Wattenrat

Ost-Friesland

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Buswendeplatz Bensersiel

Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer: Wie man in Bensersiel in einem Nationalpark einen National-Parkplatz baute und dabei EU-Mittel missbräuchlich verwendete

Es ist schon einige Jahre her, es war 1993, als man im Touristenort Bensersiel an der ostfriesischen Nordseeküste Platz mehr für Linienbusse brauchte, damit sie wenden konnten auf dem häufig zugeparkten Fähranleger nach der autofreien Insel Langeoog. Eine neue Fläche musste her, und die lag ausgerechnet im angrenzenden Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, in der Erholungszone. Und das nahm man in der zuständigen Stadt Esens, zu der Bensersiel gehört, und auf der Insel Langeoog wörtlich: Für den Tourismus sind eben keine Flächen zu schade.

Dann wurden auch gleich Fakten geschaffen und mit dem Bau der 1.625 qm großen Fläche begonnen, bis der Vorläufer der Naturschutz-Vereinigung "Wattenrat Ost-Friesland", die "Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost-Friesland", Wind vom Baubeginn bekam und Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Aurich erstattete. Nun war zunächst Schluss mit lustig, die Baumaßnahme wurde für Jahre stillgelegt.

Das Strafverfahren wurde letztlich zwar eingestellt, der Inselgemeinde Langeoog als Antragsteller aber zwischenzeitlich von den Aufsichtsbehörden deutlich gemacht, dass es bestimmte Regeln und Verfahrensschritte gibt, die man einzuhalten hat. Vier Jahre später schließlich, 1997, legte die Inselgemeinde endlich einen Antrag auf Befreiung von der damals noch geltenden Nationalparkverordnung und eine nicht näher definierte Stellungnahme eines Planungsbüros aus dem oldenburgischen Neuenburg vor. Begründung: "In den Jahren 1980 - 1993 ist das Verkehrsaufkommen von 600.000 auf 840.000 beförderte Personen pro Jahr gestiegen".

Das Planungsbüro räumte zwar ein, keine "detailierte und floristische Spezialkartierung vorgenommen zu haben", erkannte aber trotzdem messerscharf: "Theoretisch stellt das ganze Gebiet einen durchaus wertvollen Lebensraum für Flora und Fauna dar..." (wer hätte das gedacht!) und schlug als Kompensation vor, die angrenzenden Nationalparkflächen, auf denen sogar noch vereinzelt der extrem bestandsbedrohte Seeregenpfeifer brütete, besser gegen den Besucherverkehr zu schützen. Eine Maßnahme, die in einem Schutzgebiet eigentlich selbstverständlich und als Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahme unzulässig ist. Die beteiligten Naturschutzverbände lehnten die beantragte Herausnahme der Fläche aus dem Nationalpark ab. Wie es in solchen Fällen häufig geschieht, wurde die Befreiung vom Landkreis Wittmund nach Rücksprache mit der Nationalparkverwaltung erteilt, auch die hatte nichts gegen die Herausnahme der Fläche aus dem Nationalpark einzuwenden und stufte die Fläche gar "in naturschutzfachlicher Wertigkeit als gering bis mittel" ein. Formal war nun alles geregelt. Für den Seeregenpfeifer, der zwar nicht unmittelbar beeinträchtigt werde, solle der angrenzende Nationalparkbereich jedoch "vor bestehenden oder zu erwartenten Beinträchtigungen dauerhaft" gesichert werden. Das ist bis heute, 2006, immer noch nicht geschehen. Die Fläche wird von Touristen mit und ohne Hunde regelmäßig belaufen. Die Stadt Esens plante dann hier auch schon einen FKK-Strand, der aber nicht verwirklicht wurde.

Und dann gab es damals noch den rührigen SPD-Politiker Günter Peters im niedersächsischen Landtag, ein Mann der Region, der beantragte für die Gesamtkosten der Baumaßnahme von 250.000 DM einen EU-Zuschuss aus dem Programm "Ziel 5b" von 98.500 DM, und diese Mittel wurden auch bewilligt.

Die damalige "Konferenz" war sprachlos: EU-Mittel zur, wenn auch geringen, Verkleinerung eines Nationalparks und EU-Vogelschutzgebietes und schrieb deshalb sofort die EU-Kommission an. Im Oktober 1998, nach der Fertigstellung des Wendeplatzes, antwortete ein Mitarbeiter der "Generaldirektion XVI, Regionalpolitik und Kohäsion", und fand das ganz in Ordnung:[...] Aus den uns vorliegenden Informationen wurde das Projekt unter Berücksichtigung der einschlägigen Bestimmungen vorbereitet. Wie [...] bereits erwähnt, stellt die Europäische Kommission Mittel für bestimmte Prioritäten- wie die Entwicklung touristischer Infrastruktur- zur Verfügung. Die Projektauswahl unter dieser Priorität ist den niedersächsischen Ministerien überlassen."

Will sagen, dass die EU-Kommission den Betrag selbst nicht direkt auszahlte, sondern dies im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium überließ, denn auch da zapfen bekanntlich Kommunalpolitiker und Verwaltungen ihre Fördermittel ab.

Die ehemalige Nationalparkfläche wurde also zugepflastert, eine Schranke sperrte jetzt den Buswendeplatz von Fahrzeugen ab, die riesigen Müllcontainer der Insel Langeoog fanden einen Stellplatz. Und die Kritiker dieser Maßnahme wurde prompt öffentlich vom sozialdemoktratischen Mittelbeschaffer als "ideologische Kämpfer gegen den Fremdenverkehr" mit dem unvermeidlichen Holzhammer der "Arbeitsplätze" beschimpft. Naturschutzinhalte standen nicht zur Diskussion, die waren allen Beteiligten fremd.

Platz mit Schranke und Müllcontainer

Bis man aber dann noch mehr Tagesparkplätze für den Inseltourismus benötigte: 2005 verschwand die Sperrschranke, es wurden ein Parkscheinautomat aufgestellt und der EU-finanzierten Buswendeplatz für den eigentlich öffentlichen Personen Nahverkehr verwandelte sich in einen ganz normalen Tagesparkplatz für den nicht mehr öffentlichen privaten Kfz-Verkehr.

PKW-Parkplatz mit EU-Schild

Die Busse indes wenden immer noch da, wo sie ursprünglich auch wendeten, auf der Anlegerfläche östlich des Hafens, trotz des noch stärker gestiegenen Fremdenverkehrs.

Aber Papier und Schilder sind geduldig: An der Zufahrt zum neuen Tagesparkplatz wird der Parkende von einem EU-Emblem mit Erläuterungstext begrüßt:

Nahaufnahme EU-Schild

Zur Förderung des ÖNPV hat die Inselgemeinde Langeoog in der Zeit von Ende 1997 bis zur Saison 1998 einen Wendeplatz für den Linienverkehr errichtet.
Mit der Maßnahme soll eine Verbesserung der Verkehrssituation im Bereich des Schiffsanlegers Bensersiel erreicht werden. Ziel ist die Gewährleistung einer fahrplanmäßigen Anbindung der Linienbusse an das überregionale Verkehrsnetz, wodurch die Attraktivität des ÖNVP gesteiger werden soll.

Nur hat der Text heute nichts mehr mit der Realität zu tun: Die Fläche für den "öffentlichen Personen-Nahverkehr" wird täglich mit privaten PKWs zugeparkt, mit Hilfe der EU. Die Mittel der EU wurden offensichtlich missbräuchlich verwendet, jedenfalls nicht mehr für den ÖPNV. Das interessiert aber niemanden in unserer angeblich so gut funktionierenden kommunalen Selbst(bedienungs)verwaltung, vielleicht aber die EU-Kommission.
Manfred Knake

Nachtrag: Nach der Veröffentlichung des Wattenrat-Beitrages sowohl auf der Web-Seite als auch in einer Lokalzeitung verschwand das EU-Schild am Parkplatz irgendwann ab Oktober 2006 und ward nicht mehr gesehen.

Quellen:

 
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