Wattenrat

Ost-Friesland

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Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 118 (September 2005)

Diskussions-Veranstaltung zum Küstenschutz

Stellungnahme des Wattenrats zur geplanten Diskussions-Veranstaltung des nieders. Umweltministeriums: "Küstenschutz-naturverträglich und effizient", am 08.09. in Wilhelmshaven

Für den 08. September hat Hans-Heinrich Sander, niedersächsischer Umweltminister, zur Diskussions-Veranstaltung "Küstenschutz-naturverträglich und effizient" nach Wilhelmshaven in das Nationalparkzentrum, Wattenmeerhaus, eingeladen.

Hintergrund ist die seit MU Sanders Amtsantritt erneut strittige Frage, ob Kleiboden aus den geschützten Salzwiesen für Deichbaumaßnahmen gewonnen werden soll, also Bodenabbau im Nationalpark, einem gemeldeten FFH- und Vogelschutzgebiet.

Bereits vor mehr als 10 Jahren wurde ein Kompromiss zwischen dem Land Niedersachsen, dem staatlichen Küstenschutz, den Deichverbänden und den Naturschutzverbänden gefunden, die sog. "10 Grundsätze für einen effektiven Küstenschutz".

Dieser damalige Kompromiss steht nun, nach der Regierungsübernahme von CDU und FDP, wieder zur Disposition und wird vermutlich einem "Kompromiss der Kompromisse" weichen, wiederum zu Lasten der Naturschutzinhalte. In der Einladung zur Veranstaltung wird diese Absicht bereits garniert mit wohlfeiler Sprechblasenrethorik: "effizient eingesetzte Steuergelder, Basis für das Leben der Menschen an der Küste, optimale Gestaltung von Ausgleichsmaßnahmen, Abwägungsprozess, Teilhabe der betroffenen Bevölkerung".

Bis heute gibt es für das Wattenmeer in Niedersachsen noch nicht einmal ein Nationalparkprogramm mit verbindlich festgelegten Entwicklungszielen. Sommerpolder sind mit einer Ausnahme (westlicher Lütetsburger Sommerpolder im Landkreis Aurich) nicht wieder als Salzwiesen renaturiert worden. Beschlüsse der Trilateralen Ministerkonferenzen zum Schutz des Wattenmeeres sind gar nicht oder nur als Placebo umgesetzt worden; über die Wiedereinführung der Beweidung der Salzwiesen wird ebenfalls bereits im Umweltministerium diskutiert. Vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfungen werden intern im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und Naturschutz ohne ausreichende Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen durchgeführt. Bereits seit fast dreißig Jahren werden noch heute rechtsverbindlich geltende Kompensationsmaßnahmen für den Deichbau im Bereich Norden systematisch verhindert.

Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in die Dünen des Nationalparks wurden vom MU Sander per Erlass unter Verstoß gegen die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie rechtswidrig außer Kraft gesetzt. Nach wie vor werden in den Vorländereien intensiv Gräben unterhalten und die Salzwiesen damit unnötig flächenhaft entwässert, was mit zur Verqueckung und Entwertung dieser geschützten Flächen im Großschutzgebiet Nationalpark Wattenmeer führt.

In den letzten Jahrzehnten wurden in allen drei Wattenmeerstaaten mehr als 200 Quadratkilometer Salzwiesen und Wattflächen vorrangig für die landwirtschaftliche Nutzung eingedeicht. Es gibt keinen Spielraum mehr für die Nutzung der nur formell geschützten Restflächen im Nationalpark.

Fazit:

Der Zustand des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer hat sich auch unter der CDU-FDP Regierung weiter verschlechtert. Unter der Vorgängerregierung der SPD wurde das Nationalparkgesetz zu Gunsten der Tourismusindustrie novelliert und wesentliche Bereiche aus dem Nationalpark herausgenommen. Dies führte zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland. Der Beschwerdeführer ist der Wattenrat, alle anerkannten Naturschutzverbände verharrten in Schweigen.

Es liegt auch an den anerkannten Naturschutzverbänden, die sich in den letzten Jahren sehr rar in der Wattenmeerarbeit gemacht haben, auf diese maroden Zustände öffentlich hinzuweisen und gravierende Änderungen auch juristisch anzumahnen und stärker als bisher von ihrem Verbandsklagerecht Gebrauch zu machen. Genau dieses Instrument will die CDU-FDP-Regierung beschneiden.

Der Wattenrat fordert nach fast 20 jährigen Bestehen des Nationalparks "Niedersächsisches Wattenmeer, der bezeichnender Weise bis heute nicht international anerkannt ist:

Mittelfristige Forderungen:

Manfred Knake
Uilke van der Meer

Das Presseecho zu dieser Veranstaltung war äußerst dürftig, die Stellungnahme des Wattenrates fiel völlig unter den Tisch.

Wir zitieren aus dem Jeverschen Wochenblatt (S.7) Freitag, 9. September 2005:

"Zu Klei als Deichbaumaterial gibt es keine Alternative"

Niedersachsens Umweltminister eröffnete gestern Küstenschutz-Veranstaltung
Hans-Heinrich Sander äußerte sich im Wattenmeerhaus zu Deichbau und Kleiabbau.

WILHELMSHAVEN/WANGERLAND/NA - Zu einer Diskussions- und Vortragsveranstaltung zum Thema "Küstenschutz -naturverträglich und effizient" hatte das Niedersächsische Umweltministerium am Donnerstag ins Wilhelmshavener Nationalparkzentrum eingeladen. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) konnte dazu neben etlichen Fachreferenten viele interessierte Zuhörer im Vortragssaal begrüßen.

Sander stellte eingangs klar, dass bei knappen Haushaltsmitteln bei der Landesregierung dennoch nicht an eine Kürzung der 45 Millionen Euro für den Küstenschutz gedacht werde, allerdings müsse auf hohe Effizienz beim Einsatz dieser Mittel geachtet werden. Dazu hätten die Deichverbände wiederholt betont, dass der Küstenschutz wirtschaftlicher gestaltet werden könnte. Dem stünden jedoch insbesondere zwei Regelungen entgegen, die 1995 von der damaligen Landesregierung getroffenen wurden. Danach sollten Deiche so weit wie möglich auf der Binnenseite verstärkt und der Klei dazu im Regelfall im Binnenland gewonnen werden, während eine Entnahme im Deichvorland nur in besonderen Fällen erfolgen solle.

Nach Sanders Vorstellungen müssten die Deiche, soweit technisch vernünftig und mit dem Naturschutz vereinbar, ins Deichvorland verbreitert werden können. Außerdem sei bei jeder Kleibeschaffung zu prüfen, ob und inwieweit dieser auch naturverträglich und kostengünstig aus dem Deichvorland zu entnehmen ist. Im Übrigen gehen dem Minister die Eingriffsregelungen zu weit, denn manche Ausgleichsforderungen ließen das nötige Augenmaß vermissen, zumal sich manche Kleientnahmestellen zu wertvollen Bereichen für den Naturschutz entwickelten. Ein Beispiel für die natürliche Regenerierung seien zudem die Salzwiesen, die sich nach Expertenmeinung innerhalb von 25 lahren meist sogar prächtiger ent- wickelten als sie vorher waren.

Unter der Moderation von Dr. Walter Keuffel, Leiter des Geschäftsbereich Naturschutz des NLWKN, diskutierten dann Experten zu Einzelthemen wie der ökologischen Entwicklung von Salzwiesen nach Kleientnahmen, naturschutzrechtlichen Anforderungen im Küstenschutz und den wirtschaftlichen Aspekten des Küstenschutzes in Niedersachsen. Bei der anschließenden Diskussion wies Minister Sander unter anderem die Forderung nach Alternativen zum Klei als Deichbaumaterial zurück, denn es gebe keine dazu: "Ein Deich ist ein Stück Natur!" Im anschließenden Pressegespräch wies er außerdem darauf hin, dass Klei aus dem Abbau im Binnenland dann unwiederbringlich weg sei, während die Entnahmeflächen im Außenbereich im Promillebereich lägen. Auch deshalb plädiere er für vernünftige Prüfungen ohne vorherige Festschreibungen, wenn es um den Kleiabbau vor oder hinterm Deich gehe.

 
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