Wattenrat

Ost-Friesland

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Radikaler Abschied von einem faktischen Vogelschutzgebiet

Fachliche Daten spielen keine Rolle mehr

EU- Vogelschutzrichtlinie und die Begehrlichkeiten in einer Gemeinde: Die Samtgemeinde Esens, das Land Niedersachsen, der Bund und die EU-Kommission, alle ziehen an einem Strang und machen aus einem "Faktischen Vogelschutzgebiet" Golfplätze, eine Umgehungsstraße, ein Bio-Kraftwerk und einen Riesen-Campingplatz, anything goes mit den entsprechenden Seilschaften in Europa!

Es war einmal...
ein faktisches Vogelschutzgebiet beim ostfriesischen Esens im Landkreis Wittmund, und dies ist kein Märchen!

Nun haben es die Seilschaften aus Politik und Verwaltung geschafft: Wo bis zum 04. Juli 2005 das "faktische Vogelschutzgebiet" Norden-Esens war (binnendeichs am Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer), darf nun so richtig reingehauen werden: Golfplätze (vorher war nur ein Übungsplätzchen geplant), eine "kommunale Entlastungsstraße" (die weitere Baulandausweisungen bis an die neue Straße möglich macht) ein "Luxus-Campingplatz" und ein Kraftwerk, Bio natürlich.

Noch im April 2003 mahnte die EU-Kommission den Ex-Außenminister Joseph Fischer, diesen Bereich wegen seiner Wertigkeit als Vogelschutzgebiet nach der EU-Vogelschutzrichtlinie auszuweisen. Ursache: Der Wattenrat Ostfriesland hatte eine Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die konkreten Planungen der Esenser Tourismusmacher wegen der Verletzung der Vogelschutzrichtlinie durch die zahlreichen Planungen eingelegt. Die Sache sah gut aus im Sinne des Naturschutzes. Die erledigte sich aber von selber, natürlich im Sinne der beharrlichen Macher mit ihren Verbindungen zur Politik, wie so häufig.

Am 04. Juli 2005 fand in Berlin eine sog. "Umweltpaketsitzung" mit Vertreteren des Landes, des Bundes und der EU-Kommission statt. Dort wurde der EU-Kommission von den deutschen Behörden-Vertretern mitgeteilt, das mit den Vögeln im "Faktischen Vogelschutgebiet" Norden-Esens wäre gar nicht so schlimm, die hätten Platz woanders. Das sei eigentlich gar kein Vogelschutzgebiet. Die Beamten der Kommission schluckten dies und auf Beschluss war das Vogelschutzgebiet nach dem Tag in Berlin keines mehr. So einfach ging das, alle fachlichen Daten waren mit einem Federstrich null und nichtig.

In Berlin war auch das damalige Direktoriumsmitglied im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft , Küstenschutz und Naturschutz (NLWKN), vorher Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte im aufgelösten Niedersächsischen Landesamt für Ökologie, der auch die ehrenamtlich erhobenen Vogeldaten im Lande Niedersachsen verwaltete und der für das Land, die Kommunen und deren ehrgeizige Wirtschaftsplanungen deshalb nützlich ist, weil er Vogeldaten (um-)interpretieren kann. Nun ist er seit November 2005 hochdotierter Leiter der Verwaltung des Nationalparks Nieders. Wattenmeer.

Und schon wurden die Planungen um Esens herum "richtungsweisend" geändert: aus einem 6-Loch-Übungsplatz wird ein richtiger 18-Loch Golfplatz mit noch mehr Fläche, die Umgehungsstraße Bensersiel wird kommen, ein riesiger "Luxus"-Campingplatz soll mitten auf dem Grünland entstehen und mit Bio wird nun kassenklingelnd Strom nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz erzeugt; das belastet jeden Stromkunden und füllt die Taschen der Betreiber enorm. Verhinderter europäischer Vogelschutz dient eben vielen.

Der Wattenrat reichte sofort nach Bekanntwerden der Berliner Kommissions-Entscheidung ein detailliertes ornitholgisches Fachgutachten eines anerkannten professionellen Feldornithologen mit einem Gutachterbüro an die EU-Kommission nach. Darin wurde die staatliche Sichtweise doch erheblich relativiert, die hohe Wertigkeit der Fläche für die Avifauna wissenschaftlich untermauert und die Notwendigkeit für die Ausweisung als Vogelschutzgebiet bestätigt, wie die Kommission es ja eigentlich auch vorhatte. Die Kommission bedankte sich artig für das Gutachten, und machte nichts weiter. Früher hatte eben die Partei immer Recht, heute sind es die Behörden oder deren Seilschaften in Politik und Verwaltung.

Und wenn sie nicht gestorben sind, werden sie weiter planen, wie am Mühlenberger Loch, wie beim Ems-Stauwerk, wie im Wybelsumer Polder und wie z.B. im Naturschutzgebiet Petkumer Deichvorland. Und die EU-Kommission wird es tolerieren. Nur die Naturschützer werden nicht mehr an das Märchen von der FFH- und Vogelschutzrichtlinie glauben.

PS: Wie Insider inzwischen anmerkten, habe das Mahnschreiben der Kommission an die Bundesregierung von April 2003 immer noch Gültigkeit, es habe sich also nichts an der Wertigkeit des "Faktischen Vogelschutzgebietes" Norden-Esens geändert. Weiß in Brüssel eigentlich die Linke was die Rechte tut, oder ist die deutsche Rechtsabteilung der Kommission fachlich überfordert?

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, Montag, 2. Januar 2006

Golfplatz in Ostbense wirkt sich positiv auf Region aus

Samtgemeinde Esens fasste im vergangenen Jahr richtungsweisende Beschlüsse

Esens/dk - Die Gemeinde Neuharlingersiel unterstützt den geplanten Golfplatz bei Ostbense, besonders im Hinblick auf die Auswirkungen im Bereich des Fremdenverkehrs. "Diese positiven Auswirkungen im Sinne einer zusätzlichen Angebotsentwicklung und Steigerung werden die ganze Samtgemeinde betreffen", erklärte jetzt dazu Esens’ Samtgemeindebürgermeister Jürgen Buß.

Der Samtgemeinderat habe mit der Änderung des Flächenutzungsplanes (F-Plan) eine Voraussetzung für dieses Projekt geschaffen. Für den Bereich des Golfplatzes Ostbense liegt zwischenzeitlich ein überarbeitetes Entwicklungskonzept vor, für das die bisherigen planungsrechtlichen Grundlagen allerdings nicht ausreichen. Das Konzept sieht vor, auf der Basis der 88. F-Plan-Ändetung nördlich der Landesstraße 5 ein Golfhotel und einen 18-Loch-Golfplatz zu errichten. "Wenn ausreichend Fläche zur Verfügung gestellt werden kann, soll zusätzlich eine Driving-Range und ein Putting-Green in Hotelnähe errichtet werden", fasst Jürgen Buß zusammen.

Südlich der Landesstraße könne nach der 89. Änderung des F-Plans ein 6-Loch-Übungsplatz entstehen. "Dies würde im Gegensatz zu den bisherigen Konzepten allen Gästeansprüchen genügen und Anfängern, Trainierenden und Spielern angemessene und attraktive Verhältnisse bieten", lautet die Meinung des Samtgemeindebürgermeisters. "Zur Planverwirklichung ist es notwendig, den Flächennutzungsplan zu ändern. In Betracht des vorhandenen Planungsrechts für einen Golfübungsplatz und einen Reiterhof nördlich der L 5 scheint es angebracht, zwei getrennte Änderungen des F-Plans vor zunehmen", erläutert dazu Bauamtsleiter Tilmann Petters.

Eine erste, also die 88. Änderung, sei für den weitgehend geplanten nördlichen Bereich, für den auch nach bisherigen Erkenntnissen keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten seien, und eine zweite, also die 89. Änderung des F-Plans, für den südlichen Bereich, in dem erst noch die umweltrelevanten Faktoren gutachterlich ermittelt werden müssen. Der Samtgemeindeausschuss hat am 8. Dezember den Aufstellungsbeschluss gefasst.

Einen gleichen Beschluss fasste das Gremium im Hinblick auf die geplante Biogasanlage Meedhammer Weg in Bensersiel. In der 0,5 MW-Leistungs-Anlage sollen ausschließlich nachwachsende Rohstoffe und Gülle verwendet werden. Das Echo auf der Bürgerversammlung im November war so positiv, dass jetzt diem planungsrechtlichen Bedingungen geschaffen werden. Eine F-Plan-Änderung erfolgt im Parallelverfahren mit dem Bebauungsplan Nr. 15 "Sondergebiet Biogasanlage".

Im zurückliegenden Jahr rechtsverbindlich geworden sind übrigens die in 2004 noch von der Bezirksregierung Weser-Ems genehmigten Änderungen des Flächennutzungsplanes der Samtgemeinde Esens im Hinblick auf die kommunalen Entlastungsstraßen in Bensersiel und Neuharlingersiel. Die Realisierung ist inzwischen nicht mehr fern. Eine F-Plan-Änderung, die nun im neuen Jahr in Gang gesetzt werden soll, ist schließlich auch erforderlich für die neue Wohnbaufläche im Bereich "Oll Deep" in Bensersiel. Das vorhandene Baugebiet soll durch eine Ringstraße erweitert werden.

 
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