Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 109 (05.06.2005)
Erlass von Umweltminister Sander
Dünenarbeiten auf den ostfriesischen Inseln ohne Ausgleich- und Ersatzmaßnahmen
Nein, die Dünen der ostfriesischen Inseln sind kein Sandkasten zum beliebigen Darinherumbauen, aber dennoch - der niedersächsische Umweltminister Sander macht weiter wie gewohnt:
Gesetze ignorieren, Naturschutz gegen Null fahren, auf Applaus der Öffentlichkeit schielen. Die gesetzliche vorgeschriebene Eingriffsregelung wird per Erlass ausgehebelt, ganz "nebenbei" handelt es sich bei Dünen auf den ostfriesischen Inseln um sog. "Anhang I" Lebensräume der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, "für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen", Graudünen zählen sogar zu den "prioritären Lebensraumtypen" der FFH-Richtlinie. Die Dünenlandschaften der Inseln unterliegen also dem strengen Schutz der europäischen, für alle Mitgliedsstaaten verbindlichen FFH-Richtlinie (seit 1992) und sind im Nationalpark Nieders. Wattenmeer von Deutschland als FFH-Gebiet gemeldet, in Niedersachsen gilt das aber nur auf dem Papier!
Nach Artikel 6 der FFH-Richtlinie ist das Mitgliedsland Deutschland verpflichtet, den Erhaltungszustand dieser Biotope zu gewährleisten und Störungen und Verschlechterungen zu vermeiden; andernfalls ist eine Verträglichkeitsprüfung zwingend vorgeschrieben. Falls Maßnahmen aus zwingendem öffentlichen Interesse notwendig sind (z.B. Küstenschutz) und Alternativlösungen nicht möglich sind "so ergreift das Mitgliedsland alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 [FFH-Richtlinie und Vogelschutzrichtlinie] geschützt ist."
Sander wäre also verpflichtet, nach einer Verträglichkeitsprüfung, die es im vorgeschriebenen Umfang mit Öffentlichkeitsbeteiligung (!) gar nicht gibt, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchzuführen. Es obliegt nicht Herrn Sander zu beurteilen, ob Naturschutz und Küstenschutz nun wieder in einem vorgeblichen "angemessenen Verhältnis" zueinander stehen, dafür gibt es gesetzliche Grundlagen auf europäischer Ebene (s.o.), und die sagen etwas ganz anderes aus. Erleichtert wird seine völlig losgelöste Erlasspolitik durch die Zusammenlegung des Landesnaturschutzes nach Zerschlagung des Nieders. Landesamtes für Ökologie mit der Küstenschutzbehörde im Nieders. Landesamt für Wasserwirtschaft, Küstenschutz und (nun) Naturschutz (NLWKN). Die Ergebnisse können schon besichtigt werden: Dünenzerstörungen ohne Ausgleich. Praktiziert wird das schon länger und begann nicht erst auf Juist im letzten Jahr. Der NLWKN macht nun weiter wie bisher, nun mit schriftlicher politischer Rückendeckung.
Pressemitteilung des niedersächsischen Umweltministeriums:
Küstenschutz
Pressemitteilung Nr. 70/2005, 05. Juli 2005
Hannover. Das Umweltministerium in Hannover hat mit einem Erlass klargestellt, dass für die Verstärkung von Schutzdünen kein Ausgleich und Ersatz, sprich keine Kompensation, geleistet werden muss. "Jetzt können die Gelder fast in vollem Umfang dem Küstenschutz zu Gute kommen. Davon profitieren insbesondere unsere Inseln, die wesentlich von Schutzdünen statt von Deichen vor Sturmfluten geschützt werden", erklärte Umweltminister Sander.
"Schutzdünen dienen ebenso dem Küstenschutz wie Hauptdeiche. Daher sind sie auch rechtlich gleich zu behandeln. Entsprechend haben wir nun auch die Erhaltung der Schutzdünen von den Verboten des Nationalparkgesetzes freigestellt. Schließlich geht es hier um den Schutz von Menschen", erläuterte Sander. Auch das Wiederherstellen von Dünen nach Abbrüchen diene der Erhaltung der Schutzfunktion und müsse entsprechend nicht ausgeglichen werden. Abbrüche waren im letzten Jahr nach Sturmfluten beispielsweise im Pirolatal auf Langeoog aufgetreten. Für die Wiederherstellung der Dünen werden rund 1,7 Millionen Euro aufgewendet. Davon entfallen 18.000 Euro auf einen notwendigen Landschaftspflegerischen Begleitplan und 25.000 Euro werden für den Schnitt von Pflanzen in den nächsten drei Jahren aufgewendet. "Naturschutz und Küstenschutz stehen so wieder in einem angemessenen Verhältnis zueinander", so Sander dazu.
Außerdem kann die Nationalparkverwaltung die Entnahme von Sand aus der Zwischenzone des Nationalparks für die Erhaltung von Schutzdünen genehmigen.