Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 184 (September 2006)
EU-Vogelschutzgebiete in Ostfriesland
"Die Landwirtschaft wird sterben"
Da laufen ja wohl einige Landwirtschaftsfunktionäre in Ostfriesland zur propagandistischen Hochform auf, wenn es um die Umsetzung der seit 1979 geltenden EU-Vogelschutzrichtlinie zwischen Norden und Esens (Landkreise Aurich und Wittmund) am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer geht.
Die Meldung des Gebietes hatte die niedersächsische Landesregierung jahrelang mit nach unten heruntergerechneten Vogeldaten verhindert , das flog in der EU-Kommission auf und wurde schriftlich, zusammen mit anderen Gebieten in Deutschland, in einem Mahnschreiben an Deutschland am 10. April 2006 moniert ( "Blauer Brief" aus Brüssel). Auch auf dem langen Weg nach Brüssel haben Lügen eben kurze Beine.
Die Landwirte erklärten sich sogar selbst als die "Vogel- und Naturschützer" im Lande, obwohl gerade die Wiesenvögel nachweislich durch die industrialisierte Landwirschaft weitgehend aus der Landschaft verschwunden sind, nur hat es kaum jemand bemerkt. Dabei wird es in diesem Bereich durch die Ausweisung eines EU-Vogelschutzgebiets kaum Folgen für die Landwirtschaft geben, sieht man vom Bau von noch mehr Windkraftanlagen und die Verwandelung des Küstenstreifens in eine Mais-Steppe für Bio-Kraftwerke ab.
Nun wollen die Landwirte Druck machen, bei den Klientel-Politikern, die eigentlich verpflichtet wären, die Umsetzung von EU-Richtlinien zu unterstützen. Wie wäre es denn zunächst mit einer rechtlichen Prüfung der Vogelschutzgebietsausweisung durch die Interessenverbände der Landwirtschaft vor einem Verwaltungsgericht? Rechtsprechung statt politischer Mauscheleien, das wäre ein Weg. Die Landwirtschaft ist der Hauptnutznießer von EU-Subventionen. Wenn es aber um die selbstverständliche Bringsschuld, nämlich die Beachtung der Natura-2000-Richtlinien oder die Umsetzung des Artikels 14 des Grundgesetzes geht, muss die Landwirtschaft angeblich sogar "sterben". Herzliches Beileid für so viel propagandistischen Unsinn!
Faktisches Vogelschutzgebiet Norden-Esens: Gänseeinflug in Ostbense/Samtgemeinde Esens/LK Wittmund - Foto: © Wattenrat
Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 23.08.2006:
"Die Landwirtschaft wird sterben"
Vogelschutzgebiete sorgen für Unruhe
Bis kurz vor die Stadtgrenzen von Esens würde das Vogelschutzgebiet reichen, das derzeit im Gespräch der Vogelschützer und Naturschutzverbände ist und das zur Erweiterung der bereits bestehenden Vogelschutzgebiete im Rheiderland, der Krummhörn und der Leybuchtpolder gehören würde. Anlass dazu besteht, weil das Land Niedersachsen der Europäischen Union FFH-Gebiete nachmelden muss, wie mehrfach berichtet wurde (Seite 1).
"Die Ausweisung wird gleichzeitig Extensivierung bedeuten", sagt der frühere Kreislandwirt Joachim Richter. Er setzt sich weiterhin für die Belange der Landwirte mit hohem Engagement ein und ermahnt sie auch jetzt öffentlich Druck zu machen und sich mit Politikern in Verbindung zu setzen. Letzteres ist ihnen schon gelungen. Sie haben durch die Vermittlung von Hermann Dinkla (MdL), CDU, in Kürze einen Gesprächstermin mit Vetretern zuständiger Ministerien der Landesregierung.
"Wir sehen uns ja als Naturschützer und auch als Vogelschützer", so die Landwirte des Zweigvereins Esens, die sich gestern zum gemeinsamen Gespräch auf dem Hof des Landwirtes Manfred Tannen trafen. Seine Ländereien würden alle im geplanten Vogelschutzgebiet liegen. "Dann können wir die Bude zu machen", so Richter gestern. Politiker würden sich gar nicht klar machen, was das für die Landschaft allgemein für Folgen habe. Jetzt lebten viele Wiesenvögel auf den bewirtschafteten Weiden. Gänse ästen auf dem frischen Grünland und richteten auch Schäden auf frisch aufgegangenen Getreideländereien an. "Weil sie nicht mehr im ungepflegten Deichvorland fressen wollen", nehmen die Landwirte an. Im Rheiderland gäbe es bereits große Unzufriedenheit über die Vogelschutzgebiete. Die Landwirte dort erhielten Entschädigungen für Fress-Schäden. Außerdem würden durch den Kot, den die Vögel auf dem Grünland hinterließen, Krankheiten auf die weidenden Kühe übertragen. "Die Landwirtschaft wird in Ostfriesland sterben, wenn wir weitere Bewirtschaftsauflagen durch Schutzgebiete bekommen", hieß es gestern.