esens beharrlich Planungen einer Umgehungsstraße, eines Luxuscampingplatzes und von zwei Golfplätzen rechtswidrig in dem "faktischen Vogelschutzgebiet" Norden-Esens vorangetrieben, Forderung nach der Rechtsaufsicht an den Wittmunder Landrat Schultz blieben bis heute unbeantwortet. Es kommt bei dem Hinweis auf die hiesigen offenkundigen Miss-Stände auch weniger auf die Gruppengröße, als auf die zu transportierenden Inhalte an, auch eine Einzelperson kann bei der EU Bedenken vortragen. Sie gehen daher völlig fehl in Ihrer Bewertung, es handele sich bei der Gebietsmeldung um die "völlig überzogenen Forderung" einer "Mini-Naturschutzgruppe". Es handelt sich auschließlich um die fachlichen Anforderungen aus der EU-Vogelschutzrichtlinie, da haben Sie wohlmöglich etwas verwechselt.

Es drängt sich also der Eindruck auf, man hat in diesem Küstenbereich bewusst alles daran gesetzt, EU-Recht zu ignorieren um stattdessen mit Nachdruck Fakten zu schaffen. Wenn das staatliche Stellen unterstützen ist das ein Hinweis auf den Verfall der Rechststaatlichkeit in diesem Lande, zu Gunsten einer ausschließlichen Klientel-Politik. Das sollte allen Bürgern und Bürgerinnen zu denken geben.

Die Natura-2000-Richtlinien, also FFH- und Vogelschutzrichtlinie, sehen keinen weiteren "Zeitplan" vor, die Meldefrist ist seit langem abgelaufen, Ihre Forderung kommt also um Monate zu spät. Die Ausweisung von ausreichenden Vogelschutzgebieten wird sicherlich irgendwann von der EU "erzwungen" werden, weil die verbindliche Vogelschutzrichtlinie Teil eines abgestimmten Regelwerkes mit den Mitgliedsstaaten, in diesem Falle auch mit der Bunderepublik Deutschland als Vertragspartner der EU und eben nicht dem Bundesland Niedersachsen ist, und weil gerade Niedersachsen mit seinem notorischen Umweltminister Sander als eines der Schlusslichter der Gebietsmeldungen bisher alles versucht hat, die qualifizierten Meldungen zu umgehen oder gar zu torpedieren.

Eine weitere "Eröterung" oder ein "Konsens" sind laut Artikel 3 und 4 der Vogelschutzrichtlinie ebenfalls nicht vorgesehen: Die Mitgliedsstaaten haben für die ausreichenden Flächen, die Neuschaffung von Lebensstätten und die Erhaltung der zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zu sorgen. Die ergeben sich ausschließlich aus den Lebensansprüchen der betroffenen Vogelarten, nicht aber aus kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen oder wechselnden Mehrheitsentscheidungen. Und die Vogelschutzrichtlinie gilt seit 1979, also seit 27 Jahren. Man hat es also nicht besonders eilig mit der Umsetzung von europäischem Naturschutzrecht im Lande gehabt und zögert immer noch. Als "Präsidenten des Niedersächsischen Rates der Europäischen Bewegung" sollte Ihnen das zu denken geben.

Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

Anzeiger für Harlingerland 06.09.2006 Seite 4:

"Betroffene beteiligen"

In Sachen Vogelschutzgebiet an der Küste

Laut Hermann Dinkla soll ein Zeitplan für die weitere Ausweisung von Vogelschutzgebieten eine Erörterung vor Ort ermöglichen.

BENSERSIEL/NORDN/AH

Nach Auffassung von Hermann Dinkla (MdL) muss es für die weitere Behandlung der Gebietsvorschläge für Vogelschutzgebiete im Raum Esens-Norden unbedingt die Möglichkeit geben, auch in Veranstaltungen in dem betroffenen Raum eine angemessene Beteiligung der Betroffenen sicherzustellen. Für ihn, so der CDU-Abgeordnete, sei es unverzichtbar, dass bei den für viele Betriebe existentiell wichtigen Fragen der künftigen Bewirtschaftungsmöglichkeiten eine umfassende und politisch eindeutige Information erfolge.

Die erweiterte Ausweisung von Vogelschutzgebieten werde nicht von der Landesregierung politisch betrieben oder gewünscht, sondern von der EU erzwungen. Eine Verweigerung werde auch im Ergebnis zu Zwangszahlungen des Landes in einer enormen Größenordnung führen. Dinkla: "Das Land ist gezwungen, Gebietsvorschläge zu machen, wenn die Untersuchungen und Zählungen dafür eine belastbare Notwendigkeit ergeben. Es kann aber nicht sein, dass Mini-Naturschutzgruppierungen mit überzogenen Forderungen die Diskussion belasten und den Konsens erschweren." Der Zeitplan für die weitere Behandlung stehe fest.

Dinkla: "Das Gerücht, dass im Raum Esens-Norden vorab großflächige Gebietsmeldungen an die EU gehen, ist Unsinn. Es bleibt für den weiteren Ablauf beim vom Ressortminister Sander und der Landesregierung angekündigten Terminplan. Nach dem Ab-schluss der Datenerhebungen und der Ausarbeitung der Gebietsvorschläge für Niedersachsen erfolgt am 18. Oktober durch das Umweltministerium eine zentrale Auftaktveranstaltung, auf der alle betroffenen Verbände über die dann ausgearbeiteten Gebietsvorschläge informiert werden."

Diese Informationen sollen auch allen Interessenten als CD-Rom zur Verfügung gestellt werden. Die Beteiligungsverfahren, in denen Belange geltend gemacht werden können, sollen bis 15. Dezember laufen. Dinkla: "In dieser Zeit sollten dann auch hier vor Ort die erforderlichen Gespräche terminiert werden." Nach dem Beteiligungsverfahren erfolge dann auf Landesebene die weitere Ressortabstimmung, die in die Kabinettsvorlage einfließt. Das niedersächsische Kabinett muss dann Ende Januar die entsprechenden Beschlüsse fassen, damit sowohl für den Bund als auch für die EU die Fristen gewahrt bleiben. Wichtig sei, so Dinkla, dass in den Gesprächen und bei den Beteiligungsverfahren die Betroffenheit der Landwirtschaft im Hinblick auf die Zukunftschancen der Betriebe, aber auch die unverzichtbare Möglichkeit der Weiterentwicklung des Tourismus und bestimmter Wirtschaftsbranchen verdeutlicht werde.

 
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