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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 149 (Februar 2006)

Neues Atomkraftwerk bei Delfzjil am Dollart?

Für die Tourismusindistrie nur ein optisches Problem

Das törichste aller Argumente gegen ein mögliches Atomkraftwerk bei Delfzjil/NL kommt mal wieder von der Tourismusindustrie: "Der Gast will nicht am Strand liegen und auf ein Atomkraftwerk sehen", so die Borkumer Bürgermeisterin.

Und der Geschäftsführer der "Ostfriesland Tourismus GmbH" schwätzt in diesem Zusammenhang gar vom "sanften Tourismus" in Ostfriesland", für den ein Atommeiler kein Werbeargument sei. Dass er den "sanften Tourismus" entdeckt haben will (bei 13 Millionen registrierten Übernachtungen in der Region, erfasst ab Häusern mit 9 Betten), beruht wohl auf Wahrnehmungsstörungen. Als ob es keine anderen Probleme mit der Nutzung der Atomkraft gäbe.

Der Bürgermeister von Emden, dessen Stadt von riesigen Windparks umgeben ist, sieht sogar das Image der angeblich sauberen Windkraft ramponiert "das würde unseren Bemühungen zur Förderung regenerativer und sauberer fossiler Energien zuwiderlaufen". Wie, hat er gar nicht gemerkt, dass zum Betrieb der Windkraftanlagen und zur Stabilisierung des unregelmäßig eingespeisten Windstromes mindestens fossile Kraftwerke nötig sind? Je mehr Windstrom produziert wird, um so mehr Gas und Kohle (und vielleicht auch bald Uran) muss verballert werden. Im Emden wurde schon ein Gaskraftwerk reaktiviert, um als Regelkraftwerk für die Windkraft einzuspringen.

Atomkraftwerke und fossile Kraftwerke sind heimliche Schwestern im Stromnetz. Die russischen Gasexporteure werden sich über noch mehr Windkraft freuen.

Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung, Leer, 15.02.2006:

Breite Ablehnung der Atompläne Hollands

Von den Lokalredaktionen

UMWELT Nur der Vertreter der Industrie- und Handelskammer zeigt Verständnis für die Überlegungen

Ein Hauptpunkt der Kritik: Es gibt schon genug Industrie auf der niederländischen Seite des Dollarts. Es werden auch Nachteile für den Tourismus befürchtet.

Ostfriesland - Die Überlegungen des niederländischen Umweltstaatssekretärs Pieter van Geel zur künftigen Atompolitik des Nachbarlandes stoßen in Ostfriesland auf breite Ablehnung. "Das geht zu unseren Lasten", sagte der Krummhörner Bürgermeister Johann Saathoff. Verständnis äußerte lediglich Dr. Jan Amelsbarg von der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Ostfriesland und Papenburg.

Wie berichtet, hatte der Christdemokrat van Geel unter anderem Eemshaven als Standort eines Atomkraftwerks (AKW) ins Gespräch gebracht (Seite 1 und 4).

"Wir sind nicht klüger als die Umweltministerien in Berlin und Hannover", sagte der Emder Oberbürgermeister Alwin Brinkmann (SPD). Die Stadt werde sich aber in den nächsten Tagen genauer informieren. Falls Überlegungen über den Bau eines Atomkraftwerkes konkreter werden, "würde das unseren Bemühungen zur Förderung regenerativer und sauberer fossiler Energien zuwiderlaufen", so Brinkmann.

"Ich bin schockiert", sagte der Krummhörner Bürgermeister Johann Saathoff (SPD). Es handele sich zwar noch um die Meinung eines einzelnen Politikers. Aber grundsätzlich gebe es bereits genug industrielle Ansiedlungen auf der niederländischen Seite des Dollarts. Es könne nicht sein, alle umweltbelastenden Anlagen in den äußerten Osten der Niederlande zu verlagern. "Das geht zu unseren Lasten, schadet aber auch dem Tourismus auf niederländischer Seite", so Saathoff. Die Gemeinde Krummhörn würde "alle möglichen Hebel in Bewegung setzen, um das zu verhindern".

"Für uns ist das neu", sagte Dr. Jan Amelsbarg, der bei der IHK in Emden für Energiewirtschaft und Umweltschutz zuständig ist. Für eine konkrete Stellungnahme sei es "viel zu früh". Grundsätzlich habe er aber "Verständnis dafür, dass die Geschäftsnachbarn überlegen, wie es mit der Energieversorgung weiter geht". Allerdings gebe es für Industrieanlagen in grenznahen Gebieten in Europa festgelegte Verfahren. Der Himmel über Ostfriesland sei jedoch "kein Reservat, das sich von äußeren Einflüssen freihalten lässt", so Amelsbarg weiter.

Mit Empörung reagierte der Emder CDU-Politiker Helmut Bongartz auf die Äußerungen von van Geel. "Es hat mir die Sprache verschlagen", sagte er. Der Vorstoß sei "dreist" und gehe "eine Nummer zu weit" angesichts der vielen Industrieanlagen, die auf der niederländischen Seite der Emsmündung stehen oder geplant sind.

Die Landtagsabgeordnete der Grünen, Meta Janssen-Kucz (Leer), findet, "den Niederlanden muss in Sachen Atompolitik die rote Karte gezeigt werden". Sie sei entsetzt, wie die Risikotechnologie Atomenergie immer wieder leichtsinnig als Option in Sachen Klimaschutz ins Gespräch gebracht werde. Die Landtagsabgeordnete glaubt, dass in Eemshaven ein Standort in einer strukturschwachen Gegend ins Spiel gebracht werde, weil davon ausgeht, dass dort der Widerstand am geringsten sei.

Nach Ansicht von Kristin Mahlitz, Bürgermeisterin von Borkum, ist in Eemshaven bereits eine ausufernde Industriekulisse entstanden. "Wir leben ausschließlich vom Tourismus. Der Gast will nicht am Strand liegen und auf ein Atomkraftwerk sehen", sagte Mahlitz. Sie geht davon aus, dass ein AKW Touristen abschrecken würde.

Auch Kurt Radtke, Geschäftsführer der Ostfriesland Tourismus GmbH, findet, dass "diese Planungen dem sanften Tourismus sicherlich nicht dienlich" seien. Er wies auf die Kooperationen mit den Niederländern beispielsweise bei der Internationalen Dollart-Route hin. Ein Atommeiler direkt am Wegesrand sei sicherlich kein gutes Werbeargument. "Der Himmel über Ostfriesland ist kein Reservat, das sich von äußeren Einflüssen freihalten lässt".

 
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