Wattenrat

Ost-Friesland

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Ems-Ästuar wird als FFH-Gebiet nachgemeldet

"Naturschutz" heißt es in einer Überschrift zur möglichen Nachmeldung des Ems-Ästuars vollmundig - der ist keineswegs gemeint.

Man will zwar evtl. nachmelden, aber nur, um finanziellen Sanktionen der EU zu entgehen, aber dann trotz FFH-Geltung weiter machen wie bisher. Z.B. wird derzeit die weitere Vertiefung der Außenems diskutiert. Der Flussabschnitt zwischen Emden und Leer ist längst als "Besonderes Schutzgebiet" (BSG) nach Art 4 EU-Vogelschutzrichtlinie gemeldet, genützt hat das wenig: Hier steht das Ems-Stauwerk, das NSG und Teil-BSG "Petkumer Deichvorland" wurde zielstrebig für den Tourismus erschlossen. Am Rande des "Besonderen Schutzgebietes" wurde das ehemalige "faktische Vogelschutzgebiet" Wybelsumer Polder mit Windturbinen vollgestellt. Der EU-Kommission kommt es offensichtlich lediglich auf die formale Meldung wichtiger Gebiete an, die inhaltliche Ausgestaltung ist dann sekundär.

Beschwerden gegen offensichtliche Verstöße in FFH-, Vogelschutz- oder faktischen Vogelschutzgebieten an der Ems oder bei Esens/Ostfriesland wurden in Brüssel von deutschen Mitarbeitern fachlich nicht nachvollziehbar schon auf Sachbearbeiterebene abgebügelt. Das beschleunigt Beschwerdeverfahren enorm. Die Nutzer und die Tourismusindustrie dürfen sich freuen.

EU-Naturschutz? Nur auf dem Papier und nur für die ahnungslose Öffentlichkeit!


Dollart bei Emden: Blick in das ehemalige "fakische Vogelschutzgebiet" Wybelsumer Polder, heute offensichtlich Windturbinen-Schutzgebiet, Aug. 2005, Photo: © Wattenrat Ost-Friesland

Wir zitieren aus den Zeitungen und Pressemitteilungen

Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 22.12.2005:

Druck aus Brüssel bringt Land auf Trab

Sander sagt Prüfung der Flussmündungen zu - Krisengespräch mit Bundesminister Gabriel in Hannover
Die EU droht Deutschland mit Klagen und Strafzahlungen. In den nächsten vier Wochen soll es eine Entscheidung geben.

VON MARCO SENG, REDAKTION HANNOVER

HANNOVER - Die deutlichen Worte aus Brüssel haben ihre Wirkung nicht verfehlt: Im Dauerstreit um Naturschutzgebiete will Niedersachsen nun offenbar einlenken. Die Landesregierung strebt innerhalb von vier Wochen eine Einigung mit dem Bund über die umstrittene Meldung der Flussmündungen an die EU an. Am Mittwochabend trafen sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein niedersächsischer Amtskollegen Hans-Heinrich Sander (FDP) zu einem Krisengespräch in Hannover. Man habe die Positionen ausgetauscht, hieß es danach.

"Wir werden Vorschläge für alle defizitären Bereiche vorlegen", hatte der Sprecher des Umweltministeriums, Magnus Buhlert, bereits am Morgen verkündet. Das Kabinett werde sich im Januar mit dem Thema befassen. Das Land reagiert damit auf die heftige Schelte der EU-Kommission vom Dienstag. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas hatte kritisiert, dass Deutschland trotz mehrfacher Aufforderung keine vollständige Liste der Naturschutzgebiete nach der Richtlinie Flora-Fauna-Habitat vorgelegt und damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2001 ignoriert hat. Dimas droht deshalb mit einer erneuten Klage und Strafzahlungen in Millionenhöhe. Die EU könnte im Extremfall ein Zwangsgeld von 790 000 Euro täglich verhängen.

Die Kommission muss sich aus rechtlichen Gründen mit ihren Forderungen an die Bundesregierung wenden. Gemeint sind aber die sieben Bundesländer, die bisher keine vollständigen Listen vorgelegt haben. Wegen der Flussmündungen ist dabei vor allem Niedersachsen ins Visier geraten. Die EU verlangt, dass die so genannten Ästuare von Ems, Weser und Elbe unter Naturschutz gestellt werden. Dabei geht es u.a. um den Schutz von seltenen Fischarten. Bei der Weser gibt es inzwischen eine Annäherung zwischen Niedersachsen, Bremen und der EU. In Sachen Ems stellt sich die Landesregierung allerdings bislang stur. Angeblich macht die Papenburger Meyer-Werft hier Druck auf Hannover. Das Unternehmen fürchtet wirtschaftliche Nachteile.

Buhlert betonte, die Landesregierung kenne die Vorgaben aus Brüssel, habe aber aber eine andere Rechtsauffassung. Die Opposition forderte Ministerpräsident Wulff (CDU) auf, die Angelegenheit zur Chefsache zu machen.

Neue Osnabrücker Zeitung, 16.Dez.2005:

EU macht Druck: Die Ems muss gemeldet werden

Berlin/Hannover (hab/jd) Der Streit um die Nachmeldung von Schutzgebieten nach der EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) geht in die entscheidende Runde: Die EU-Kommission fordert in einem Schreiben an das Bundesumweltministerium ultimativ, mehrere Areale - darunter auch die Ems-Mündung - als Schutzgebiet auszuweisen. Andernfalls drohten hohe Strafzahlungen.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums erklärte am Donnerstag auf Anfrage in Berlin, nach dem in Kürze erwarteten Eingang der so genannten "begründeten Stellungnahme" der Kommission gebe es eine Frist von zwei Monaten für die Nachmeldungen. Erfolgten diese nicht fristgerecht, werde Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Deutschland drohe dann für jeden Tag, der dann verstreiche, ein Zwangsgeld von 790000 Euro.

Diese Kosten müssten nach dem Verursacherprinzip getragen werden, betonte der Sprecher. Nicht der Bund habe die Meldung der Ems-Mündung verzögert, sondern das Land Niedersachsen. Entsprechend müsse das Land für die Folgen aufkommen.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) lehnt die Nachmeldung der Ems-Mündung inklusive Fahrrinne bislang ab. Dies sei aus Naturschutzgründen nicht notwendig. Außerdem handele es sich um ein gemeinsames Grenzgewässer mit den Niederlanden. Die dortigen Behörden hätten ihre FFH-Meldung bereits abgeschlossen - ohne Nennung der Flussmündung -, und dies sei in Brüssel so abgesegnet worden. Ohne Zustimmuung der Holländer könne ohnehin nicht gemeldet werden.

Im Umweltministerium in Hannover will man nun das weitere Vorgehen prüfen und mit Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) abstimmen. Sander hatte zuletzt signalisiert, dass man Strafzahlungen am Ende nicht riskieren wolle. Auch im Bundesministerium hofft man, dass es trotz der knappen Frist doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommt.

Gabriel hatte sich noch im Frühjahr als SPD-Fraktionschef im Landtag zurückhaltend über die Notwendigkeit der Nachmeldung geäußert und die Interessen der Papenburger Meyer-Werft herausgestellt. Sein Sprecher gab nun zu verstehen, dass mit einer Aufnahme der Ems in die Liste der Schutzgebiete eine weitere industrielle Nutzung - etwa für die Überführung von Schiffen der Werft - nicht ausgeschlossen sei.

Die Landesregierung sieht hingegen - ebenso wie die regionale Wirtschaft - die Folgen einer FFH-Meldung weit dramatischer. Die Meyer-Werft rechnet mit bürokratischen Hürden bei wirtschaftlich notwendigen Bagger- und Ausbauarbeiten. Diese könnten letztlich die Existenz des Unternehmens gefährden.

WWF-Presemitteilung:

Bremen, 06. Dezember 2005:

WWF-Studien weisen Rückgang von geschützten Arten und Verstöße gegen EU-Recht nach.

Bundesverwaltungsgericht lässt Revision im Rechtsstreit zu.

Seit dem Bau des Emssperrwerks hat die Zahl der im europäischen Schutzgebiet Nendorper Vorland rastenden Vögel deutlich abgenommen. Zudem hat das Land Niedersachsen es versäumt, die Ems zwischen Papenburg und Emden der EU als "Natura 2000"-Gebiet zu melden. Dies sei jedoch nach den Vorgaben der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FHH-RL) zwingend gewesen. Die EU könnte deshalb ein Bußgeld von bis zu 792.000 Euro täglich gegen Deutschland verhängen. Das sind die Ergebnisse von zwei Studien zum Emssperrwerk, die der WWF heute in Bremen vorlegte.

"Unsere Befürchtungen bewahrheiten sich leider. Das Vogelschutzgebiet verliert durch den politisch rücksichtlosen und wirtschaftlich unnötigen Bau des Sperrwerks seine ökologische Bedeutung", so WWF-Expertin Beatrice Claus. Das Sperrwerk sei vor allem gebaut worden, um der Meyer-Werft in Papenburg unabhängig von Ebbe und Flut die Überführung großer Schiffe in die Nordsee zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund begrüßten mehrere Umweltverbände die kürzlich bekannt gewordene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG) in Leipzig, die Rechtmäßigkeit des Baus erneut zu prüfen. Die Richter hatten in einem am 21.11.2005 gefassten Beschluss die von BUND, WWF und anderen Verbänden angestrebte Revision gegen ein früheres Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg zugelassen. Das Gericht will nun selbst prüfen, ob das Land Niedersachsen mit dem Bau des 230 Millionen Euro teuren Emssperrwerks gegen europäisches Umweltrecht verstoßen hat. "Die Wiederaufnahme ist eine Chance für die Natur. Wir wollen verhindern, dass das Emssperrwerk zum Präzedenzfall für die ungestrafte Missachtung europäischer Umweltstandards wird", sagte Claus.

In dem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob der Eingriff des Sperrwerks in das Vogelschutzgebiet Nendorper Deichvorland - durch das einer der Anschlussdeiche zum Sperrwerk verläuft - mit der Vogelschutzrichtlinie der EU vereinbar ist. Das Nendorper Deichvorland ist ein bedeutender Nahrungs- und Rastplatz für Grau-, Nonnen- und Blessgänse sowie Pfeifenten. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hatte im Dezember 2004 eine Klage der Verbände gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen und eine Revision nicht zugelassen.

Ostfriesen Zeitung 11.01.2005:

Ems-Mündung entzweit SPD und CDU

NATURSCHUTZ Abgeordneter Haase bezeichnet Nichtmeldung als "Ignoranz"

Hannover/Ostfriesland / SR - Die Ems-Mündung sorgt wieder für Streit im Landtag zwischen SPD und CDU: Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Hans-Dieter Haase aus Emden muss die Ems als Naturschutzgebiet (FFH) an die Europäische Union gemeldet werden. Die Weigerung des Umweltministeriums, das zu tun, bezeichnete Haase gestern als "Ignoranz". Der neue Streit um ein altes Thema entzündete sich im Umweltausschuss: CDU und FDP verhinderten die Abstimmung über einen SPD-Antrag zur Nachmeldung von FFH-Gebieten. Die Landesregierung hält eine Meldung der Ems-Mündung nicht für nötig, weil bereits große Teile der Elbe-Mündung FFH-Gebiet seien. Das reiche, heißt es im Umweltministerium. Haase sieht das anders. Er fühlt sich bestätigt durch eine "eindeutige Stellungnahme des unabhängigen Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtags". Demnach müssten die Mündungen von Ems und Weser an die EU gemeldet werden. Geschehe das nicht, drohe "eine gefährliche Machtprobe mit Brüssel", meint Haase. Das glaubt die CDU nicht: Die Landesregierung habe sich bereits mit der EU-Kommission verständigt. Die Aufregung sei unbegründet, heißt es in einer Pressemitteilung.

Presseinformation der FDP-Fraktion im Emder Stadtrat:

FDP-Fraktion im Emder Stadtrat: Emsmündung nicht als FFH-Gebiet zu melden ist richtig

Presseinformation vom 2.2.05

Emder FDP-Fraktion: Emsmündung nicht als FFH-Gebiet auszuweisen ist richtig Mehrfach hat MdL Hans-Dieter Haase (SPD) den Niedersächsischen Umweltminister, Hans-Heinrich Sander, öffentlich Ignoranz und Unfähigkeit nachgesagt, weil dieser das Emsmündungsgebiet nicht als FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) an die EU gemeldet hat. "Haase hat anscheinend nicht bedacht, dass er die Entwicklung des Emder Hafens und große Gewerbebetriebe im Bereich der Ems mit seiner Forderung einer Meldung gefährdet," so der FDP-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Emden, Erich Bolinius. "Hätte Hans-Dieter Haase sich kundig gemacht, hätte er diese ursprüngliche Forderung seiner Fraktion nicht unreflektiert nachgeplappert", so Bolinius. Er sei im Interesse von Emden froh, dass SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel im Landtag gesagt habe, dass eine Meldung der Emsmündung als FFH-Gebiet "bis auf Weiteres" verzichtet werden könne, so Bolinius.

Er selbst habe sich frühzeitig sowohl bei den niederländischen Nachbarn als auch bei Firmen in Emden erkundigt, was eine Meldung der Emsmündung als FFH-Gebiet bedeuten würde. Danach sei er zu der Überzeugung gekommen, dass der Umweltminister Hans-Heinrich Sander richtig gehandelt habe.

 
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