Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 139 (Dezember 2005)
20 Jahre Nationalpark
20 Jahre wird der Nationalpark Niedersächisches Wattenmeer am 01. Januar
2006
Gibt es einen Grund zum Feiern?
Das kommt auf den Standpunkt an. Von der Tourismuswirtschaft wurde der Nationalpark zunächst heftig bekämpft, auf Langeoog gab es gar Demonstrationen gegen die vermeintliche "Einzäunung" der Insel durch den Nationalpark, obwohl die Insel längst von Stacheldrahtzäunen für das Weidevieh durchzogen war. Die Fischer drohten mit Blockaden, falls man ihre Fanggründe antasten wollte, Sportbootfahrer polemisierten gegen die Einrichtung einer "Befahrensregelung" und die Naturschutzverbände listeten penibel die vielen Versäumnisse und Defizite trotz der nun geltenen Nationalparkverordnung, die nun ein Nationalparkgesetz ist, in den "Bilanzen" auf.
Als der Beirat für den Nationalpark konstituiert war, wurde ganz schnell klar, wer das Heft für die Entwicklung dieses angeblichen Schutzgebietes fest in der Hand hielt und bis heute nicht abgegeben hat: Die Nutzergruppen aus Tourismus, Fischerei, Sportbootverbänden und Jagd, die Naturschutzverbände waren gerade mit zwei Vertretern in diesem Gremium vertreten.
Die Zeit der Grabenkämpfe ist vorbei, die Naturschutzverbände wurden überrollt, vereinnahmt und ausgegrenzt, ihre Stimme ist im Nationalparkkonzert sehr, sehr leise geworden. Man darf den Eindruck haben, dass die verbliebenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Naturschutz-Geschäftsstellen mehr ihre Stellen als den Nationalpark schützen und erhalten.
Nun ist Harmonie angesagt, die deutlich formulierten Forderungen in den "Bilanzen" nach einem Nationalparkprogramm mit klaren Entwicklungszielen, mehr Kompetenzenbündelung, nach einer kompetenten Nationalparkwacht nach internationalen Standards, nach einem naturverträglichen Tourismus und schonenderem Küstenschutz, nach völliger Einstellung der Jagd, nach fischereifreien Zonen und naturverträglichem Ausbau der Windenergie sind inzwischen Altpapier.
Der Naturschutz im Lande Niedersachsen wurde ausgerechnet in die Küstenschutzbehörde integriert, die Nationalparkverwaltung ist Dienstleister für den Fremdenverkehr geworden. Fischer melden Rekordfänge, immer noch werden Miesmuscheln im Nationalpark auf Wildmuschelbänken geplündert. Die Nationalparkwacht besteht aus 7 hauptamtlichen Nationalparkwächtern und 15 ständig wechselnden Zivildienstleistenden auf 280.000 Hektar Fläche: ohne Boote, ohne Fahrzeuge, ohne Kompetenzen. Die an den Nationalpark angrenzenden Flächen sind weiträumig mit Windkraftanlagen zugebaut, wertvolle Rastgebiete für Wat- und Schwimmvögel wurden so entwertet, weitere Windparks im Watt und auf See sind geplant.
Die Tourismuswirtschaft hat in der Tat einen Grund zum feiern: Mit politischer Hilfe wurde dieser Nationalpark in einen Freizeitpark umgebaut, obwohl ein Nationalpark nach der gesetzlichen Definition ein großräumiges Gebiet mit besonderer Eigenart ist, dessen überwiegender Teil vom Menschen wenig beeinflusst ist, der in eine Zustand zu entwickeln ist, dass Naturvorgänge möglichst ungestört ablaufen und, wenn es der Schutzzweck erlaubt (!), dem Naturerlebnis der Bevölkerung dient.
Bereits 2001 wurde das junge Nationalparkgesetz novelliert, ca. 90 Flächen wurden damals aus dem Nationalpark herausgenommen und auf Drängen der Kommunen durch die damalige SPD-Regierung der touristischen Nutzung zugeführt. Da diese Flächen Bestandteil von FFH- und EU-Vogelschutzgebieten sind,die nicht einfach per Mehrheitsbeschluss abgewickelt werden können, legte der Wattenrat Ost-Friesland eine sehr detaillierte Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die Verschlechterung des Schutzstatus ein; die Beschwerde wurde in ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingearbeitet.
Vom Standpunkt des Naturschutzes hat sich zwar der Name "Nationalpark" etabliert, nach wie vor gibt es aber die Fülle von Eingriffen, die eine internationale Anerkennung nach den Kriterien der International Union for Conservation of Nature (IUCN) bisher aber verhinderten. Dafür will die Landesregierung des UNESCO-Etikett "Weltnaturerbe" als "Gütesiegel" für die Tourismuswirtschaft bekommen und erzählt der Öffentlichkeit wahheitswirdrig, damit seien keine weiteren Naturschutzauflagen verbunden.
Der Naturschutz hat keinen Grund zu feiern, auch wenn das einige Naturschutzverbände anders sehen mögen, aber die residieren weit weg vom realen Geschehen in ihren küstenfernen Geschäftsstellen und haben den Salzgeschmack des Wattenmeeres kaum je gespürt.
Die Presse macht aus diesem Nationalpark-Verschnitt nach 20 Jahren seines Bestehens bereits eine "Erfolgsgeschichte", wie wahr, nur nicht für den Naturschutz! Man darf gespannt sein, welche PR-Aktionen zum Schönreden dieses angeblichen Schutzgebietes noch folgen werden.
Waterkant vom 01.09.1986:
Die "Machtergreifung" des Naturschutz-Verhinderungs-Kartells
[...] Es ist zu befürchten, daß dieses Gremium einen ganz anderen Nationalpark will, als es gesetzlich vorgeschrieben ist: Keinen Park zur Erhaltung der bedrohten Tier- und Pflanzenwelt des einmaligen Lebensraumes Wattenmeer, sondern einen wohlfeilen Rummelplatz der Nutzungsinteressen - den bereits faktisch bestehenden "Freizeitpark Wattenmeer". Viele Böcke sind de Nationalparks Tod. [...]
Horst Stern:
DIE STERN-KOLUMNE - Die Woche, 25. Oktober 1996: Naturschutz-friesisch herb
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 28.12.2005:
Schutz wird akzeptiert
Nationalpark wird 20 Jahre alt / Heute Erfolgsgeschichte
WILHELMSHAVEN/DPA/KK -20 Jahre nach der Gründung des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer feiern Naturschützer und die Landesregierung das Projekt als Erfolgsgeschichte. Dabei hagelte es am Anfang Kritik. Die Küstenbewohner befürchteten zu strenge Auflagen, Umweltverbände tadelten das Land, die nationale Aufgabe halbherzig anzugehen. Das Gebiet war zum 1. Januar 1986 unter Schutz gestellt worden, im Juli 2006 ist zum runden Geburtstag ein großes Volksfest in Dorum bei Cuxhaven geplant.
Die damalige Skepsis in der Bevölkerung hat sich inzwischen als unbegründet erwiesen. "Der Nationalpark hat geholfen, dieses wertvolle Stück Natur zu erhalten, für die Menschen heute und für künftige Generationen", sagt Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung.
Auch auf den Tourismus habe es keine negativen Auswirkungen gegeben. Die Gäste der Region zeigten überwiegend Verständnis und nähmen Rücksicht, wenn sie sich etwa in sensiblen Zonen auf vorgeschriebenen Pfaden bewegen müssten. "Als ein Schlüssel zur Zukunft des Naturschutzes soll sich die Nationalpark-Idee noch stärker verbreiten", meint Südbeck. Das Jubiläum werde daher unter dem Motto "Wo Mensch und Natur sich begegnen" stehen.