Wattenrat

Ost-Friesland

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Die Vogelgrippe, der Kenntnisstand der Landesbehörden und die kommende Tourismussaison

Wer weiß eigentlich was genau? Der Wattenrat hat nachgefragt.

Um die Vogelgrippe ist es ruhig geworden. Nach Wochen der Aufgeregtheit und öffentlich verbreiteten Katastrophenszenarien herrscht im Hauptdurchzugsgebiet für Wat- und Wasservögel an der niedersächsischen Küste fast völlige Berichterstattungsstille, der Fund einer mit H5N1 infizierten Sturmmöwe Ende März in Cuxhaven ergab nur eine kleine Zeitungsnotiz.

Fakt ist, dass an der niedersächsischen Küste Vogel-Totfunde im Winterhalbjahr nicht ungewöhnlich sind, die natürliche Sterblichkeit durch schlechtes Wetter, Nahrungsmangel oder Parasiten ist hoch. Diese Tiere werden, wenn gefunden, von den Zivildienstleistenden des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz (NLWKN) in Norden erfasst. Die Zivis wurden angewiesen, bei "Verdacht" auf Vogelgrippe (wie macht sich ein Vogel verdächtig?) die Feuerwehr(!) zu verständigen, die die Kadaver dann übernimmt. Eine freiwillige Feuerwehr in Ostfriesland, wohlgemerkt, die sich aus Handwerkern, Angestellten und Bauern rekrutiert.

Der Wattenrat wollte es aber genau wissen. Wie gehen Behörden hier bei uns an der Küste mit der Vogelgrippe um? Gefragt wurde zunächst das Niedersächsische Umweltministerium, das die Anfrage an das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg (LAVES) weiterleitete.

Nachfolgend die aktuelle Antwort des LAVES zum Thema Vogelgrippe im Bereich des Nationalparks Nieders. Wattenmeer. Bemerkenswert ist, dass den Landesbehörden die tot gefundenen Vögel nach genauem Fundort, Art und Anzahl im Nationalpark Wattenmeer als Hauptrast- und Durchzugsgebiet von Wasservögeln nicht bekannt sind und diese Angaben nur bei den Landkreisen vorliegen. Ebenfalls wird nicht deutlich, nach welchen fachlichen Kriterien die Kadaver geborgen, begutachtet und in welchem Umfang zur Beprobung weitergeleitet werden. Eine Antwort auf diese Fragen gab es nicht.

Anders gefragt: Weiß der Feuerwehrmann XY auf der Insel Z, der den Strand nach Kadavern absucht, was er in der Hand hält? Kennt er bestimmte Entenarten, die als "stille Überträger" gelten. Wo er lässt er die Totfunde? Was wird wie dokumentiert? Wer wählt was zur Beprobung aus? Was wissen also eigentlich die Landkreise über den Umfang der Totfunde an welcher Stelle genau?

Zweifellos gibt es in jedem Jahr, auch ohne Vogelgrippe-Hype, hunderte von Totfunden im Spülsaum des Wattenmeeres, die niemanden auch nur am Rande interessieren, außer ein paar Vogelguckern.

Jetzt, wo die Vogelgrippe angeblich DIE Gefahr geworden ist, möchte man doch auch wissen, wie damit vor unserer Haustür genau umgegangen wird, aber niemand sonst fragt nach, dass muss wohl an der kommenden Tourismussaison liegen; Sperrgebietsschilder wie auf Rügen wären bestimmt schlecht für´s Geschäft mit der angeblich "intakten Landschaft"...

Manfred Knake

eMail-Absender LAVES    Oldenburg, den 13.03.2006

Sehr geehrter Herr Knake,

die Zuständigkeit für die Seuchenbekämpfung liegt in Niedersachsen bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Das LAVES berät und unterstützt die Landkreise/kreisfreien Städte im Seuchenfall und führt durch seine Institute Untersuchungen durch.

Die mir vorliegenden Unterlagen über das Untersuchungsgeschehen in Niedersachsen lassen keinen Rückschluss auf den Fundort zu, so dass ich Ihnen die gewünschten Angeben über Anzahl und Art der an der Nordseeküste einschließlich ostfriesischer Inseln gefundenen und beprobten Vögel nicht geben kann.

Im Falle eines positiven Befundes erfolgt die Rückverfolgung zum Fundort durch den betreffenden Landkreis; dot befinden sich die erforderlichen Unterlagen.

Alle durch die Küstenlandkreise beprobten Vögeln waren nicht infiziert.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrage

****

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Manfred Knake [mailto:MK@Wattenrat.de]
Gesendet: Donnerstag, 9. März 2006 19:15
An: ***@laves.niedersachsen.de
Betreff: Nationalpark Nieders. Wattenmeer, aviäre Influenza, Ihr Schreiben vom 09. März 2006

Herrn *******      09. März 2006
LAVES

Oldenburg

Ihre mail vom heutigen Tage
Ihr Zeichen 32-9-42265

Sehr geehrter Herr *****,
für Ihre rasche Antwort meiner Mail an Herrn Hebbelmann im MU danke ich Ihnen.

Allerdings stellen sich mir immer noch Fragen, die, im Vergleich zur aufwändigen und möglicher Weise auch überzogenen Berichterstattung von der Insel Rügen, nach meiner Ansicht für den ostfriesischen Festlands- und Inselbereich nicht ausreichend beantwortet wurden.

Mir ist als ehemaligem langjährigen Datenerfasser für das frühere Nieders. Landesverwaltungsamt und das spätere NLÖ durchaus bewusst, dass im Winter viele Totfunde in den Spülsäumen zu finden sind, ein ganz natürlicher Vorgang, der nichts mit HPAI zu tun haben muss.

Gerade für die touristisch genutzten Inseln wird in Ihrem Schreiben nicht angegeben , wer die abgesammelten Kadaver (und die werden dort derzeit sehr gründlich abgesammelt!) fachlich beurteilt und in welchem Umfang überhaupt Kadaver den Untersuchungsbehörden zur Verfügung gestellt werden, oder ob die Kadaver einfach wie auch immer entsorgt werden.

Auch am Festland an den zugänglichen Stellen am Watt wird offenbar sehr gründlich abgesammelt, vermutlich durch Mitarbeiter des Nieders. Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz in Norden (NLWKN), die auch sonst vogelkundliche Daten erheben. Im Landkreis Aurich fanden sich an bestimmten zugänglichen bekannten Stellen überhaupt keine Totfunde mehr. Das lässt auf eine sehr gründliche Sammeltätigkeit schließen.

Ich bitte daher um Auskunft, wie viele Vögel welcher Arten bisher am Festland und auf den Inseln gefunden und gemeldet und in welchem Umfang fachlich im FLI untersucht wurden.

Ich bedanke mich für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichem Gruß
Manfred Knake

-------------------

eMail:
Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit (LAVES)
-Task-Force Veterinärwesen-
Postfach 3949
26029 Oldenburg

09. März 2006

HPAI bei wildlebenden Vögeln im Bereich des Niedersächsischen Wattenmeeres

Sehr geehrter Herr Knake!

Die von Ihnen an Herrn Hebbelmann gerichtete Anfrage wurde zuständigkeitshalber vom Niedersächsischen Umweltministerium an das Niedersächsische Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz weitergeleitet und von dort meiner Behörde zur Beantwortung übergeben.

Im Bereich des Niedersächsischen Wattenmeeres werden, wie auch in den übrigen Landesteilen, alle derzeit gebotenen Maßnahmen ergriffen, um eine Ausbreitung der Tierseuche zu verhindern. Die Landkreise sammeln von der Bevölkerung gemeldete tote Vögel ein und veranlassen, nach Begutachtung, die Untersuchung von Risikomaterial.

Weitergehende Maßnahmen an der Nordseeküste sind das Absammeln der touristisch bedeutsamen Strandbereiche durch die Gemeinden, das Spülsaummonitoring des NLWKN sowie die Überwachung durch die Wattenjagdaufseher. Die Mitarbeiter des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, des NLWKN, der Wasser- und Schifffahrtsämter und der Wasserschutzpolizei sind entsprechend unterrichtet und sensibilisiert. Darüber hinaus ist jeder Naturbeobachter oder Vogelkundler aufgerufen, Sonderheiten den Veterinärbehörden zu melden.

Ein darüber hinausgehendes, systematisches Absuchen von Deichvorländereien etc. findet erst im Falle der Einrichtung von Sperrbezirken/Beobachtungsgebieten statt.

Die Untersuchung des von den Veterinärämtern übergebenen Materials wird durch das Veterinärinstitut meines Hauses durchgeführt. Evtl. erforderliche weitergehende Unter-suchungen erfolgen durch das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems. Derzeit gibt es keine Hinweise einer Infizierung von Wildvögeln im Nationalpark Nieder-sächsisches Wattenmeer.

Im Auftrage
******

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 22.03.2006

Vogelgrippe: Alle Proben negativ

Täglich werden tote Tiere gemeldet

HARLINGERLAND/KDH - Die Vogelgrippe ist momentan aus den größten Schlagzeilen heraus, die Kontrolle verendeter Vögel geht weiter. Alle eingeschickten Tiere sind bislang nicht mit dem aggressiven H5N1-Virus infiziert gewesen, sagte Kreisveterinär Dr. Norbert Heising auf Nachfrage. Allein gestern seien aus dem Kreisgebiet elf verendete Vögel zur Untersuchung nach Oldenburg geschickt worden, darunter Schleiereulen und Graureiher, aber bislang kein Schwan. Sollte ein Schnelltest positiv ausfallen, würde das Veterinäramt binnen 24 Stunden informiert, erklärte Dr. Heising. Insgesamt ist seit dem ersten Vogelgrippe-Fall vor fünf Wochen auf Rügen bei 226 Wildvögeln das Virus nachgewiesen worden. In Niedersachsen hat es einen Fall in Fallingbostel gegeben.

 
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